Charlene Soraia
Where’S My Tribe
Erscheinungsdatum: 24. Januar 2019
Label: Peacefrog (Rough Trade)
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Es muss nicht immer krachen. Gerade zu diesen kalten Wintertagen passt ein etwas weicher Soundtrack perfekt dazu, einen dunklen Abend zu wärmen, wie nur die einzigartige Stimme von Charlene Soraia wärmen kann.
Von Tania Rusca
Die Folksängerin aus London kommt nun mit ihrer zweiten LP „Where´s My Tribe“ zurück, nach „Moonchild“ (2011) und nach dem Erfolg ihres Covers von „Wherever You Will Go“, den sie für einen TV-Werbeclip realisierte und der auf Platz drei der UK-Charts gelang.
Einzigartig ist auch die Geschichte der 30-jährigen Britin, die schon als kleines Kind Gitarre spielen von ihrem Vater lernte, die aber tatsächlich keine musikalische Ausbildung hatte. Trotzdem schaffte sie, einen Platz an der renommierten Kunstschule „Brit School“ zu bekommen, wo sie u.a. mit Adele und Katy B studierte.
Erinnert an Norah Jones
Sie kann zwar immer noch keine Noten lesen, die Gitarre beherrscht sie aber zauberhaft, was insbesondere in diesem neuen Album deutlich wird. Im Vergleich zu ihrem ersten, klingt das zweite Album bewusster und reifer. Und dies obwohl (oder gerade, weil) es sehr minimalistisch gestaltet ist: Einfach die Gitarre und die Stimme der Songwriterin genügen, die Luft zu füllen und eine runde, intensive Atmosphäre zu verschaffen. Die Klänge sind klar und hell, das Flair erinnert manchmal an Norah Jones, aber die Gitarre bringt die Musik viel mehr in das Gebiet der Country- und Volksmusik. Und die Stimme selbst von Charlene Soraia wirkt wie ein musikalisches Instrument.
Aus dieser Mischung ergibt sich ein vollständiges, angenehmes und erwachsenes Album, das als Hintergrund ruhiger Momente sowie für ein aufmerksames Zuhören geeignet ist. Auf jeden Fall eine empfehlenswerte Neuerscheinung einer der schönsten Stimmen Europas.
Eine Stimme. Eine Gitarre. Zehn grandiose Songs. Aufgenommen alleine von der Künstlerin in ihrer Wohnung im Süden Londons – ohne Bearbeitung, ohne Autotune und oftmals in einem Take. „Where’s My Tribe“ ist ein Album von rauer und im besten Sinne schlichter Schönheit.
Songs wie „Beautiful People“, „Tragic Youth“ und „Now You Are With Her“ offenbaren die Einsamkeit, die dem hohlen Kern unserer hyperverbundenen Welt innewohnt. Ein trügerisches Leben, in dem wir virtuell Freunden und Drachen hinterherjagen. Die Nummer „Temptation“ erzählt von der feinen Qual, einer verbotenen Affäre gerade eben so zu widerstehen. Charlene Soraia hat das Stück um drei Uhr nachts in nur einem Take aufgenommen. In „Tragic Youth“ treibt sie die Geister der Vergangenheit aus und verbannt sie aus der Gegenwart. Diese Geschöpfe werden ruhig hinaus geleitet von einer Stimme, die wie Quecksilber über ein komplexes Mosaik aus Gitarrenrhythmen gleitet. Während sich „Beautiful People“ als Protest einer Außenstehenden zur Selfie-Generation interpretieren lässt, handelt „Far Beyond The High Street“ von einem Haus, das in vier separate Zuhause zerfällt. Und „Now You Are With Her“ schildert die Sorge und zugleich das Bedürfnis, sich mit der stärksten Konkurrenz zu messen.
Charlene Soraia ist mit einer Stimme gesegnet, die Herzen zum Schmelzen bringen kann – wie ihr internationaler Zufallshit „Wherever You Will Go“ zeigt. „Where’s My Tribe“ ist eine eindrucksvolle Erinnerung daran, dass die Künstlerin zudem eine virtuose Gitarristin sowie eine Songschreiberin von außergewöhnlichem Talent ist. Universell und zugleich zutiefst persönlich, unserer Epoche entsprungen und zugleich zeitlos – Charlene Soraias Album ist wie gemacht dafür, mit der einsamen Seele in uns allen zu korrespondieren.