Ein Erlebnis: Das Shannon Barnett Quartett beim Jazzfest Bonn

Shannon Barnett Quartet FOTO: Lutz Voigtländer/JFB

Pech zu haben scheint für Shannon Barnett kein Unglück zu sein. Und sie ist weit davon entfernt, sich dumme Ratschläge wie „Wenn du eine Pechsträhne hast, färbe sie pink“ anzueignen, die allenfalls gut als Aufkleber für die Kühlschranktür sind. „Bad Luck“ ist eines der Stücke, wo sich die Posaunistin und Komponistin von einer verletzbaren Seite zeigt. Da entstehen melancholische, sehr lyrische, ja geradezu wunderschöne Momente der Innerlichkeit. Eines der wundervollen Momente ihres Auftritts mit ihrem Quartett auf dem Jazzfest Bonn. Nach ihrem Set am Freitagabend im LVR-Museum in Bonn, erlebte das Publikum noch das großartige Konzert des Vincent Peirani Trio „Jokers“.

Von Dylan Cem Akalin

Da gibt es immer wieder diese humorvollen, melodischen Zwischenspiele. Mitten in einem ernsten Stück voller intelligenter Wendungen, kommt plötzlich ein Cantus, der aus einem Zeichenstrickfilm rausgepurzelt zu sein scheint oder dröhnt als Shuffle-Marsch wie aus einer Spelunke in New Orleans. Spaß und Humor gehören für die in Köln lebende Australierin auf jeden Fall zu ihrer Musik. Und der ist sehr hintergründig.

„Bad Lover“ etwa ist eine zeitgenössische Antwort auf Cole Porters „I Love You“, der Song, den er mal für das Musical „Mexican Hayride“ geschrieben hatte und der bei den damaligen Protagonisten so schlecht ankam, dass in Abbott and Costello bei der Verfilmung des Musicals schlicht gestrichen haben. Doch des Songs haben sich immer wieder Musiker angenommen. Bing Crosby gelang ein Hit, John Coltrane eine völlig andere Fassung als Thelonious Monk. Barnett hat die Glasur des Originalwerks komplett abgetragen, Tenorsaxophonist Stefan Karl Schmid lässt zwar immer wieder Anklänge an John Coltranes Ansatz erkennen, schert aber immer wieder in viel freiere Muster aus und entwickelt auf seinem Instrument untypische Klangbilder, lässt durch veränderten Blasdruck seltsam befremdliche Kolorite entstehen, manchmal meint man gar, eine Flöte zu hören. Später bei „Hype“ hat er gar das Stimmungsbild einer Klarinette. Schmid ist ohne Frage einer der interessantesten Saxophonisten der jungen deutschen Jazzszene.

Shannon Barnett Quartet FOTO: Lutz Voigtländer/JFB

„Bad Lover“ oder „Hype“ lassen zwei Konzepte der Bandleaderin am deutlichsten erkennen. Die Musik klingt da wie eine Dekonstruktion der Big Band Sounds von Bands wie Mingus Big Band oder Lincoln Center Big Band. Das geschieht sowohl ausgefeilt als auch mit gewissem ironischem Unterton. Es ist wie eine spielerische Auseinandersetzung mit der Perfektion und der Ordnung, die in Big Bands herrscht. Hier wird diese glatte Ordnung ordentlich durcheinandergewirbelt, Regeln bekommen andere Bedeutungen, Strukturen werden neu zusammengesetzt.

Dennoch nutzt das Quartett den Sound und die Grundsätze des Jazz der 60er Jahre. In Barnetts Kompositionen und dem Zusammenspiel der Musiker herrscht eine coole, wilde, aufmüpfige Grundhaltung. Man meint zeitweise sowas wie den Soundtrack für einen Film Noire zu hören, und dann verwischt Barnett solch aufblitzenden Assoziationen mit ihrer erzählerischen Kunst bei der Improvisation. Die Posaune wird bei ihr zur menschlichen Stimme Mal säuselt und flirtet sie, brummt, haucht, meckert, blubbert, lacht und weint, aber sie kann damit auch richtig ausrasten. Was fällt dir schwerer?

Zur Zugabe gibt es eine kurze Version der wunderbaren Nummer „People Don’t Listen To Music Anymore“ vom Album „Hype“. Der Song beginnt einem von Saxophon und Posaune unisono gespielten schwermütigen Thema bis das Tempo immer mehr zunimmt, der Song eine ganz andere Richtung einnimmt und einer fröhlichen Kinderliedmelodie endet. Ein tolles Konzert!

Shannon Barnett Quartet FOTO: Lutz Voigtländer/JFB
Shannon Barnett Quartet FOTO: Lutz Voigtländer/JFB
Shannon Barnett Quartet FOTO: Lutz Voigtländer/JFB
Shannon Barnett Quartet FOTO: Lutz Voigtländer/JFB