Guter Klang ist einfach immanent, und das nicht nur im Jazz. Am Freitagabend war das Kolorit jedes einzelnen Instruments so auffallend gut, dass es ein einziger Genuss war, Fay Claassen und ihre Band zu erleben. Einfach wunderbar von den Organisatoren des Schumannfests, einen Abend ihres Jubiläumsfestivals dem Jazz zu widmen. Es war ein fabelhafter Abend in der Bonner Harmonie.
Von Dylan Cem Akalin
Die Modulationsvielfalt einer menschlichen Stimme ist ja immer wieder etwas Faszinierendes. Ein Tenor oder eine Sopranstimme in der Oper kann innerste Emotionen auslösen, Vokalakrobaten wie Youn Sun Nah oder Sidsel Endresen packen mit unglaublichen Achterfahrten und Spezialeffekten. Fay Claassen gehört zu der Sorte Sängerin, die einerseits über einen enormen Stimmumfang verfügt, andererseits mit ihrer leicht rauheiseren, samtenen Farbe in allerlei Rollen schlüpfen kann. Claassen beherrscht ihr Instrument mit einer einschüchternden Sicherheit, da knickt kein Ton weg, jede kleinste Frequenznuance kommt auf den Punkt, und das beeindruckt insbesondere in den leisen Momenten.
Und wenn eine Sängerin ihre Stimme so diszipliniert, geradezu kaltblütig kontrollieren kann, dann verfügt sie über eine unendliche Zahl von Ausdrucksmöglichkeiten. Fay Claassen weiß das. „Cinema Paradiso“, dieser wunderbare Soundtrack von Ennio Morricone, sei ein „Lied für die Ewigkeit“, erklärt die Künstlerin, die übrigens mit ihrem Überraschungsgast, dem wunderbaren Kölner Saxofonisten Paul Heller verheiratet ist. Und sie setzt den Song in einer bemerkenswerten Ausführung um. Ihre Stimme setzt nach einem sehr sparsamen Pianointro ein, und es ist, als halle eine Kirchenorgel in einer Kathedrale!
Heller, tritt als erstes bei „Fay“ auf, einer Komposition des Trompeters Kenny Wheeler. Und mit dem leichten Hall auf dem Tenorsaxofon klingt er etwas wie John Klemmer in den 1980er Jahren. Später, bei „Reach For The Rose“, ein Stück, das er für seine Frau geschrieben hat, legt er ein Solo hin, das Michael Brecker nicht hätte besser machen können. Dieser tiefe, prickelnde, schmatzende Sound des Tenorsaxofons hatte die Ästhetik des Fusion aus den 70er Jahren: melodiös, kraftvoll und ungemein präsent.
„Luck Child“, eine Adaption von Leni Sterns „Sandbox“ bekommt bei Claassen einen leichten Folkanstrich, „Blackbird“ – der Beatlessong ist mittlerweile schon fast ein Standard unter Jazzern – singt Fay, empathisch von Piano und Bass begleitet, als besinnliche Ballade, fast schon mit leicht angezogener Handbremse, was bei dieser Künstlerin aber bedeutet, dass sie dem Song genügend Raum zur Entfaltung lässt. Sehr schön.
Das erste Set schließt mit der Eigenkomposition „Feel the Beat“ mit einer flotten Scateinlage und einem exzellenten, sehr jazzigen Gitarrensolo.
Überhaupt die Band: Fay bringt ihre holländischen Kollegen mit, allesamt Deluxe-Musiker. Pianist Karel Boehlee und Bassist Theo de Jong haben zum Beispiel beide auch mit Toots Thielemans zusammengespielt, und Gitarrist Peter Tiehuis spielte in „Peter Herbolzheimer´s Rhythm Combination and Brass“ spielte und gehörte zum anerkannten Metropole Orkest. Die drei Musiker haben eine Spielfreude, eine Liebe zu Sound, Rhythmus und Harmonie, dass sie eine Einheit bilden. De Jong ist ein virtuoser Bassist, der, wenn nötig, zurückhaltend, aber auch ausgelassene melodiöse Soli spielt.
Tiehuis wechselt seine Gitarre, bei der akustischen Version hat er einen glockenklaren Anschlag, der wie unmittelbar von der Saite ins Ohr zu treffen scheint, schnörkellos, makellos, elegant.
Boehlee liebt die lichten, offenen Akkorde, über die er gewandt mit der rechten Hand flitzen kann. Nein, an diesem Abend gibt es einfach nichts zu mäkeln.
Das zweite Set bestimmt Duke Ellingtons „In a Sentimental Mood“ in einem für Michael Abene typisch seziert-verwinkelten Arrangement mit hintersinnigen Rhythmen und viel Platz für Fay Claassen, ihre Stimme in unerklärliche Höhen zu schrauben.
Paul Simons „One Trick Pony“ kommt als funkiger Groove und mit einer Herausforderung für Bassist de Jong. Der Traditional „Oh Shanondoah“ wird als Elegie präsentiert, „Five up high“, geschrieben vom Altsaxofonisten Benjamin Herman, hat einen wohltuenden Blueskick. Zur Zugabe gibt es das ans Herz gehende Toots Thielemans-Stück „Dat mistige rooie beest“ (gute Gelegenheit, sich das geniale Original vom Film „Turkish Delight“ nochmal anzuhören!).
Kaum zu glauben, aber es war Fay Claassens erster Auftritt in Bonn – hoffentlich sehen wir sie bald wieder.