Irgendwas stimmt nicht an diesem Konzert. War es das laute Rauschen der Scheinwerferkühlung? In den leisen Passagen des Konzertes von Michael Wollny und seinem Trio im Telekom Forum in Bonn-Beuel schmerzten diese lauten Störgeräusche besonders. Vielleicht war es genau das, was Drummer Eric Schaefer auch so auf den Keks ging. Haute er deshalb besonders laut auf sein Schlagwerk? Oder wollte er Brian Blade übertrumpfen, der ja auch für sein sehr athletisches Spiel bekannt ist?
Dass Wollny ein Pianist ist, der mit Leidenschaft und viel Empfindung an seinem Instrument spielt, ist ja hinlänglich bekannt. Doch gerade bei „Nacht“, dem Eröffnungsstück dieses in Kooperation mit dem Beethovenfest präsentierten Konzerts, hätte ich mir ein wenig mehr Gelassenheit, Mut zum Verweilen gewünscht. Dennoch: Wollnys Bearbeitung des Liedes von Alban Bergüber die „Wolken über Nacht und Thal“, wo „Nebel schweben. Wasser rauschen sacht“ bleibt sein Spiel zwar bedächtig, aber dennoch seltsam sperrig.
Die Interaktion mit Eric Schaefer und dem ausgezeichneten Christian Weber am Bass, der an diesem Abend besonders glänzte, bleibt spannend. Auf seinem neuen Album „Weltentraum“ setzt sich Wollny mit den unterschiedlichsten Komponisten auseinander: dem Mittelalter-Komponisten Guillaume de Machaut, mit Paul Hindemith und dem einzigartigen, etwa von Frank Zappa besonders verehrten, Edgar Varèse, mit Wolfgang Rihm und mit so gegensätzlichen Künstlern wie David Lynch und P!nk. Herausragend: Gustav Mahlers „Kindertotenlieder“, die Wollny schon einmal beim Jazzfest Bonn aufführte, eine fast bedrückende, ungemein zu Herzen gehende Interpretation.
Was für ein Gegensatz das zu dem geradezu grimmigen, ja, angriffslustigen Stück „Phlegma Phighter“, aus der Feder von Eric Schaefer, war! Wollny zeigte an diesem Abend, warum er so erfolgreich ist, und erstaunlicherweise sowohl bei Kritikern als auch bei einem breiten Publikum – seine Alben erreichen sogar die Charts: Wollny gehört zur neuen Generation von Jazzpianisten, die ganz Mensch sind auf der Bühne. Da ist von intellektueller oder gar künstlerischer Abgrenzung zum Publikum, wie man es vielleicht noch aus den 1960er und 70er Jahren des „German Jazz“ kannte, keine Spur. Dennoch hebt er seine Vorliebe und Achtung für enen der größten deutschen Jazzer hervor: Joachim Kühn sei „mein Hero“, sagt er und spielt dessen wohl wunderschönste Ballade „Be free, a way“.
Wollny ist eben einer, der Mut zu Emotionen hat, der Melancholie ebenso zulässt, wie Wut und Lust und Ekstase. Er rockt die Tasten, er experimentiert, er zupft und schlägt die Saiten im Flügelkörper. Das Konzert beendet Wollny mit einer Hommage an seinen Lieblingsschauspieler, den vor einem Jahr verstorbenen Philip Seymour Hoffman, einem Song aus „Synecdoche, New York“. Ein würdiger Schluss für ein Konzert mit vielen Höhen, gewiss keinen Tiefen, aber einigen Falten im ansonsten tadellosen Konzepttuch.