„Ich höre nie auf!“ – Glenn Hughes im Interview über Musik als Lebenselixier und die Rückkehr von Black Country Communion

Black Country Communion mit Glenn Hughes (2.v.r.) FOTO: Rob Bondurant

Er ist eine lebende Rocklegende – doch Ruhestand? Fehlanzeige! Glenn Hughes spricht im exklusiven Interview über rohe Studio-Sessions, neue Songs für die Bühne, alte Dämonen und warum er lieber schwimmt und schreibt, statt stillzustehen. Glenn Hughes hat eine klare Botschaft: Kreativität kennt kein Alter. Im Vorfeld zum Konzert von Black Country Communion am 19. Juni 2025 im Kölner Tanzbrunnen erzählt er von der Arbeit mit Joe Bonamassa, spiritueller Stärke und dem Mut, mit der eigenen Vergangenheit Frieden zu schließen.

Von Dylan C. Akalin

Glenn, wie fühlt es sich an, wieder mit Black Country Communion auf der Bühne zu stehen und hier in Köln ein Open-Air-Konzert zu spielen?

Glenn Hughes: Es ist großartig. Weißt du, das ist einfach eine Band, die in jeder Hinsicht bemerkenswert ist – die Freundschaft, das Miteinander, die Brüderlichkeit. Es ist eine Band mit außergewöhnlichem Talent.

Was können die Fans hier in Köln erwarten? Wird es ein klassisches Best-of-Set oder habt ihr ein paar Überraschungen geplant? Spielt ihr auch Songs vom neuen Album?

Glenn Hughes: Ich glaube fest an neues Material. Deshalb schreibe ich ständig neue Musik für neue Alben. Für mich ist neue Musik sehr wichtig. Versteh mich nicht falsch, ich finde die klassischen Songs auch wichtig, wie „One Last Soul“, „Black Country“ oder „Sista Jane“ – die sind sehr bedeutend. Aber für mich ist neue Musik einfach essenziell.

Wie läuft der Songwriting-Prozess bei BCC ab? Wer bringt die ersten Ideen ein? Wie entsteht ein typischer BCC-Song? Kannst du das erklären?

Glenn Hughes: Alle Songs entstehen in meinem Heimstudio. Wir haben jetzt fünf Alben gemacht, wie du weißt, und jedes wurde dort geschrieben. Hauptsächlich schreibe ich viel alleine, und dann kommt Joe [Bonamassa] dazu, und wir arbeiten gemeinsam weiter. Mein Hauptding ist, dass ich mich als Songwriter sehe – und dann als Sänger. Ich schreibe ständig. Es entsteht also viel Musik, und wenn Joe zu mir nach Hause kommt, beenden wir die Songs zusammen. Aber ich verbringe wirklich viel Zeit mit dem Schreiben, weil ich diesen Prozess sehr liebe.

Ist es nicht sehr schwierig, mit so beschäftigten Leuten zusammenzuarbeiten? Ich meine, ihr seid eine All-Star-Band – wie schafft ihr das?

Glenn Hughes: Joe und ich legen immer ein Zeitfenster für die Vorproduktion fest. Jedes Mal, wenn wir ein Album machen, kommt Joe für eine Woche zu mir ans Meer. Und in dieser Woche schreiben wir 10, 12, manchmal 15 Songs. Es ist eine unglaublich spontane und arbeitsintensive Woche. Wir verbringen viel Zeit miteinander, und daraus entstehen die Songs.

Das bedeutet, ihr müsst sehr diszipliniert sein.

Glenn Hughes: Ja. Aber versteh mich nicht falsch, Dylan – es ist Disziplin, aber mit Spaß. Ich glaube wirklich, dass man das Leben nicht zu ernst nehmen sollte. Spontaneität, Lachen, Liebe und Witze sind wichtig, aber die Musik ist natürlich sehr ernst, wie du dir vorstellen kannst. Aber das Umfeld, wenn Joe und ich zusammenarbeiten, ist mein Zuhause – es ist entspannt, cool, großartig. Und Joe kommt gerne zu mir. Und noch mal: Wenn er kommt, ist er nie zu spät. Wir sind diszipliniert, ja.

