Ezio live in der Harmonie: Songwriting auf höchstem Niveau

Ezio Lunedei und Mark „Booga“ Fowell. © Peter „Beppo“ Szymanski

Es gibt nicht viele Künstler, die auf große Band-Begleitung verzichten können. Ezio Lunedei und sein Partner, der schweigsame, aber dafür umso kunstfertigere Gitarrist Mark „Booga“ Fowell können das. Und das beweisen sie jedes Jahr im November in der Harmonie in Bonn, die auch diesmal nahezu ausverkauft war, aufs Neue.

Von Cem Akalin

Ezio © Peter „Beppo“ Szymanski
Ezio © Peter „Beppo“ Szymanski

Das Duo ist auch deshalb schon ein Phänomen, weil sie Singer/Songwriting auf höchstem Niveau betreiben, und da sind durchaus Songs für die Ewigkeit dabei, so wie „Deeper“, was sie an diesem Abend leider nicht spielen, oder „Saxon Street“. Das Stück beendet das fast zweistündige Konzert mit einem Dauerfeuerwerk von Gitarrenausbrüchen, und auch Ezio zeigt hier, welche Fingerfertigkeit in ihm steckt: sehr Flamenco, sehr rhythmisch.

Ezio zeigte sich wieder einmal als hervorragender Entertainer, der mit allerlei komödiantischen Einlagen für viele Lacher sorgte. Der italienisch stämmige Engländer hat wohl über seine deutsche Freundin die deutsche Sprache neu für sich entdeckt, was ihm einen völlig neuen Zugang zu diesem Land und ihren Menschen ermöglicht, zumindest kann sich Ezio endlich einiges erklären. Zum Beispiel, warum Männer und Frauen in deutschen Saunas so viel mehr entspannt sind, als offenbar in seiner englischen Heimat. Das liege am deutschen Wort „Schniedel“, rief Ezio entzückt aus. Das hätte ja nun überhaupt nicht Bedrohliches mehr an sich. So wie auch „Tripper“ eher wie ein Witz als eine schmerzhafte Geschlechtskrankheit klinge. Am Ende des Konzerts baut er seine neuen deutschen Vokabeln geschickt in seinen Song ein.

Zurück zur Musik. Der manchmal leicht Country angehauchte Folk-Pop bewegt sich in einem interessanten Zwischenreich von ausgeprägt rhythmusbetonten, vorwärtstreibenden Rock-Nummern voller schwindelerregender Gitarrenlinien und anmutigen, verträumten Balladen. Sehr poetisch, dennoch sehr geerdet. Es ist wohl genau diese Mischung aus gefühlvollen Balladen, begleitet von hochvirtuosen und rhythmisch ausgefeilten Gitarren, Songs zum Mitsingen, temporeiche Nummern, die auch schon mal vom Country gestreichelt werden, wie „Waiting For Too Long“, die die (sehr textsicheren) Fans so lieben an Ezio. Und die eleganten Ausbrüche: Auf „The Further We Stretch“ spielt sich Booga geradezu in Rausch auf seiner Gitarre.

Booga  © Peter „Beppo“ Szymanski
Booga © Peter „Beppo“ Szymanski

„Braver Than You Are“ ist eines dieser berührendes Stück, auf dem die Gitarren voll, die Stimme samtweich durch die Lautsprecher klingen. Oder „Everybody Forgets Sometimes“ ( vom Album “The Making of Mr Spoons”) mit einem schönen Schlusssolo von Ezio selbst.

Und dann kommt solch ein Song wie “Bad Bad Place”, fast noch wuchtiger als auf der Platte „This Is The Day“. Man fragt sich indes, warum Ezio diesen Song, der einen Rhythmus wie eine Dampflock auf Hochtouren hat, Meckenheim widmet? Irgendetwas muss ihn an die Apfelstadt vor den Toren Bonns erinnern. Vielleicht diese Zeilen? „I look ahead and all I see is confusion/Feels like everybody is doing the same”. Man weiß es nicht. Jedenfalls habe ihn die Stadt zu dem Song inspiriert erklärt er.

Das Tempo nimmt er dann aber gleich zurück mit dem countrylastigen “Thousend Years”, der auch von den Eagles sein könnte. Also wenn der Mann was kann, dann sind es Balladen. So wie auch „The Angel Song“, mit einem wilden Zwischenteil, wo die Gitarren krachen – ein wunderbarer atmosphärisch sehr dichter Schlusspunkt des offiziellen Konzertabends. “Alex” kommt gleich als erste Zugabe — mit dem eiskalten Refrain zum Mitsingen. Und eben „Saxon Street” (Black Boots on Latin Feet).

Ezio Lunedei und Mark „Booga“ Fowell. © Peter „Beppo“ Szymanski
Ezio Lunedei und Mark „Booga“ Fowell. © Peter „Beppo“ Szymanski

Ein paar Stücke aus dem neuen Album „Daylight Moon“ spielt das Duo auch, „Hey Little Girl“ und „Indian“ zum Beispiel.

1990 haben sich die beiden in Cambridge kennengelernt und machen seitdem gemeinsam Musik. Die ersten Longplayer gab es nur auf Cassetten. Seit Mitte der Neunzigerjahre haben Ezio zwar zahlreiche Alben bei verschiedenen Major- und Independent-Labels veröffentlicht, aber der richtige Durchbruch blieb ihnen merkwürdigerweise immer verwehrt. Ezio bleibt dran. Und was für ein besonderer Songwriter er ist, beweist auf dem aktuellen Album etwa „Dirty Little Secret“. Unbedingt reinhören!

Ach ja, wer bis nächsten Dezember nicht warten kann: Am 29. April 2017 sind Ezio im Kölner Yardclub zu hören.