Robert Cray, gefeierter Blues-Gitarrist und Sänger, Gewinner von fünf Grammys, von hochgeschätzten Musikern gecovert und geschätzt, zeigt im Theater am Tanzbrunnen in Köln seine ganze Klasse.
Von Cem Akalin
Wie kann man sein Publikum nur mit solch einem Song in die Nacht entlassen? „Time Makes Two“ ist so eindringlich, dass man darin versinken möchte, die Ballade will einem nicht mehr aus dem Ohr. Das inständige Schlagzeug, von Les Falconer sehr empathisch mit den Klöppeln gespielt, die flehende Gitarre, der satte Bass, der beim Schlussakkord nochmal richtig aufdreht. Wirkungsvoller kann ein Abgang von der Bühne kaum sein. Robert Cray und seine Band haben am Sonntagabend im Theater am Tanzbrunnen in Köln beeindruckende 100 Minuten gespielt.
Robert Cray ist ein sehr eigener Typ. Das beweist schon der Opener „I Shiver“. Man fragt sich doch, wie einer mit solch einem Groove leiden kann? Da geht es – natürlich – um unerwiderte Liebe. Der Mann fiebert, hat Ausschlag am ganzen Körper, kann nicht schlafen und zittert, weil seine Liebe nichts von ihm will. Und wie verarbeitet das Cray? Mit einem entspannt funkigem Stück. Und wie glücklich muss der Mann nach der Scheidung sein, wenn er so entspannt „Bouncin‘ Back“ singt?
Egal ob nah am klassischen Blues („It Doesn’t Show“), am Soul, wie bei der wunderbaren Version von „Right Next Door (Because of Me)“ von seinem Erfolgsalbum „Strong Persuader“ (1986), oder dem Funk („The Forecast (Calls for Pain)“) – Cray hat diesen unermesslichen Schmelz in der Stimme. Er ist der Nat King Cole des Blues in der Tradition eines Lonnie Johnson.
Und wie Cray, dem keine andere Gitarre in die Finger kommt, als die Fender Strat, Perfektion und Gefühl vereint, lässt das Publikum nach einer guten halben Stunde regelrecht von den Plätzen reißen. Nach einem so intensiven Song wie „You’re Everything“, bei dem die Band auch mal die ganz leisen Töne anschlägt, gibt es durchdringenden Applaus.
„ Sitting on Top of the World” ist ja ein erfolgreiches Stück der Mississippi Sheiks und heute einer der Bluesklassiker schlechthin. Dylan hatte ihn ebenso im Repertoire wie Howlin‘ Wolf oder Greatful Dead. Aber was dieses Stück bei Cray so besonders macht, ist seine Gitarrentechnik. Der 63-Jährige ist ja für seinen stets klar gespielten Stil bekannt, aber wenn er es schnarren lässt und die Saiten verzerren, dann geht das bei ihm nicht über Effektgeräte, sondern sein einzigartiges Fingerpicking, über den Eric Clapton schon mal gesagt hat, Cray hätte die stärkste linke Gitarrenhand, die er kenne.
Cray hat tatsächlich einen einzigartigen Stil und Sound, der kaum zu kopieren ist. Carl Carlton, wohl einer der bekanntesten deutschen Rockgitarristen (Robert Palmer, Manfred Mann’s Earth Band, Udo Lindenberg, Joe Cocker u.v.m.), ist unter den Zuschauern. Er steht noch lange im Saal, nachdem Robert Cray längst von der Bühne ist, und lässt den Abend nachklingen. Er weiß natürlich, dass Cray auch mit Effekten arbeitet, um diesen rollenden, typischen Fendersound noch markanter herauszuarbeiten. Dennoch: „Robert Cray ist ein ganz einzigartiger Gitarrist“, sagt er beeindruckt.
Cray ist ein präziser Spieler, da kommen keine schmierigen Töne vor. Im Rhythmus swingt er geradezu, Akkorde werden auch schon mal hochgezogen, dass sie sich ziehen. Das Geheimnis seiner Soli ist wohl die ungewöhnliche Handhabung von Moll- und Dur-Pentatoniken. Das lässt ihn immer wieder aus den Bluesfloskeln herausspringen. Und das tut er mit einer solchen Leichtigkeit, als wär’s angeboren. Zudem phrasiert er die Gitarre wie eine menschliche Stimme. Wenn man ihm beim Spiel zuschaut, dann sieht man, wie er die Laute geradezu mit dem Mund mitformt. Dazu kommt diese Art, die Saiten auch mal gleichzeitig mit dem Plektrum und einem Finger anzureißen, das ergibt einen geradezu knalligen Staccato-Angriff.
Seine Songstrukturen sind komplexer als der Standard-Blues. Das gibt ihm für seine Soli genügend Freiräume, allerdings ist sein Spiel auch von viel Spielrhythmus geprägt. Der Nervenkitzel kommt durch die Verknüpfung von Stilen, wenn er von einem langsamen Blues wieder in eine neue Struktur wechselt und umgekehrt. Das gibt den Stücken eine Komplexität, die aber dennoch weit entfernt vom Fusion-Jazz ist. Denn dafür bleibt er zu sehr im Soul und Rhythm & Blues.
Nicht zu vergessen: die Band. Les Falconer sitzt zwar in Hemd, Krawatte und Hut am Schlagzeug, als sei er nur auf der Durchreise, ist aber hochkonzentriert, sehr effektvoll mit Klöppeln unterwegs, wenn es um Atmosphäre geht oder präzise und wirkungsvoll beim Funk. Dover Weinberg kann nicht nur mit klassischem Hammondspiel überzeugen, sondern auch mit perlenden Pianosoli.
Und dann ist da ja Richard Cousins am Bass, mit dem Cray schon vor 40 Jahren seine erste Band gegründet hatte. Die beiden prägt eine tiefe Freundschaft, die sich im warmem Zusammenspiel äußert. Cousins, so erzählte Cray selbst einmal in einem Interview, musste früher die Ansagen am Mikro übernehmen, weil Cray solch ein Lampenfieber auf der Bühne hatte, dass ihm die Zähne klapperten. Das ist heute freilich nicht mehr so. Aber wie die beiden bei „Time Makes Two“ aufeinander eingehen, wie Cousins seinen Basssound auf Cray abstimmt und am Schluss nochmal so richtig aufdreht, das hatte eine Klasse für sich. Nach 100 Minuten war leider schon Schluss.