„Neue Songs live zu spielen, ist mir sehr wichtig“

Euer neues Album „V“ kam im Mai raus. Wie fühlt es sich an, das neue Material live zu spielen?

Glenn Hughes: Ich liebe es. Hoffentlich wirst du die Show sehen. Ich glaube, die Songs, die wir ausgewählt haben, funktionieren live richtig gut. Ich schreibe Songs immer mit dem Gedanken, dass sie live gespielt werden sollen. Neue Songs live zu spielen, ist mir sehr wichtig.

Als ich das Album zum ersten Mal gehört habe, hatte ich das Gefühl, dass der Sound roher, direkter, rauer ist als beim vorherigen Album. War das eine bewusste Entscheidung?

Glenn Hughes: Ja, das war definitiv bewusst. Alle Alben werden live aufgenommen. Alles, was wir im Studio machen, geht unglaublich schnell, weil Joe sehr schnell arbeitet – meistens nehmen wir nur einen Take auf. Wir machen höchstens zwei Aufnahmen pro Song, und wählen dann eine aus. So sind wir eben – und übrigens, so haben wir das auch bei Deep Purple gemacht. In den 70ern war das so. In den 80ern kamen dann Pro Tools und in den 90ern Computer, und das war falsch. Für mich ist „live“ die einzig wahre Art, Musik aufzunehmen. Ich bin kein Computer-Songwriter. Ich liebe es, spontan aufzunehmen.

Glenn, du bist unglaublich aktiv und kreativ und hast gerade ein neues Soloalbum aufgenommen. Woher nimmst du diese Energie? Was treibt dich an, immer wieder Neues zu schaffen? Ich meine, ich bin selbst 66 und weiß, was es heißt, älter zu werden. Wie hältst du deine Energie aufrecht?

Glenn Hughes: Das ist eine wirklich gute Frage, aber ich muss ehrlich antworten. Du brauchst nur auf Wikipedia nachzuschauen, um zu sehen, wie alt ich bin – es ist nur eine Zahl. Und ich muss sagen: Je älter ich werde, desto mehr will ich schreiben. Ich schreibe Musik, um gesund zu bleiben – auch geistig. Ich glaube nicht daran, Körper und Geist herunterzufahren. Ich glaube an einen gesunden Lebensstil – geistig und körperlich. Ich will mich bewegen, will denken. Ich halte mich fit – schwimmen, lesen, Musik schreiben. Und ja, ich habe gerade ein neues Album aufgenommen. Die erste Single kam letzte Woche raus, das Album kommt im September. Es ist einfach ein weiterer Teil von mir.

„Musik ist Medizin“

Also ist Musik so etwas wie Medizin für dich?

Glenn Hughes: Sie ist Medizin. Schau, ich bin aus einem bestimmten Grund auf dieser Erde. Ich weiß, dass ich Menschen helfe, die sich von Drogen und Alkohol erholen. Das ist ein Teil dessen, warum ich bin, wie ich bin. Klar, jeder kennt mich als Sänger und Songwriter, das ist großartig. Aber ich glaube wirklich, dass ich anderen helfen kann, die mit ihren eigenen Süchten kämpfen.

Was unterscheidet BCC von deinen anderen musikalischen Projekten – egal ob Deep Purple, Trapeze oder deine Soloarbeit?

