Es sind Songs, geschrieben für graue Morgen, wenn die Nacht schlaflos war, die Aschenbecher kalt, der Wein schal auf dem Tisch steht. Man hat sich mehr angeschwiegen und getrunken, als sich die Wahrheit zu sagen. Mit „Dead Man’s Eyes“ eröffnet Andrea Schroeder das Konzert in der Harmonie Bonn. Und wer schon mit den Worten beginnt „My Mouth Is Dry/Of Unspoken Words“, der hat einiges zu erzählen.
Von Cem Akalin
Dunkelgrauer Rock, dunkelgraue Jacke im schicken Bikerstil, schwarze Strümpfe, schwarze Stiefeletten. Sie könnte glatt einem Lubitsch-Film entsprungen sein mit dieser scheuen Kühle, die sie ausstrahlt. Die poetische Welt der Schroeder ist ungeschminkt, die Wolken sind schmutzig, die Nächte sind so dunkel wie die Träume, die Kerzen heruntergebrannt, die Haut brennt vor Liebesschmerz, Spinnen umklammern ihr Herz. Mit ihrer tiefen Alt-Stimme singt sie von ihrem Seelenleben mit einer Coolness, die einem die Decke von den Schultern reißt. Dazu die minimalistische Instrumentierung, die Harmoniumähnliche Begleitung auf ihrer Shrutibox, einzig die Gitarren von Jesper Lehmkuhl lärmen und schreien und kratzen gegen die Schönheit der Stimme, die sich, so scheint’s aus nichts aus der Ruhe zu bringen scheint.
Nicht nur aus ihrem aktuellen Album „Void“, sondern auch aus dem meisterhaften Vorgänger „Where The Wild Oceans End“ bestand das repertoire des Abends, der übrigens vom Deutschlandradio Kultur aufgezeichnet wurde (Sendung am 27. Februar 2017, 20.03 Uhr „In Concert“). Das Titelstück dieses Vorgängers ist vielleicht das einzige Stück, in dem Farben auftauchen. Das Glück der Liebe, das die Protagonistin in dem Song voll auskostet, die Augen schließt und die weite See in sich spürt.
Pop Noir wird der Beschreibung der Musik nur unzureichend gerecht. Ja, da sind sicherlich viele Elemente aus der Schattenzone des Pop darin, aber auch Folk-, Rock- und Gothicmotive sind herauszuhören. „Loving You“ weist durchaus einen psychedelischen Körper aus. Nick Cave, Nico, Leonard Cohen, David Bowie, Patti Smith und Chrissie Hynde standen sicherlich Pate. La Schroeder hat sich aber jeglichen stimmlichen Ausbruch untersagt. Das erhöht die Spannung ungemein, und das umso mehr, wenn Lehmkuhl und der wunderbare Schlagzeuger Maurizio Vitale neben ihr Feuerwerke abfackeln. Mike Strauss (Piano) und Dave Allen (Bass) bleiben im Temperament ihrer Chefin treu. Effektvoll, wenn Vitale wuchtige Drums zum ruhigen Gesang wie bei „Kingdom“ hinterlegt. Und so ein Lied wie „Endless Sea“ klingt, als hätte John Lennon ein Stück für Nico geschrieben. Ganz großartig!
Gitarristischer Höhepunkt: „The Spider“. Überhaupt das Arrangement des Spannungsbogens, der sich in wildem Gitarrenspiel entlädt. Mit dem ohrwurmtauglichen Titelstück ihres neuen Albums „Void“ beschließt Schroeder das Konzert, ein widersprüchliches Stück über die Leere in uns, doch vorgebracht mit einer Klarheit, die fast schon Angst macht. Schaurig schön.
Unter den vier Zugaben, ihre deutsche Fassung von David Bowies „Heroes“ – ein echtes Geschenk zum Nikolausabend!