Transatlantic und ihr neues Husarenstück „The Absolute Universe“

Transatlantic sind mit The Absolute Universe nach mehr als sechs Jahren endlich zurück – und das nicht mit einem, sondern zwei neuen Alben. Indes sind es zwei Alben, die eine Geschichte erzählen, wenn auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln: ein gewaltiges Unterfangen, das gelingt.

Von Dylan Cem Akalin

Natürlich werden Neal Morse (Ex-Spock’s Beard), Mike Portnoy (Ex-Dream Theater), Bassist Pete Trewavas (Marillion) und Gitarrist Roine Stolt (The Flower Kings) ihrem Ruf als Supergroup wieder einmal gerecht. Konzeptionell knüpft das neue Werk des Quartetts eher an „The Whirlwind“ (2009) denn an „Kaleidoscope“ (2014). Der Retro-Prog spielt für Transatlantic zwar nach wie vor eine Vorbildrolle, aber der Einfluss von Neal Morse ist deutlich geringer als bei den Vorgängeralben. Und das ist durchaus gut so. So fantastisch der Tausendsassa des Progrock auch ist, häufig sind seine Vorstellungen des Ausdrucks für meinen Geschmack zu altbacken. Es tut dem Gesamtwerk gut, dass Portnoy und Stolt ihre Handschrift unverkennbar eingebracht haben. Da sind Fusion-Elemente, die dem bisweilen dem Pop der Beatles-Ära nachhängendem Morse ein ordentliches Gegengewicht verleihen, und Stolt haut da sogar mal ein paar Gitarreneinlagen a la John McLaughlin raus. Das sind richtig starke Momente.

Transatlantic FOTO: Promo

Erstaunlich und doch nicht überraschend ist, dass es das Werk in verschiedenen Versionen und Längen gibt: „Forevermore“ und „The Breath of Life“ sind auf CD, LP und digital erhältlich. Es wird aber auch das sogenannte „Absolute Universum: The Ultimate Edition“ geben, das beide Versionen in einem aufwendigen Paket zusammenfasst, das 5LPs, 3CDs und eine Blu-ray enthält, die einen speziellen Mix enthält, der beide Versionen wiederum zu einer dritten kombiniert und als einzigartige Version in 5.1 Surround Sound mit Visuals und einer Dokumentation hinter den Kulissen zusammenfügt. Alle Ausgaben zeigen Kunstwerke von Thomas Ewerhard mit dem Luftschiff von Pavel Zhovba.

Kreativer Geist: Mike Portnoy

Mike Portnoy, bekannt für seinen an Wahn grenzenden Erfindungsgeist und Kreativgeist, hat das alles offenbar forciert und in die Hand genommen. Der Ex-Drummer von Dream Theater hat sich da ganz ausgetobt und erklärt: „Wir haben zwei Versionen dieses Albums. Es gibt eine 90-minütige Präsentation mit zwei CDs und eine einzige – das sind 60 Minuten. Die Einzel-CD ist jedoch nicht nur eine bearbeitete Version der Doppel-CD. Sie enthalten jeweils alternative Versionen und in einigen Fällen sogar neue Aufnahmen.“

Mike Portnoy FOTO: Promo

Portnoy weiter: Wir haben frische Texte geschrieben und auf den Einzel-CD-Versionen singen andere Leute als auf der Doppel-CD. Einige der Songtitel wurden ebenfalls geändert, während andere möglicherweise gleichbleiben, aber kompositorisch wurde das, was Sie hören, geändert. Sie müssen verstehen, dass das, was wir getan haben, einzigartig ist. Wir haben die Songs überarbeitet, um die beiden Versionen unterschiedlich zu machen. “ Pete Trewavas fügt hinzu: „Wir haben einige neue Musik für die einzelne CD geschrieben. Außerdem gibt es Unterschiede bei den Instrumenten, die auf einigen Tracks der beiden Platten verwendet werden.“ Alles klar?

