Die Grandsheiks lassen mit Napoleon Murphy Brock in der Harmonie Bonn die Musik von Frank Zappa aufleben. Und wie! Die Band ist mit den Jahren längst dem Status einer reinen Coverband entwachsen.
Von Dylan Cem Akalin
Was war das denn? Die Grandsheiks um Sänger Maximilian Hilbrand haben sich mit den Jahren derart vom Übervater Frank Zappa freigespielt, dass dessen geistreicher wie humorvoller Avantgarderock so frisch und voller Lust rüberkommt, als wäre der Harlekin des Rock und der zeitgenössischen Musik nicht schon 26 Jahre tot. Die komplizierten Wendungen, verwickelten Strukturen, schnellen Wechsel in Tempo und Harmonien hat die Crew derart inhaliert, dass sie mit der nötigen Schwerelosigkeit rüberkommt, die es braucht, um bei all der Komplexität den Witz auch rüberzubringen.
Noch dazu ist jeder ein solcher Virtuose an seinem Instrument, dass es einfach nur atemberaubend war, wie die Band performte. Auch Sänger Hilbrand bringt die Songs mit der nötigen Mischung aus Ernsthaftigkeit und Fähigkeit zur Humoreske rüber – inklusive der akzentfreien Aussprache. Klar, haben die Fans, darunter übrigens erstaunlich viele junge Leute, auf Napoleon Murphy Brock gewartet. Er hat immerhin jahrelang zu einer der besten Zappa-Formationen gehört und war an einigen der besten Produktionen des Meisters beteiligt. Als dieser dann nach 44 Minuten endlich die Bühne betrat, nahm das Konzert sogar nochmal an Fahrt auf – was man zuvor nicht für möglich gehalten hätte. Napoleon Murphy Brock ist natürlich eine Sensation, und das immer noch mit vitalen 74 Jahren. Aber ganz ehrlich: Die Grandsheiks sind auch ohne den legendären Sänger/Saxofonisten/Querflötisten und Performer gut.
Höhepunkte der Solisten
Das Publikum erlebte zweieinhalb Stunden auf höchstem Niveau. Kritik? Keine. Zwei Stücke hoben sich aber ganz besonders heraus: „Trouble Every Day“ hatte die nötige Kraft, was nicht zuletzt Drummer Christian „Chester“ Majdecki und Bassist Andi Mertens zu verdanken war. Mertens ist übrigens nicht nur ein erstklassiger Bassist, seine gesangliche Unterstützung ist ein echtes Pfund. Der Song war als Gesamtpaket schon epochal, aber als Thomas Schmittinger noch sein Solo an seiner edlen, weißen Tandler-Gitarre begann, gab es mehr als nur einmal Szenenapplaus aus dem Publikum. Der Mann hat nicht nur einen sensationellen Sound, der geprägt ist von einer nur entfernten Distortion. Ansonsten ist die Gitarre auf Klarheit und verhaltene Schärfe eingestellt. Schmittinger ist ein Gitarrist, der die zappaesken Harmonien für einen sehr eigenen Ausdruck nutzt. Furios.
Zweiter Höhepunkt: das Gitarrensolo von Jörg „Doc“ Heuser auf „Easy Meat“. Heuser ist ja nicht nur promovierter Musiker und ein wichtiger musikalischer Kopf der Band. Er ist einfach ein absolut schräger Virtuose, der zwar auf der Bühne recht zurückhaltend wirkt, aber Musikalisch einen ähnlichen Schalk im Nacken hat wie Zappa einst auch. Die versetzten, verrückten Akkorde, die er zum Saxofonsolo von Daniel Guggenheim auf „King Kong“ spielte, waren einfach göttlich. Wenn nötig, dann können sich Heuser und Schmittinger übrigens auch sehr gut einfühlen ins Original – so wie etwa bei „Flakes“, als sie diese federnden, fast endlos langen Linien eines Adrian Belew beisteuerten. Hilbrand ist hier notabene auch fantastisch, wie er in der auch im Original eingefügten Dylan-Persiflage diesen Part umsetzt – inklusive der Mundharmonika. Köstlich.
Die Wesenheiten der Musiker
Zurück zum Solo auf „Easy Meat“. Heusers Spiel ist einerseits sehr an Zappas eigenwilliger Spielweise, immer wieder noch irgendeinen dissonanten Halbton anzuschlagen, orientiert, andererseits ist Heuser eigenständig genug, um seinem Spiel seinen intellektuellen und spielfreudigen Charakter zu geben.
Genau von diesen unterschiedlichen Wesenheiten seiner Mitglieder lebt das Spiel dieser Band mit Zappas Nachlass. Sie lassen ihre Eigenarten einfließen. Das macht eine gute Band aus. Sie vermeiden das pure Rekonstruieren der Werke, sie tun das nur dort, wo es von Bedeutung ist. Daniel Guggenheim, auch ein Musiker durch und durch, der einen fantastischen, samtenen Tenor spielt, aber ebenso versiert mit dem Sopransaxofon oder an der Keyboards ist. Guggenheim bringt eine gehörige Portion Jazz ins Spiel.
Napoleon Murphy Brock
Und Napoleon Murphy Brock? Der 74-Jährige hat immer noch diese hohen Ausrufe drauf, setzte mit der Querflöte Kontrapunkte oder unterstützt mit ihr die musikalischen Themen, spielt ein hervorragendes Saxofon und ist einfach ein geborener Entertainer. Wie er „Montana“ singt, dazu pantomimisch die Geschichte umsetzt, ist ein echtes Vergnügen.
Das Set lässt bei Zappa-Fans keine Wünsche offen, und auch die Dramaturgie stimmt. „Let’s Move To Cleveland“ hat als Opener die nötige hymnische Signalwirkung. Und einen besseren Schluss als „Sofa“ kann es ja wohl auch nicht geben. Hammerkonzert!