Die Köln/Bonner Band Belitzki bringt ihr selbstfinanziertes Debüt „Jetzt!“ mit nachdenklichen, aufrichtenden Texten und packendem Indie-Rock heraus – unbestimmt zwischen Ton Steine Scherben und Annenmaykantereit. Ein Album mit einigen ganz netten Liedern.
Von Dylan Cem Akalin
Belitzki? Klingt nach „Kalinka“, nach Balalaikas, nach Mazurka. Ist es aber ganz und gar nicht. Die Musik tendiert zwischen Liedermaching und alternativem Rock mit kritischen Texten – und ist einfach nur der coole Nachname von Schlagzeugerin Riccarda, den sich das Kölner Quartett ausgesucht hat. Wenn man „Brenn“ hört, denkt man an Annenmaykantereit, vor allem bei den Ausbrüchen von Sänger/Gitarrist Tom Brandt. Und der Song hat sicher genauso viel Suchtpotenzial.
Leidenschaftliche Poesie
Die Texte tendieren zwischen leidenschaftlicher Poesie, wütenden Ausbrüchen und kritischem Zorn. In „§58“ geht es um den Abschiebungsparagraphen im Aufenthaltsgesetz. Das Stück hat aber nichts Wehleidiges an sich, es beginnt eher wie ein harmloser Song, völlig ohne Argwohn. Der Zuhörer wird noch ein wenig auf Rockmodus gehalten, vor allem, wenn die Leadgitarre einsetzt und ausbricht. Das steigert sich der Ton aber in zornige Wildheit.
„Von Katzen & dem ganzen Irrsinn“ beginnt mit einem unterhaltsamen Rhythmus a la The Cure – ein unbeschwerter Tanz mit der philosophischen Grundfrage: „frag mich bei den ganzen Zetteln/die an den Straßenecken hängen /ob all diese Katzen/die da gesucht werden/eigentlich auch irgendwer mal findet…“
Orientierung auf hoher See
Auf leisen Sohlen kommt die Bürokratiekritik „Dienstag morgens auf’m Amt“ daher mit einem schönen swingenden Balladenmittelteil, bei dem Brandts Gitarre segelnd zu neuen Ufern aufbricht und irgendwann plötzlich an Dire Straits erinnert. Ein richtig starker Song, der live sicher zu einem Dauerbrenner werden könnte.
So wie natürlich auch der Titeltrack „Jetzt“, der schon mit instrumentalem Feuer startet. Das Stück hat viele Facetten. „Jetzt“ plätschert nicht dahin, auch wenn die Rhythmusgitarre uns zeitweise wie ein Fixpunkt auf hoher See Orientierung gibt, gegen Ende dann aber in psychedelische Strudel verfällt. Der Song könnte passagenweise sogar von den Toten Hosen sein. Vielleicht sind es die Eingangszeile, warum Bassistin/Sängerin Freda Ressel sagt, dass kaum ein Stück besser das drücke, wofür die Band stehe: „Über den Strom /am Abgrund entlang/ziehen wir weiter /und wir wollen fliegen…“
„und wir bauen was Neues auf“
Dieser Song habe die Band in einem alten, schrottigen Mülheimer Proberaum vor zwei Jahren zusammengebracht, sagt Ressel. Sie verbinde nicht nur die Musik, sagt die Musikerin, sondern auch der „Drang, gemeinsam etwas in dieser Gesellschaft zum Besseren zu verändern“:
„…und wir stehen
zusammen auf
und nehmen alle mit
weil wir wieder aneinander
glauben wollen
und deshalb alle mit
und alle Ängste los
und wir bauen was Neues auf
weil es etwas Neues braucht
Jetzt.“
Gerade zwei Jahre ist die Band zusammen und hat schon ein Album produziert. Freda, Paul Klemm, der für die breiten Gitarrensounds und auf keinen Fall für Soli zuständig ist, wie Freda betont, Riccarda und Tom waren nicht untätig. Viele Liveauftritte haben sie absolviert – besonders viele Solidaritätskonzerte auf Menschenrechtsfesten, Guerilla-Festivals, Straßenfesten und auch während der Räumung des Hambacher Wald-Besetzung im vergangenen Herbst. Im Bonner „bla“ spielten sie ebenso wie im „Rosis“ in Berlin.
Die Mühe hat sich gelohnt. „Jetzt!“ ist ein ziemlich starkes Debüt der Köln/Bonner Band.