Glenn Hughes: Das ist wieder eine großartige Frage. Vor Deep Purple war ich in meiner Teenagerzeit in einer Band namens Trapeze – das war noch bevor du geboren wurdest. Wenn man sich meine Karriere als junger Mensch anschaut, war das der Anfang von allem. Bevor es Alkohol, Frauen und all das Zeug gab – da war einfach nur Musik. Dann kam der Erfolg mit Deep Purple, weltweiter Erfolg – und dann kamen die Frauen, der Alkohol, die Spielchen und der ganze gruselige Kram. Man befindet sich dann in einer anderen Umgebung mit Menschen, die man kaum kennt. Ist das meine Familie? Kann ich diesen Menschen vertrauen? In einer Band zu sein, ist manchmal nicht leicht – so viele verschiedene Persönlichkeiten. Für mich funktioniert das Band-Ding nicht immer. Ich bin eher ein Solo-Künstler. Ich schreibe fast alles allein, wie du weißt. Du stellst wirklich gute Fragen, denn Musik entsteht für mich von innen heraus. Ich schreibe nicht für andere. Viele sagen: „Ich habe diesen Song für dich geschrieben.“ Ich sage: Ich schreibe ihn für mich. Wenn es sich für mich gut anfühlt, gefällt er dir vielleicht auch. So empfinde ich Musik.

„Ich habe in jedem Raum meines Hauses eine Gitarre“

Woher kommt dieses Gefühl für Musik? Hat das auch mit deinem britischen Hintergrund zu tun?

Glenn Hughes: Ich habe in jedem Raum meines Hauses eine Gitarre. Ich kann durchs Haus laufen und eine Melodie hören. Ich höre ständig Melodien – nicht unbedingt Texte – aber Melodien. Ich singe sie, ich nehme sie auf meinem iPhone auf. Ich habe über 3000 Ideen auf meinem Handy – Songideen, die noch nicht fertig sind. Diese Energie fließt seit 20, 30 Jahren konstant. Wenn du willst – wir müssen nicht zu sehr über Gott reden – aber ich glaube an ein höheres Bewusstsein. Ich glaube an Achtsamkeit, an einen spirituellen Zustand. Ich glaube daran, Türen zu öffnen auf dem Weg, der mir bestimmt ist. Und ich glaube, dass gute Dinge passieren können, wenn man an gute Dinge glaubt.

Das ist interessant… Ich meine, du hast nicht nur Höhen erlebt, sondern auch Tiefen. Wie hat sich deine Sicht auf Musik und deine Karriere über die Jahre verändert?

Glenn Hughes: Damals, Ende der 60er und in den 70ern, war Musik roh und echt. Männer in Jeans und T-Shirts – keine Blaser, nichts. Einfach nur T-Shirts, Jeans und Musik – über Mädchen, über Sex, über das Leben. Im Lauf der Jahre bin ich älter und weiser geworden, habe mich von den schlechten Dingen erholt, die ich damals getan habe. Heute bin ich ein anderer Mensch. Es gibt viele Versionen von mir. Während ich jetzt mit dir spreche, werde ich wieder zu einer anderen Version. Ich glaube an Wachstum und an das Bewusstsein der Menschheit. Ich glaube an die Güte des menschlichen Geistes. Und das Einzige, was ich mir von uns Menschen wünsche, ist, dass wir einander lieben. Das ist alles, was mir wichtig ist.

„Ich habe einen starken Glauben“

Es klingt, als wärst du ein Mensch mit einem Glauben.

Glenn Hughes: Ich habe einen starken Glauben! Wenn ich mich den Ängsten des Lebens stelle, dann mit Glauben. Ich glaube, dass wir Menschen von hundert verschiedenen Formen von Angst getrieben sind – Ego, Groll, Erwartungen, Gesundheit, Tod… Und ich glaube daran, im Hier und Jetzt zu leben. Während ich mit dir spreche, denke ich: Genau so soll es gerade sein. Wenn ich in diesem Moment bleiben kann, dann wird mein Tag gut.

Hast du jemals darüber nachgedacht, mit dem Musikgeschäft aufzuhören?

