(Fortsetzung von „Badfinger – The Story„)
Als The Iveys unterschrieben sie ihren ersten Vertrag bei Apple. Die erste Single „Maybe Tomorrow“ floppte zwar, aber die Beatles, die sich für die Band stark machten, glaubten an sie. Der neue Name wurde inspiriert durch John Lennons „Badfinger Boogie“, Paul McCartney schrieb für sie den Song für die erste Single unter neuem Namen.
Der 1969 erschienene, von Tony Visconti produzierte Titel „Come And Get it“ wurde tatsächlich ein Erfolg. 1970, als die Beatles auseinandergingen, galten sie als „the next Beatles“. George Harrison spielte sein erstes Solo-Album mit den Badfingers ein, John Lennon sein „Imagine“-Album, Tom war mit von der Partie, als Harrison sein Bangladesh-Album aufnahm. „No Matter What“ stürmte die Charts. Die Band war bereit für eine USA-Tour. Das sollte den Niedergang der Band nur noch beschleunigen. Bei dem immensen Erfolg der Truppe sollten sie sich einen einflussreichen Manager zulegen, wurde ihnen geraten. Es sollte der New Yorker Stan Polley werden. Polley, dem später Verflechtungen mit der Mafia nachgewiesen wurden, muss eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen sein. Für Badfinger-Schlagzeuger Mike Gibbons strahlte er Macht aus, Gitarrist Joey Molland beschreibt ihn als väterlichen Typ. Doch der Mann, der unter anderem Stars wie Lou Christie oder Blood, Sweat & Tears unter Vertrag hatte, hatte offenbar gewaltiges Betrügerpotenzial.
Und die Band war viel zu gutgläubig, hatte zu viele Ansprüche an sich als Musiker und zu wenig als Geschäftsleute. „Niemand sah ihre Zerbrechlichkeit, und Bill Collins konnte sie nicht mehr retten“, berichtet May Pang in einer Dokumentation. Unter dem Eindruck, er würde ihr Geld verwalten, zahlte Polley der Gruppe nach wie vor ein Taschengeld aus. „1971 lebten wir immer noch in diesem Haus, und ich arbeitete in dem Restaurant.“ Marianne Evans scheint das alles bis heute immer noch nicht zu verstehen.
Unterdessen schreiben Pete und Tom einen tollen Song nach dem anderen. „Day After Day“ oder „Without You“, von dem Paul McCartney sagt, es sei der „Killersong of all Times.“ 1994 macht ihn Mariah Carrey erneut zu einem Megahit. Und ihr Song “Baby Blue” schaffte es, vor zwei Jahren zum Download-Hit zu werden, weil er in der Schlussszene der Serie “Breaking Bad” erklang.
Die Situation verschlimmerte sich 1973, als Polley, kurz bevor die Band zu Warner wechselte, einen neuen Vertrag haben wollte. „Pete und Tom waren zwar skeptisch, doch am Ende war Tom der letzte, der nicht unterschrieb“, erzählt Marianne. Wir waren in einem Luxushotel untergebracht, wurden fürstlich ausgeführt. Doch Tom hatte irgendwie kein gutes Gefühl. Er sagte: ‚Wenn ich so viel Geld habe, warum stellst du mir nicht einen Porsche Targa vor die Tür? In Midnight Blue.‘ Tom hatte das nur so dahingesagt, aber am nächsten Morgen stand tatsächlich der Wagen vor der Tür. Und Tom unterschrieb.“
Zurück nach London ging es an Bord eines Ozeanriesen in einer Erste-Klasse-Kabine. „Wie die Leute guckten! Zwei Hippies, ich in FlipFlops in der Luxussuite!“ Marianne kommen vor Lachen immer noch fast die Tränen. In Southhampton behielt der Zoll den Porsche erst mal ein. Sie nahmen ihn komplett auseinander, weil man das ungewöhnliche Paar für Drogendealer hielt. Die Situation mit Polley, der offensichtlich auch noch Geld, das Warner für die Produktion neuer Platten zur Verfügung gestellt hatte, unterschlug und die Band immer mehr ins finanzielle Chaos trieb, eskalierte. Pete Ham versank in Depression. Mike Gibbons erzählte, dass Ham sich Zigaretten auf der Brust ausdrückte, um sich Narben zuzufügen, dass er die Hoffnung endgültig verlor. Seine hochschwangere Frau fand ihn eines Morgens erhängt in der Garage. In seinem Abschiedsbrief schrieb er: „Polley ist ein seelenloser Bastard.“
