Noch eine 70-Jährige! Kaum zu glauben: Patti Smith zum Geburtstag.
Von Dylan Cem Akalin
Fotos von Patti Smith müssen eigentlich immer Schwarz-Weiß sein. Ich habe einen Fotoband über sie im Regal stehen. Da vermischen sich alle Schattierungen und Bewegungen der Smith zu kunstvollen Arrangements. Die Frau, die als ewige Musikerin des Undergrounds gilt wird an diesem Freitag 70 Jahre alt. Und wer sie vor einigen Monaten in der Lichtburg in Essen gesehen hat, wird das kaum glauben. Noch weniger, wenn man an ihren Auftritt bei der Nobelpreisverleihung denkt, wo sie aufgeregt ihren Vortrag unterbrechen musste.
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Die Frau ist anders, aber nicht aus einer aufgesetzten nicht aus Berechnung heraus, sondern weil ihre Natur so ist. „Outside of society/That’s where I wanna be“ (Außerhalb der Gesellschaft ist der Platz, den ich einnehmen will), sagte sie. Ihre Musik, ihre Gedichte und Bilder sind Kompositionen aus Rausch, Rock und Rebellion, von geheimnisvoller Spiritualität, ehrlicher Sozialkritik, von Sehnsucht nach Liebe und Begegnung mit dem Tod. Für ihr autobiografisches Buch „Just Kids“ gewann sie den National Book Award von 2010, einen der wichtigsten Literaturpreise der USA
Nachdem die gerade 20-Jährige in ihrer Heimatstadt Chicago das College zu Ende gebracht hatte, kam die Frau mit „dem Stehvermögen eines Panzers“ – sagte mal ihr Freund Andy Warhol über sie –1967 nach New York. Dort machte sie sich als Poetin, Schauspielerin und Rockjournalistin einen Namen. Smith schrieb Gedichte, die sie bei Lesungen mit Allen Ginsberg und William S. Burroughs vortrug. Mit ihren Bildern machte sie sogar Andy Warhol auf sich aufmerksam. Zur Musik kam Patti Smith 1973, als der Rockautor Lenny Kaye sie während ihrer Lese-Performances etwas holprig auf der Klampfe begleitete. Ein Jahr später gründete sie die „Patti Smith Group“, mit der sie vier Alben zwischen Punk, New Wave und mystischer Poesie einspielte.
„Because the Night“
Auf dem Höhepunkt ihres musikalischen Schaffens, nach den Hit-Singles „Because the Night“ und „Frederick“, verabschiedete sich die „poetische Exhibitionistin“ (New Musical Express) von der Öffentlichkeit, um sich mit Ehemann Fred „Sonic“ Smith (Gründer der Punk-Pioniere von „MC 5“) in Detroit niederzulassen. In ihrem Buch „M Train“ erzählt Patti Smith ja so eindringlich von ihrer Ehe mit Fred Sonic Smith, aber auch von ihren Lieblingsbüchern und von Dingen und Menschen, die sie im Laufe ihres Lebens verloren hat und die dadurch für sie nur an Bedeutung gewonnen haben.
Drei kurz aufeinanderfolgende Todesfälle versetzen die Poetin in einen dunklen Gemütszustand: 1989 starb ihr alter Freund, der Fotograf Robert Mapplethorpe, im November 1994 überraschend Ehemann Fred, mit dem sie bis zuletzt an neuen Songs gearbeitet hatte. Und nur einen Monat später erlag Pattis Bruder Todd einer Herzattacke. „Es gab für mich nur einen Fluchtweg, um diese Pein wenigstens zu lindern: meine Kunst“, sagte sie.
Leidenschaftliche Poesie
Unter diesen Eindrücken entstand „Gone Again“, das sechste Album. Eingespielt mit alten Freunden um Lenny Kaye sowie Prominenz wie John Cale, Jeff Buckley oder Tom Verlaine, zeichnen sich die elf Songs erneut durch das aus, was Smiths Arbeit seit jeher einzigartig machte: Eindringlichkeit mit dem Nachdruck leidenschaftlicher Poesie. Und das Grundmotiv ist klar: Es geht um Tod und Vergänglichkeit. „Wer sich ,Gone Again‘ zu Gemüte führt, soll sich Fragen über seine eigene Sterblichkeit stellen, um sich dann eine positive Antwort darauf zu geben“, sagt Patti.
Als Patti Smith 1996 wieder nach Köln kam, war es acht Jahre her, dass sie zuletzt auf der Bühne stand. Der Auftakt der Deutschlandtour ist im Kölner E-Werk. Smith startet ihr gut zweistündiges Konzert in Köln geradezu bedächtig mit „Beneath the southern cross“. Der Song ist geprägt von einer feinen akustischen Gitarre, nimmt den weiteren Verlauf des Konzertes vorweg. Überwiegend aber stehen eher die ruhigen Stücke vom neuen Album auf der Setlist. Einer der jungen Musiker ihrer Band ist ihr Sohn Jackson, den ich zum ersten Mal auf der Bühne sehe. Dass die Jungs Deep Purples „Smoke on the water“ spielen, kommt im Publikum irgendwie gar nicht gut an. Die Missmutigen werden dann aber entschädigt mit „Dancing barefoot“, „Summer cannibals“ vom aktuellen Album und natürlich „Because the night“, ihre gemeinsame Komposition mit Bruce Springsteen, und eine mitreißende Version von „Gloria“ gibt es dann auch noch.
2010 tritt Patti Smith auf der Bonner Museumsmeile auf. Was sie mit ihrer fulminanten Band bot, das war geradezu hymnisch, vielleicht eines der besten Konzerte zwischen den Museen. Punk, Poesie, Leidenschaft, ein einziger Rausch.