Glenn Hughes: Nein. Ich habe vor etwa zehn Jahren mit meiner Frau darüber gesprochen – sie ist eine sehr kluge Frau. Ich dachte darüber nach, in Rente zu gehen. Wir haben beim Abendessen darüber gesprochen, was passieren würde, wenn ich aufhöre. Und sie sagte: „Liebling, ich will nicht, dass du einfach nur rumsitzt.“ Du weißt ja selbst, wenn man ein engagierter Mensch ist… Wenn Menschen in Rente gehen, sterben manche, weil sie sich langweilen, weil sie sich nicht mehr bewegen. Ich habe mit meinem Freund Ringo Starr über Rente gesprochen. Er sagte: „Warum solltest du in Rente gehen, wenn du ein echter Musiker bist?“ Tony Bennett, mein Freund Frank Sinatra sagte mir in den 80ern, dass er singen will bis zum Schluss – und er war 92, glaube ich. Und ich folge diesem Weg, Dylan. Reisen ist nicht leicht, wenn man älter wird. Aber ich habe als Sänger und Songwriter noch viel zu sagen.

„Ich bin nicht stolz darauf zu sagen, dass ich früher zu viel getrunken habe“

Gibt es etwas, das du bereust? Etwas, das du gern anders gemacht hättest?

Glenn Hughes: Natürlich. Ich bin nicht stolz darauf zu sagen, dass ich früher zu viel getrunken habe. Aber ich denke, dass alles, was mir passiert ist – Gutes oder Schlechtes, Seltsames oder Wunderbares – alles war eine Lektion. Alles hat mir etwas beigebracht, hat mir gezeigt, dass der Weg nicht immer gerade ist. Alle Neins, Jas, Vielleichts, Was-wäre-wenns – das alles sind Hindernisse. Wenn ich sie überwinden kann, indem ich mich meiner Angst stelle – denn wir sind von Angst getrieben – dann bin ich okay.

Du hast oft in Deutschland gespielt. Ich habe dich mit Black Country Communion vor vielleicht zehn Jahren in Bonn gesehen…

Glenn Hughes: Vor 14 Jahren…

Was verbindest du mit Köln und dem deutschen Publikum generell?

Glenn Hughes: Ich habe viele gute Freunde, die mich in Köln besuchen – aus den Niederlanden, aus Belgien. Aber ich habe auch Freunde direkt in Köln. Ich liebe diese Stadt und diese Region Deutschlands. Ich habe wunderbare Erinnerungen an diese Gegend. Es ist für mich immer etwas Besonderes, dort zu sein.

„Die Band hat noch nie so gut geklungen“

Wird BCC nach dieser Tour weitermachen? Gibt es Pläne für ein weiteres Album oder mehr Konzerte?

Glenn Hughes: Das ist sogar eine noch bessere Frage, denn ich habe das schon oft gesagt – und jedes Mal sage ich es wieder. Es ist heutzutage wirklich schwer, Pläne zu machen, mit allem, was politisch und auf unserem Planeten passiert – in dieser verrückten Zeit. Es ist mein Wunsch, weiterzumachen, Dylan. Ich will weiter Musik schreiben – manchmal allein, für mein Solozeug, manchmal mit Joe für BCC. Aber ich kann dir jetzt sagen: Joe und ich planen, weiter zusammenzuarbeiten. Ich will nur meinen Freunden in Deutschland keine falschen Hoffnungen machen, dass es auf jeden Fall weitergeht – denn man weiß es einfach nicht. Aber aktuell – Joe hat mir heute Morgen gesagt – die Band hat noch nie so gut geklungen.

Letzte Frage: Wenn du einem jungen Musiker heute einen einzigen Rat geben müsstest – welcher wäre das?

Glenn Hughes: Hör nicht auf andere, wenn du deine eigene Kunst entdecken willst. Lass dich nicht von anderen daran hindern, als Mensch und als Künstler zu wachsen. Hab keine Angst. Umarme die Angst, denn sie umgibt dich – und geh einfach hindurch. Öffne deine eigenen Türen. Aber sei vorsichtig und hör nicht zu sehr auf Menschen, die neidisch auf deine Kunst sind.