Unterschiedliche Schwerpunkte: Neal Morse und Roine Stolt

Obwohl viele Songs in beiden Versionen erscheinen, sind die Arrangements und Gesangslinien manchmal völlig unterschiedlich. Der unterschiedliche Ansatz spiegelt sich bereits bei der Ouvertüre wider. Neal Morse legt großen Wert auf die Verwendung von Tasten und Roine Stolt mehr auf Gitarre. Seine Version dauert auch eineinhalb Mal so lange. Neal Morse-Fans werden wohl eher „The Breath Of Life“ mögen, wer indes die Klangästhetik und den Stil von The Flower Kings bevorzugt, wird mit „Forevermore“ bestens bedient.

Neal Morse FOTO: Promo

Die Musik in „The Absolute Universe“ bietet Fans des klassischen melodischen Progressiven Rocks die ganze Bandbreite seiner Bandbreite: von sanften und Balladen-Momenten bis hin zu stürmischem Rock, jazzigen Einlagen, intelligenten Harmonie- und Tempowechsel, da sind Augenblicke von erhabener individueller Instrumentierung und Schönheit bis hin zum faszinierenden, virtuosen Zusammenspiel der Protagonisten. Da kann niemand etwas zu mäkeln haben.

Mitten in der Pandemie bietet „The Absolute Universe“ also ein durchaus kurzweiliges Hörerlebnis, das den Fan für eine Zeitlang ablenkt. Kleiner Tipp am Rande: Ich habe mir die Musik auf exzellenten Kopfhörern angehört. Und das ist ein Wahnsinnserlebnis, das sich lohn, um völlig einzutauchen in dieser irren Progwelt der vier Supermusiker.

Roine Stolt FOTO: Promo

„Swing High Swing Low“

Schon die Ouvertüre ist ein toller Start. „Swing High Swing Low“ wird auf der kürzeren CD zu „Take Back my Soul“. Und wer könnte da schon widersprechen, wenn Morse singt „Und wenn der Sommer kommt, werden wir wieder tanzen“? „Love Made Away“ ist eine sehr Transatlantic-typische Prog-Hymne. Andere Favoriten: „Solitude“ und „The Greatest Story Never Ends“ mit ihren Kontrasten und Variationen in Komposition und Ausdruck. Die Harmonien auf Tracks wie „Higher than the Morning“ erinnern unheimlich an Gentle Giant.

Fazit: Transatlantics „The Absolute Universe“ ist einfach ein großartiger klassischer melodischer Progressive Rock und bietet in der Fülle der Kreativität viel zu entdecken. Sehr zu empfehlen.

Label:

Inside Out Music, 2021

Tracklisting:

The Absolute Universe: Forevermore

  1. Overture
  2. Heart Like A Whirlwind
  3. Higher Than The Morning
  4. The Darkness In The Light
  5. Swing High, Swing Low
  6. Bully
  7. Rainbow Sky
  8. Looking For The Light
  9. The World We Used To Know
  10. The Sun Comes Up Today
  11. Love Made A Way (Prelude)
  12. Owl Howl
  13. Solitude
  14. Belong
  15. Lonesome Rebel
  16. Looking For The Light (Reprise)
  17. The Greatest Story Never Ends
  18. Love Made A Way

The Absolute Universe: The Breath Of Life

  1. Overture
  2. Reaching For The Sky
  3. Higher Than The Morning
  4. The Darkness In The Light
  5. Take Now My Soul
  6. Looking For The Light
  7. Love Made A Way (Prelude)
  8. Owl Howl
  9. Solitude
  10. Belong
  11. Can You Feel It
  12. Looking For The Light (Reprise)
  13. The Greatest Story Never Ends
  14. Love Made A Way

Line-up:

Roine Stolt – Gitarre, Gesang
Neal Morse – Tasten, Gesang
Pete Trewavas – Bassgitarre, Gesang
Mike Portnoy – Schlagzeug, Gesang