Schon beim ersten Stück lässt Aynsley Lister seine Fender heulen. Der Brite hat einfach einen Gitarrensound, dass es einem den Rücken runterläuft. Seinen 42. Geburtstag feierte der Bluesrock-Star mit einem Konzert in der Harmonie Bonn. Happy Birthday, Aynsley, und vielen Dank für den schönen Abend.
Von Mike H. Claan
„All Of Your Love“ (vom Album „Eyes Wide Open“, 2016) hat alles, was ein Opener braucht: Dynamik, einen durchgängig kraftvollen Antrieb, eine gute Songstruktur und Platz für ein Gitarrensolo. „Inside Out“ hat diesen total präsenten Rhythmus, ist insgesamt aber einer von diesen Lister-Songs, die Zurückhaltung zelebrieren. Die Gitarre wirkt auf abgeklärte Art verträumt. Das entspannte Gefühl des Songs ist aber keinesfalls eintönig. „Inside Out“ ist ein eingängiger Track mit einprägsamen Melodien zum Mitsingen.
„Il Grande Mafioso“ ist eine Liebeserklärung an die Gangsterfilme von Francis Ford Coppola und Co, ein lässiges Stück mit jeder Menge musikalischen Filmmysteryhinweisen. Cool, nur auf ironische Art düster.
Der Mann ist faszinierend
Wir erleben mit Aynsley Lister einen schönen Abend, wenn Lister auch nicht durchgängig auf höchstem Niveau präsent ist. Jedenfalls habe ich ihn schon besser aufgelegt erlebt. Dennoch ist das wirklich Kritik, die ich nur wegen seiner echten Klasse bringe und aufgrund vergleichbarer Konzerte. Wer ihn zum ersten Mal gesehen hat, dem wird das sicherlich nicht aufgefallen sein. Wie auch immer: „Hyde 2612“ beeindruckt schon wegen der unterschiedlichen Gitarrentechniken, die der 42-Jährige so flockig-leicht einsetzt. Der Mann ist faszinierend. Keine Frage!
Unwiderstehliche Kombination
Von den ersten Noten an zieht er mit „Home“ den Hörer in seine Welt. Die stimmungsvolle, beruhigende Musik und Aynsleys sanfter Gesang bilden eine unwiderstehliche Kombination, die von einem beeindruckenden, kraftvollen Gitarrensolo abgerundet wird. Der Titelsong des gleichnamigen Albums ist einer dieser Stücke, von dem man einfach nicht genug kriegen kann. Ich finde ja das ganze Album fantastisch, aus dem auch „Inside Out“ und „Hyde 2612“ sind. Das sensible Zusammenspiel von Gitarre und Piano gegen Schluss, bevor das Stück nochmal explodiert, ist einfach hinreißend.
„Running Out on Me“
„Running Out on Me“ gehört zu den schärfer eingestellten Stücken, die laut und roh sind, aber mich nicht so erreicht. Ganz anders als „Stay“ und die anderen Stücke aus dem letzten Album „Eyes Wide Open“. Er selbst sagt ja, dass „Eyes Wide Open“ eine Rückkehr zu seinen Wurzeln sei. Bei aller Energie sucht Lister bei „Stay“ eher auf behutsame Weise nach den Wurzeln des Blues. „Ich wollte die Ungeschliffenheit und Energie einer Band beibehalten. Das heißt, so wenige Aufnahmen wie möglich machen und diejenigen mit dem meisten Spirit und der meisten Leidenschaft den technisch perfekten Takes vorziehen. Für mich muss Musik nicht perfekt sein. Sie soll dich packen und bewegen, sowohl emotional als auch körperlich; sie muss sich mit dir verbinden.“
Die Melodie ist das Rückenmark
Und so steht wieder einmal eher die Melodie im Vordergrund, sozusagen als Rückenmark für die solistischen Eskapaden. An Jonny Lang erinnert „Everything I Have to Give“, weil es mit einer ähnlichen kraftvollen Leidenschaft beginnt und diese dann ganz langsam wie einen Bogen anspannt, um die Kraft dann vollends entladen zu können. Eigentlich ein tolles Stück, die Kraft scheint aber bei angezogener Handbremse etwas verloren zu gehen.
Die Interpretation von „Purple Rain“ von Prince hat mir an diesem Abend am besten gefallen. Tolles Arrangement, tolle Soli! Da passte im Anschluss „Possession“, der ähnlich langsam und eindringlich losgeht, und dann viel Platz für Listers tolles Gitarrenspiel bietet. Hier gab es viele emotionale Glanzpunkte. Insgesamt ein schöner Abend!