Einfach fantastisch: Laura Jurd mit Dinasaur beim Jazzfest Bonn

Laura Jurd FOTO: Lutz Voigtländer/JFB

Von Dylan Cem Akalin

Conor Chaplin ist sowas wie die Gravitationskonstante in dieser Konstellation. Der Kontrabassist hält dieses flirrende, bewegliche, immer im Fluss befindliche System der Unwägbarkeit stoisch zusammen. Dinosaur, die Band der Londoner Trompeterin Laura Jurd, ist immer für Überraschungen gut – das bewies sie bisher mit ihren Alben und immer wieder bei ihren Liveauftritten. Beim Jazzfest Bonn bleibt das Quartett gänzlich akustisch, ja, für seine Begriffe fast ein wenig konventionell – wenn da nicht diese ungewöhnlichen Kompositionen der Bandleaderin und die intensive Interaktion der Gruppe wären, die wie eine verschworene Gemeinschaft wirkt. Also kein Synthesizer, kein E-Bass, kein Fender Rhodes.

Und da unterscheiden sich die Briten deutlich vom Kölner Quartett rund um Denis Gäbel, das den zweiten Teil des Abends in der Brotfabrik Bonn eher auf traditionellen Wegen bestritt. Die Kompositionen der Laura Jurd sind wie Flugreisen über Kontinente und Landstriche, voller Abwechslung im ruhigen Dahingleiten, und wie Fabeln und Erzählungen, in denen immer wieder unverhoffte Wendungen neue Spannung erzeugen. „Slow Loris“ zum Beispiel beginnt mit einem scheppernden Rhythmus wie bei einem Trauerzug durch New Orleans und einem Thema, das an Miles Davis aus der Milesstones-Phase erinnert. Dann aber nimmt Pianist Elliot Galvin das Heft in die Hand, ein freies Zwischenspiel leitet sein Solo mit auslaufenden Linien ein. Jurds plötzlich knurrendes Klangbild an der Trompete, dieses etwas Schrullige und Scheppernde, die stolpernden, hingeworfenen Einlagen, was Assoziationen an Lester Bowie erweckt, bekommt am Ende flüchtige maurische Sprenkel.

Eine der führenden Persönlichkeiten des britischen Jazz

Die vier jungen Engländer haben Respekt vor der Tradition des Jazz, das merkt man, sie treten ihm aber auch ordentlich in den Hintern. Es ist, als wollten sie die gute alte Tante Jazz rütteln und schütteln, dass sie sich mal auf neue Wege begibt. Es ist kein Wunder, dass Jurd seit ihrem Debütalbum „Landing Ground“ im Jahr 2012 als eine der führenden Persönlichkeiten der britischen Jazzszene gilt. Was sie mit ihren Mitstreitern gemein hat, die sich alle schon ziemlich lange kennen, ist diese Mischung aus Nachdenklichkeit, Intelligenz und Humor. Galvin wird ob seines klugen und ziemlich lässigen Spiels schon wie ein zweiter Django Bates gehandelt. Corrie Dick ist sowohl ein empathischer Schlagzeuger, der die Felle und Becken mal mit Brush Sticks, mit klassischem Besen oder Stick, mit den Händen oder mit Stöcken bearbeitet, an denen er feine Rasseln befestigt hat. Dann wiederum kann er athletisch aufdrehen wie ein Rockdrummer.

Corrie Dick FOTO: Lutz Voigtländer/JFB

Live ist es aufregend zu sehen, wie sie miteinander kommunizieren. Insbesondere der Pianist behält Jurd immer im Auge, und er lächelt glücklich, wenn Jurd ihm einen besonders herausfordernden Staffelstab übergibt. Auf der Bühne wirkt Jurd ernst, zurückhaltend und in sich gekehrt. Im Gespräch, das ich am Nachmittag mit ihr führte, spricht sie leise, aber bestimmt und beweist einen sehr feinen Humor.

Ein etwas anderes Liebeslied

„Mosking“ beginnt mit einem ausgeglichenen Bass, einem jecken Rhythmus und einem von Klavier und Trompete unisono gespielten Thema, das auch von Weather Report sein könnte. Die staccato gespielte Trompete schraubt sich dann in immer offenere Gefilde und bietet Dick Möglichkeit für ein ungewöhnliches Solo voller Brüche und Finessen. Am Schluss landet die Band mit dem Publikum im tibetischen Gebirge, wo das Klavier und die Drums, von asiatisch anmutenden Einwürfen der Trompete begleitet, Töne erzeugen, als würde der Wind Metallzylinder und Bambusstäbe miteinander kollidieren lassen.

Elliot Galvin – Klavier FOTO: Lutz Voigtländer/JFB

„Forgive, Forget“ hat was von einer Begleitmusik zu einer asiatischen Artistentruppe. Die Bearbeitung von Billy Strayhorns „Absinthe“ ist eine Mischung aus melancholischer New Orleans-Jazz-Spelunke und kammermusikalischen Exkursionen. Das unbekümmerte „Banning Street Blues“ könnte auch eine Referenz an Cannonball Adderley sein. Bei der Zugabe „For One“ zeigt uns Laura Jurd eine andere, sehr sensible Seite. Mit der kurz zuvor überreichten Rose in der Hand spielt sie eine Ballade. Es ist ein Liebeslied mit einem zornigen Unterton. In ihrem Trompetenspiel säuselt sie ihrem Liebhaber zu und macht gleichzeitig ihren Standpunkt klar – um ihm am Ende dann doch den Laufpass zu geben. Ein fantastisches Konzert.

Conor Chaplin – Kontrabass FOTO: Lutz Voigtländer/JFB
Dinosaur FOTO: Lutz Voigtländer/JFB
Laura Jurd FOTO: Lutz Voigtländer/JFB