Wenn überhaupt, dann hatte das Konzert der Simple Minds am Mittwochabend auf dem Kunst!Rasen in Bonn nur einen Makel: Dass die Band um Jim Kerr nichts vom exzellenten Album „Empires and Dance“ (1980) spielte. Ansonsten: Große Party, eine Feier des vergangenen und gegenwärtigen Ruhms, ein großartiger Sound, Rockmusik zwischen Electronica-infusiertem Post-Punk und stadiontauglichen Hymnen.
Von Dylan Cem Akalin
Es gibt Musiker, die scheinen immer besser zu werden. Als ich Jim Kerr und Simple Minds das erste Mal 1980 in Düsseldorf sah, trat eine völlig unbekannte Band aus Schottland auf, die gerade dabei war, die Definition des Post-Punk ordentlich auszudehnen. Jim Kerr war zwar damals schon einer, der mit seiner Bühnenpräsenz auffiel, stimmlich indes schienen doch noch Unsicherheiten zu herrschen. Obwohl der Mann eine tolle Stimmfarbe hatte.
Und die hat der 59-Jährige immer noch. Und er singt vielleicht sogar besser denn je. Kerr gehört zu der Riege der Rockmusiker, die auf der Bühne sind, um zu unterhalten. (Alanis Morissette sollte sich von ihm vielleicht mal beraten lassen, wie das geht, 5000 Fans bis zum letzten Zipfel des Platzes anzusprechen) Dreimal muss sich der völlig verschwitzte Frontmann umziehen. Er entfesselt immer noch seine Legion von Frontmann-Moves – er fällt auf die Knie, geht in den Ausfallschritt, dass er mit dem Kinn fast den Bühnenboden berührt, Fällt auf den Rücken, dreht sein Mikrofon, streckt seine Hände in die Höhe und nutzt die volle Bühnenbreite, um auch die Zuschauer auf den Seiten anzusprechen. Er scheint jeden einzelnen Zuschauer mit festem Blick anzusehen, winkt, zeigt mit dem Finger auf Einzelne.
Jim Kerr und Charlie Burchill
Aus dem aktuellen Album „Walk between Worlds“ spielt die Band an diesem Abend lediglich zwei Stücke, den Opener „The Signal and the Noise“, das wie eine Referenz an Joy Division klingt, und „Summer“. Das Publikum will natürlich die alten Hymnen hören, und doch: Das neue Album ist wirklich großartig, geht zurück auf die elektro-infundierte Blütezeit von Kraftwerk, Brian Eno und David Bowie.
Mit Sänger Jim Kerr und dem Gitarristen Charlie Burchill, den einzigen verbliebenen Gründungsmitgliedern, sehen Simple Minds heute sicherlich anders aus als in den 80er Jahren: Heute spielt die wilde Cherisse Osei am Schlagzeug, die exzentrische Solokünstlerin Catherine Anne Davies „The Anchoress“ war leider nicht dabei. Aber im Gesamteffekt klingt die Band modern, wenn nicht gar zeitlos und kraftvoll, der Soul kommt kräftiger durch, nicht zuletzt wegen der wunderbaren Sängerin Sarah Brown.
„Alive and Kicking“
„All The Things She Said“ bekommt durch einen etwas schleppenden Rhythmus ein neues Flair, „Let The Day Beginn“ hat sowas schottisch-traditionell-spaciges. Und „Mandela“ ist eh ein Song für die Ewigkeit. Kerr macht „Waterfront“ zu einem hoch aufragenden Song, der auf einer unaufhaltsamen Terminator-Basslinie basiert: „She‘s a River“ kommt als echte Rock ‚n‘ Roll-Nummer, „Dolphins“ sorgt für ruhige, meditative Momente, und dann führt Kerr die Menge in der Zugabe durch den luftdurchdringenden Refrain von „Alive and Kicking“ und „Sanctify“. Der Höhepunkt ist unweigerlich der Hit „Don’t You (Forget about Me)“. Kollektives Glücklichsein. Anderthalb Stunden klingen die Simple Minds so frisch und energiegeladen wie eh und je. Beeindruckend.
Fischer Z ist John Watts
Zuvor spielt Fischer Z ein gut einstündiges Konzert, das mehr als nur als Support gelten dürfte. Die Fans durften sich über Fischer-Z-Klassiker aus den frühen 1980er Jahren freuen: „The Worker“ aus dem Album „World Salad“ oder „In England“ aus „Red Skies over paradise“ aus dem Jahre 1981. Bei „Marliese“ singt das Publikum ausgiebig mit.
Erfolg hatte Fischer-Z ja vor allem in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren mit ihrer Musik zwischen, Post-Punk, New Wave und Synthpop. Den Kampf zwischen John Watts Gitarre und Steve Skolniks elektrischer Orgel gewann bekanntlich Watts. Seine schrille Stimme, sein starkes Gitarrenspiel und die sozialkritischen Texte machen die Band zu dem, was es ist. John Watts ist Fischer-Z. „Battalions Of Strangers“ ist ja so ein auf einer schönen Melodie aufgebauter Song, „The Worker“ baut auf Reggae-Rhymtmen auf. Dazu tönt dieser Synthiesound, der klingt, als würde er aus dem Kinderzimmer tönen. Natürlich gibt Watts ein paar Seitenhiebe auf den Brexit, beklagt die Flüchlingssituation auf dem Mittelmeer und widmet „In England“ dem europäischen Gedanken. Wunderbarer Auftritt.