Es kommt nicht häufig vor, dass eine Supportband mehr überzeugt als der Hauptact. An diesem Mittwochabend war es im Kölner Stadtgarten so. Alex Henry Foster & The Long Shadows verblüfften und begeisterten mit ihrem teilweise avantgardistischen Alternative Rock mit Bezügen zum poetischen Post-Punk, elektronischen Dark-Wave und psychedelischen Progressive Rock. Die Klangattacke der Kanadier war überwältigend. Ach ja, … And You Will Know Us By The Trail Of Dead waren natürlich auch großartig, indes mit einigen Abzügen.
Von Dylan Cem Akalin
Die gewaltige Batterie an Effektpedalen links und rechts der Bühne, die die beiden Gitarristen aufgebaut hatten, deuteten schon an, dass da sicherlich Soundkaskaden über uns rollen werden. Episch waberten dann auch gleich zu Beginn des exakt einstündigen Auftritts orchestrale Sounds von Sef, der seine Gitarre mit dem Geigenbogen bearbeitete, während ihn Miss Isabel an den Keyboards unterstützte. Alex Henry Foster stand derweil tief gebeugt über seiner Gitarre und zog weitere lange gebundene Linien aus seinem Instrument. „Slow Pace“ gab uns in 14 Minuten schon einen guten Eindruck, in welchen expansiv-atmosphärischen Musikdimensionen AHF denkt. So manches in diesem Stück mit seinem mehr gesprochenen Gesang erinnerte bisweilen an Anne Clark und Nick Cave, einiges an diesem Abend auch an Tortoise.
Und was schreibt der Mann aus Montreal für Texte! In „Summertime Departures“ findet er solch eindringliche Worte für seinen inneren Schmerz, dass man nur noch staunend vor der Bühne stehen kann.
I’ve seen the clouds bloom and disappear
Silences feeding their own masterful cheers
Uplifting praise beholding love, lifetime gold
Enough for me to count my every haven funerals
Lost in winds of summertime departures„
Während Gitarrist Ben Lemelin stoische Arpeggios spielt, lassen die anderen Mitmusiker bedrohliche Szenarien entstehen und AHF ergreift eine knallrote, kleine Gitarre, um mit ihr schmerzende Schreie zu erzeugen, ein Brüllen und Ächzen, als liege ein verwundetes Tier im Sterben. Und wie AHF sich über seinen Synthesizer und die Gitarre krümmt, aufspringt auf die Monitorboxen, die Gitarre schrammt, kratzt, schlägt, ist es die Verkörperung von Trauer, Last und Leid.
„Das Gewicht der Welt ist Liebe. Unter der Last der Einsamkeit,unter der Last der Unzufriedenheit“ heißt es schon zu Beginn von „Shadows Of Our Evening Tides“. Ein Stück, das wieder so sphärisch beginnt und mich irgendwie an Crippled Black Phoenix erinnert mit den wilden Tribal Drums von Charles (Moose) Allicy und dem rauschhaften Bass von Jeff Beaulieu – übrigens entspricht die Besetzung praktisch Fosters ursprünglicher Band Your Favorite Enemies. Beschwörende Worte aus dem Off, es geht besonnener zu, melancholisch, schön.
Fast 20 Minuten verausgabt sich die Band geradezu beim letzten Stück „The Hunter (By The Seaside Window)“. Post-Rock vom Feinsten. Riesige, überlappende Gitarrenakkorde, entfernt hallende Refrains und spannungsgeladene Orchestrierung. Schaurig schön und wild, vor allem als Beaulieu dann ans zweite Schlagzeug tritt und den Gesamtsound weiter öffnet. Das Stück könnte auch eine Art Danksagung an seine japanischen Fans sein, denn in der Albumversion hört man auch einige japanische Zeilen, die ich jetzt live nicht bemerkt habe.
Bis auf den Opener sind alle auf dem wunderbaren Doppelalbum „Windows in the Sky“ zu hören, das ich mir gleich am Merchstand gekauft habe. Die Songs sind wohl unter dem Eindruck des langen Kampfes gegen den Krebs und den Tod seines Vaters entstanden. Und diese Aufarbeitung von Verlust, Trauer, Niedergeschlagenheit und Erschöpfung, aber auch Liebe ist an vielen Stücken zu hören.
Diese Formation ist in Kanada schon richtig groß. 2018 führten sie die digitalen Verkaufscharts von Quebec, und im vergangenen Jahr die physischen Verkaufscharts im ganzen Land. AHF verdrängte mit dem Album sogar Shawn Mendes und Lady Gaga von den Plätzen. Am 21. Juni gibt es ein Wiedersehen. Im Yardclub in Köln.