Ja, ist denn schon wieder ein Jahr vorbei? Und wieder ist die Harmonie in Bonn restlos ausverkauft. Wie immer, wenn der niederländische Bluesrocker Julian Sas nach Bonn kommt. Zwei Fans, so verriet Veranstalter Bernie „Mr. Music“ Gelhausen, reisten sogar 3000 Kilometer aus Russland an, um den Gitarristen und Sänger in „seinem Wohnzimmer“ zu erleben. Natürlich auch dabei: die Dutch Blues Family. Sas‘ Konzerte in der Harmonie haben Kultcharakter – und das seit schon 15 Jahren.
Von Dylan Cem Akalin
Der Prediger ist in der Stadt. Die Blues Brothers sind schon lange nicht mehr alleine. Auch Julian Sas ist im Auftrag des Herrn unterwegs. Jedenfalls hat der Bluesrocker an diesem Samstagabend ein paar deutliche Gospelmomente – so wie am Schluss von „Blues for the Lost and Found“.
Es scheint, als habe Julian Sas mit Roland Bakker (Piano, Hammondorgel), Fotis Anagnostou (Bass) und Rob Heijne (Drums) die Formation seines Lebens gefunden. „Robbi“ Heijne ist ja bereits seit 13 Jahren dabei (und nicht seit 14, wie Julian am Samstag noch durchs Mikrofon sagte. Damals kam er noch als Trio mit Pierre “ Boogie Machine“ de Haard am Schlagzeug und dem langjährigen Bassisten Tenny Tahamata).
Roland Bakker und Fotis Anagnostou
Mit Bakker und Anagnostou hat Sas aber seit gut zwei Jahren zwei echte Schwergewichte mit im Boot, die seinen Bandsound bereichern. So wie etwa beim eben schon angesprochenen „Blues for the Lost and Found“, ein Stück mit einem etwas schleppenden Rhythmus, der getragen wird von einem fetten Bassthema. Im Mittelteil hat der Song ein hymnisches Feeling wie Luther Allisons „Serious“.
Wenig Überraschungen
Sas zeigt, dass er die Literatur des Blues und Rock absorbiert hat, aber seinen Horizont durchaus erweitert hat. Wenn es an wirklichen Überraschungsmomenten insgesamt fehlt, dann liegt das daran, dass der Mann beim Publikum genau deswegen so gut ankommt, weil er genau den Nerv trifft zwischen magischen Balladenmomenten und wilden, melodiösen Rockausbrüchen. Warren Haynes hat mir schon mal in einem Interview gestanden, dass es selbst für Musiker, die in der obersten Liga spielen, nicht einfach ist, aus dem Grundkonzept auszubrechen.
Freiräume in den Soli
Aber Sas ist intelligent genug, sich seine Freiräume in den Soli zu erspielen – und diese zu entdecken, macht bei seinen Konzerten ebenso viel Spaß. Dass der deutlich abgespeckte Virtuose mal ein Deep Purple-Zitat, mal eine Referenz an die Allman Brothers, an Jimi Hendrix oder – natürlich – an sein großes Vorbild Rory Gallagher einflechtet, ist zu erwarten. Aber dass er mal Johann Sebastian Bach mit Lynyrd Skynyrd verbindet („Coming Home“) ist durchaus amüsant.
Erinnerungen an David Gilmore und Gary Moore
Bei „Bound to Roll“ denken wir an Golden Earring, bei „Blues For J“ an David Gilmore, Stevie Ray Vaughn und Gary Moore. Überhaupt dieser überlange „Blues For J“, der ja mittlerweile zum Standard in Julians Konzerten gehört. Mit dieser Nummer kann Sas emotional richtig in die Vollen gehen, und Roland Bakker sorgt für einen breiten Hammond-Sound, der der Musik Textur und Tiefe gibt.
Die Setlist des Abends gab wieder einmal einen Querschnitt seines nun gut zwei Jahrzehnte währenden Schaffens: rockige und bluesige Riffs, Boogiegewitter, Rockriffs zum Wippen – und wie immer gibt der Mann alles, um seine Fans glücklich zu machen. Am besten gefällt mir Sas übrigens, wenn er die Gibson Firebird umschnallt und auch Slideeffekte in sein Spiel einbaut. Da hat er einen etwas dreckigeren Sound und spielt etwas weniger gefällig. Zum Schluss gab es auch eine obligatorische Hendrix-Nummer. Indes war mir „Hey Joe“ eine Spur zu schnell und insgesamt zu unruhig.