Petes Tod war ein ungeheurer Schlag für Tom Evans. Es folgten weitere Jahre, in denen Tom immer wieder versuchte, auf die Beine zu kommen und Badfinger zu retten. Die Drogen fraßen ihn in der Zeit in Los Angeles auf, ein Vertrag mit einem Promoter in Milwaukee schlug ein weiteres Loch in das langsam sinkende Schiff. In LA war Tom erst richtig mit Drogen in Kontakt gekommen. „Es gab überall Kokain. In Unmengen“, so Marianne. Im Studio, in der Büros der Plattenbossen, auf den Partys, wo sie Leute wie die Eagles, Linda Ronstadt und Joe Brown trafen. Einmal kam sie nach Hause, da saß Tom mit einem Musikerkollegen am Küchentisch, darauf ein Haufen Kokain. „Ich war so wütend. Ich habe einen Pott Wasser gegriffen und das Koks vom Tisch gespült. Ich habe Tom angeschrien, er soll nie wieder Drogen mit ins Haus bringen. Und dieser andere Kerl sagte nur zu mir: „Marianne, du bist ja eine so langweilige deutsche Hausfrau. Tom schrie mich an: Weißt du, wer das ist? Aber mir war es egal. Wir hatten ein kleines Kind zu Hause, und ich wollte keine Drogen im Haus haben.“
Wieder zurück in London folgten Klagen durch seine früheren Bandkollegen, die die Tantiemen für Songs wie „Without You“ einforderten, mit der Behauptung, es habe mal eine „mündliche Absprache“ gegeben. Der Promoter aus Milwaukee hatte Forderungen in Millionenhöhe. Tom fühlte sich verloren. Alkohol und Drogen zogen ihn immer weiter runter in einen emotionalen Strudel. „Wir haben die ganzen letzten Jahre von Sozialhilfe und dem, was ich verdiente, gelebt“, erzählt Marianne.
Eines Nachts wollte sie Tom nach der Arbeit im Restaurant aus einem Hotel abholen, wo er mit Jimmy Page (Led Zeppelin) feierte. „Jimmy war schon ziemlich angedröhnt. Er kam auf mich zu und lallte: ‚Do you want some herring?‘ Und ich dachte, ach so ein Mitternachtssnack wird dir gut tun und ich antwortete: Klar, gerne, weiß du, ich Deutschland isst man den auch mit Sahnesoße. Jimmy sah mich völlig entgeistert an, bis ich merkte, dass ich ihn einfach falsch verstanden hatte. Er meinte nicht Hering, er meinte Heroin.“
Am 17. November 1983 machte Tom das wahr, was er schon ankündigt hatte: „Eines Tages bin ich auch da, wo Pete ist. Das ist ein besserer Ort als der hier unten.“ Wieder war es an Marianne, die kleine Familie zusammenzuhalten. Sie hatte Angst, das Sozialamt würde ihr den Jungen wegnehmen. Also kündigte sie ihren Nachtjob im Restaurant und nahm jede Gelegenheitsarbeit an, die sich ihr bot. „Ich habe Häuser gestrichen, genäht, gebabysittet, Garten- und Tapezierarbeiten angenommen.
1989 kamen sie und Stephan nach Bonn. Eigentlich wollte sie einfach mal zur Ruhe kommen. Vielleicht ein Jahr in der alten Heimat verbringen. Jetzt lebt sie seit 16 Jahren am Rhein. Und sie kann mittlerweile von den Tantiemen ihres Mannes leben. „Ich kann mich noch gut erinnern, als der erste Scheck kam. Das war 1994, als Mariah Carey ,Without You‘ herausbrachte.“ Die Schulden sind beglichen. Doch die Trauer bleibt wie ein Schleier über ihrem Leben, das so unbeschwert begonnen hatte. Sie trug Rot, als sie am 18. Mai 1973 heirateten, er einen Smoking und eine schwarze Schirmmütze. Er trug sie die Kirchentreppen hinunter und machte ein Gesicht, als könnte er ihr die Welt zu Füßen legen. Marianne Evans schaut auf die Fotos, die vor ihr auf dem Tisch liegen. Der Song „Without You“ scheint wie eine Vorahnung für sie geschrieben zu sein: „You always smile but in your eyes your sorrow shows/ Yes it shows“.