Ein traumhafter Abend mit dem Avishai Cohen Quartett im Kölner Club Bahnhof Ehrenfeld. Auffallend: Dieser Jazz lockte erstaunlich viele junge Leute.
Von Mike H. Claan
Avishai Cohen hat die Ruhe weg. Wenn der 38-jährige bärtige gebürtige Israeli die Trompete ansetzt und zarte, gleichzeitig energische Melodien spielt, dann ist es, als würden Türen in altehrwürdige Zeiten aufgehen, als Schauspieler noch Zeit hatten, eine Geste zu Ende zu fühlen, Filmemacher Geschichten voller Poesie erzählten. So ist es jedenfalls bei „Life and Death“. Und man hätte im vollen Saal des Bahnhof Ehrenfeld in Köln die Temperatur fallen hören können, wie es ein berühmter Privatdetektiv mal so treffend beschrieb. Das Publikum war sich dessen bewusst, Zeuge eines ganz besonders magischen Moments zu sein, als Cohen, Pianist Yonathan Avishai, Bassist Barak Mori und Schlagzeuger Nasheet Waits am Montagabend vor allem Werke aus ihrer ECM-Produktion „Into the Silence“ spielten. Was für ein treffrender Titel!
„Stille“, hat Carlos Santana mal erklärt, „ist der schönste Klang im Universum.“ Und das wunderbar aufeinander eingespielte Quartett zelebriert genau das. Nicht nur jeder gespielte Ton, jeder Schlag auf Becken oder Trommel hat Bedeutung, sondern insbesondere auch die Ruhe dazwischen.
Und Cohen ist ein Bandleader, der seine Rolle nicht als Betriebsleiter sieht, sondern als Inspirator. Der Ausnahmetrompeter, der ganz eindeutig aus der Miles Davis-Schule kommt, gibt den einzelonen Bandmitgliedern viel Raum, er zieht sich, wenn nötig, zurück und lässt für lange Zeit praktisch ein Trio agieren. So wie bei „Dream Like A Child“. Pianist Yonathan Avishai baut das Grundgerüst des Stückes mit der Bedächtigkeit eines Zen-Meisters auf, Barak Mori und Nasheet Waits stecken dazu empathisch musikalisches Ikebana.
Und es ist wohl die Behutsamkeit und ein offenkundiges Gespür für Strukturen, die der Band dann trotz der vermeintlichen Zwanglosigkeit soviel Raum für abenteuerliche Improvisationen geben.
Trompeter Avishai Cohen hat einen Ton, der sowohl stämmig als auch markant ist, was auf Deckkraft und Faszination hindeutet. Seiner Musik fehlt auf angenehme Weise die Schnelllebigkeit, das ist keine Spannung, die schnell aufsteigt und dann zerplatzt. Die Musik breitet sich eher allmählich aus – wie Tinte auf Löschpapier, wie Rotwein auf Seide. Manchmal, da startet Pianist Yonathan Avishai mit ein paar Moll-Akkorden. Der Bassist und der Schlagzeuger warten auf ihre eigenen Pigmente, und erst nach einer für den Zuschauer fast unendlich langen Zeit setzt Cohen endlich an, verfolgt die Akkorde mit seiner Trompete, klärt ihre Schönheit und bietet keine Erleichterung von der Unbestimmtheit. Die Hitze steigt bei diesem Quartett erst allmählich an, aber die Abkühlung kommt nie… Ein traumhafter Abend!