Mit „Home On Native Land“ haben The Hidden Cameras eines ihrer besten Alben herausgebracht.
Von Dylan Cem Akalin
Wenn die Musik nach Petula Clark klingt, die Texte aber eine eindeutige Sprache sprechen, dann sind es „The Hidden Cameras“ . Oder besser: Joel Gibb, Kopf und einziges ständiges Mitglied der kanadischen Queercore-/Alternative-Pop-Band. Und der da auf dem Cover mit nacktem Oberkörper in der kanadischen Wildnis posiert, ist nicht Putin, sondern der Protagonist selbst. Auf dem neuen Album „Home On Native Land“ vereint Gibb Countryklänge, Sixties-Pop, kanadische Volksweisen und altbekannte Mitsinglieder wie „Log Driver’s Waltz“ zu wunderbaren kleinen Popperlen.
„Day I Left Home“ beginnt mit der Zeile „I burned everything I own and left it in a pile smoldering“, und natürlich geht es um erste schwule Erfahrungen („The first time was the best time, the hurt and crying was heaven“). Es sind Brokeback Mountain-Songs, es geht um Herzschmerz und Lust und Leid – und das alles mit dieser sonderbar harmlosen Musik. So wie auch bei „Counting Stars“, einem weiteren Highlight auf dem Album, eine Mischung aus 80er New-Wave-Pop und Soul.
Schwul und mutmachend geht es in praktisch jedem Song zu. „Gay Church Folk Music“ nennt sich das und klingt ja auch irgendwie anachronistisch. Aber was soll’s. Nahezu jeder Song hat einen solchen Ohrwurmcharakter, dass er nach zweimal hören so vertraut wirkt – eben hitverdächtig. Solche Melodien findet man bei Original-Tracks „Big Blue“ und „Drunk Dancer’s Waltz“. „He is the Boss of Me“ ist ja ganz neu nicht: Es ist auf dem frühen Werk „Ecce Homo“ von 2001 zu hören, wurde jetzt aber erst komplett im Studio bearbeitet.
Es ist schon irgendwie witzig, wie sich die neuen Songs fast nahtlos in die Traditionals einfügen. Musik, die Spaß macht, und man kann sich gut vorstellen, wie sie live funktionieren, mit vielen Mitsingmöglichkeiten. Geigen über schönem Piano, Händeklatschen, Chöre, sanfte Pedal-Steel-Gitarren und erdverbundenes Banjo. Das hat auch irgendwo etwas von Bubble Gum-Aroma. Auch eine Art, ein Statement zu setzen. Gerade im homophoben, im prüden Amerika dürfte das Album Angst und Schrecken verbreiten. Und es hat sicherlich einen Grund, warum der Kanadier schon seit Jahren der Heimat fern in Berlin lebt.