A.R. & Machines
“The Art Of German Psychedelic (1970-74)”
Label: Bmg Rights Management (Warner)
erscheint am 27. Oktober 2017 (Amazon)
Schon bemerkenswert, wie zeitlos die Stücke sind. Allein die Titel wie „Schwungvolle Botschaft“ oder „Schiwago Shankar“ deuten vielleicht noch darauf hin, dass es sich hier um Aufnahmen aus den frühen 70er Jahren handelt.
Von Dylan Cem Akalin
Freunde des Krautrock und des frühen deutschen Psychedelic Electronic Rock haben viel zu lange darauf gewartet, dass Achim Reichel endlich seine Archive öffnet und jene fünf Alben, die zwischen 1970 und 1974 unter dem Namen A.R. & Machines entstanden und ein Meilenstein für die Rockmusik bilden herausgibt. Jetzt ist es also soweit und Reichel präsentiert die „Werkschau des innovativen Avantgarde-Projekts der frühen 70er Jahre“, wie es die Plattenfirma ankündigt, in einer aufwändig gestalteten Zehn-CD-Box. Sie enthält neben den fünf Originalalben fast fünf Stunden rare und unveröffentlichte Musik, ein neues Remixalbum („Virtual Journey“), auf dem unter anderem die beiden zu Anfang erwähnten Stücke sind, sowie ein Hardcoverbuch mit vom Künstler selbst verfassten Linernotes.
Gerade dieses Remixalbum hat es mir besonders angetan. Reichel versteht es, alte Aufnahmen in ein ein modernes Gewand zu hüllen. Die Stücke sind wie ein meditativer Trip in die guten alten Zeiten, als Derrick seinen Harry den Wagen holen ließ. Die sehr Technoangehauchten Stücke sind voll kontemplativer Gitarren, fast fiebriger Rhythmen und technischer Finesse. Und dann tragen sie Titel wie Cocktails („Meerjungfrau im Whiskeyglas“) oder ironische Volksweisen („Hier ist dein Weckruf“).
Liveaufnahmen zeigen, dass es bei den Machines auch schon mal ziemlich jazzig mit Anklängen zu Can zugehen konnte („Erholung Teil 2“). Die zwei Live-CDs wurden im April 1973 fürs Radio in Köln sowie in Krefeld als Privatmitschnitt aufgenommen.
Wunderbar: „AR3“ mit dem Stück „Warum Peter nur noch Ferien macht“ – hätte auch hervorragend auf dem „Lamb Lies Down On Broadway“ von Genesis damals gepasst.
Im Mittelpunkt steht natürlich „Die Grüne Reise“, das nur so strotzt vor Kreativitätslust und Experimentierfreude. Was die Stücke so einzigartig macht, ist nicht nur der beachtlich gute Sound, sondern das Reichel bei aller Spielfreude an den neuen technischen Möglichkeiten seiner neuen Akai X330D Bandmaschine sich nicht darauf beschränkt, die Sound-Landschaften aus Gitarrenechos und was weiß ich alles zu überfrachten. Er baut eben auch Gitarren und Querflöten ein. Es gibt auch mal ein Gesänge, die wie aus einem Paralleluniversum durch die Sounds zu dringen scheinen ((„Erinnerungen an Übermorgen“).
Reichel soll damals Stunden in seinem Zimmer verbracht haben – die Kopfhörer auf den Ohren – und seine Soundwelten geschaffen haben. Das wurde damals nicht nur begeistert, sondern teilweise auch durchaus ratlos aufgenommen. Ein einziger Schatz für allerlei Entdeckungen! Vielen Dank dafür!
Das Boxset A.R. & Machines “The Art Of German Psychedelic (1970-74)” enthält alle fünf Studioalben von 1971 bis 1974: „Die grüne Reise“, „Echo“, „A.R.3“, „A.R.4“ und „Autovision“. Fast fünfzig Jahre nach Erscheinungsdatum, nachdem sie von Achim Reichel zum Start seiner Solokarriere bewusst vom Markt genommen worden waren, bieten die Aufnahmen den ultimativen Einblick ins Schaffen eines der mysteriösesten Künstler des Krautrock.
Außerdem mit im Paket enthalten
3 Bonus CDs mit unveröffentlichtem Material aus Reichels Bandarchiv vervollständigen das Set. Auf dem Album „Virtual Journey“, das Achim Reichel exklusiv für das Boxset produzierte, paart er alte Fundstücke aus den 70ern, mit modernen technischen Gegebenheiten. Damit gelingt ihm die Transformation von A.R. & Machines in die Gegenwart.
Des weiteren eine Zusammenstellung erster Remix-Versuche von 1996, die Reichel auf dem Höhepunkt seiner Sangeskarriere zu seinem privaten Vergnügen bastelte und bis jetzt unter Verschluss hielt.
Zu guter Letzt gewährt „Warm-up in a Birdcage“ (Bonus A.R.4) Einblick in eine improvisierte Jam Session während der Studioaufnahmen zu A.R.4. Die Musiker hatten keine Ahnung, dass Produzentenlegende Conny Plank die Bandmaschine einfach laufen ließ, während sie sich zusammen warmspielten.
Neben den 10 CDS befinden sich in dem opulenten Boxset ein großformatiges 95-seitiges Hardcoverbuch mit seltenen Fotos und einer Autobiografie – Die A.R. & Machines Story – randvoll mit Anekdoten über Achim Reichels wilde Jahre in Hamburg und der Krautrock Szene.
Das Bonusmaterial enthält zudem eigenhändig von Reichel verfasste Notizen und schafft damit einen Kontext für die besondere Materie.