„Wenn hier gleich nichts mehr geht – ich hab grad das Bier über der Steckdose umgekippt“, warnt Francesco Wilking seine Bandkollegen vor, als er den Platz am Keyboard einnimmt. Dankenswerterweise bleibt aber alles heil. Die Band Die Höchste Eisenbahn darf heute alleine in der Harmonie spielen, während sie ansonsten mitten in der Tour als Support der Senkrechtstarter Annenmaykantereit stecken.
Von Freda Ressel
„Das fühlt sich ein bisschen wie Nach-Hause-kommen an, obwohl wir ja gar nicht aus Bonn sind“, sagt Moritz Krämer, vielleicht war es auch Wilking, man kann es sich heute Abend nicht genau merken. Die beiden Sänger, die äußerlich und stimmlich nicht unterschiedlicher sein könnten und sich gerade deshalb perfekt ergänzen, werfen sich zwischen den Songs die Bälle zu und sind so aufeinander eingespielt wie Brüder.
Zwischen absurden Hintergrundgeschichten zu den Songs und Seitenhieben auf das Tourleben mit den Kölner Wunderkindern necken sich die beiden permanent, nur unterbrochen von Multiinstrumentalist Felix Weigt, der, obwohl das „unbekannteste“ Mitglied dieser Deutsch-Indie-„Supergroup“, seinen extrem hohen Unterhaltungsfaktor spielen lässt, um beide auflaufen zu lassen oder ihren Redeschwall mit charmant-ungelenken Songansagen abzuwürgen.
Man bekommt ein bisschen dass Gefühl, als seien die Musiker auf Klassenfahrt, was extrem sympathisch rüberkommt. Schlagzeuger Max Schröder, vielen noch als Olli Schulz’ Sidekick Der Hund Marie und als späteres Mitglied von Tomte bekannt, gibt das stille Wasser, ist dabei aber für die Tightness der Band unabdingbar.
Überhaupt, die Musik: Die Brüderlichkeit dieser Truppe schlägt sich auch im Zusammenspiel nieder – die Band ist perfekt aufeinander eingespielt. Wilking, ursprünglich als Tele-Frontmann bekannt und Krämer, der auch als Solokünstler schon erfolgreich war, sind auch an den Mikrofonen untrennbar, singen oft unisono, manchmal abwechselnd. Krämers kratzige Vernuscheltheit und Wilkings leicht quäkige Lausbubenstimme klingen dabei live wie auf Platte wie füreinander geschaffen – die beiden haben sich offensichtlich gesucht und gefunden.
Vor dem Schlagzeug ist die Band immer in Bewegung, jeder der Sänger sitzt mal am Keyboard, während der andere Gitarre oder Bass spielt, auch Weigt wechselt ständig zwischen Tasten und Saiten. Schröder spielt mit der von ihm bekannten Lässigkeit, singt zum Teil dabei noch Backingvocals in den Songs, die oft von Zweifel geprägten Beziehungen handeln, dabei aber im Regelfall tanzbar und sehr melodieverliebt sind. Für Gänsehaut sorgt die bittersüße Ballade „Raus aufs Land“ vom Debütalbum „Schau in den Lauf Hase“, das begeistert vom Publikum mitgesungen wird.
Aber auch die anderen Hits wie „Was machst du dann“, „Gierig“ und „Aliens“ sorgen für Entzückung und regelmäßige wohlwollende Zurufe. Erfreulich ist, dass die Band sich nicht stur an die Albumversionen hält, sondern es den Songs erlaubt hat, sich live weiterzuentwickeln, und so gibt es zum Beispiel italienische Zusatzstrophen, Gitarrensoli und Melodieänderungen. Das Konzert endet schließlich nach zwei Stunden und vier Zugabensongs, mit denen die Band beinahe das komplette Material ihrer beiden Alben gespielt hat – und beweist, dass die Band eigentlich viel zu schade ist, um als Supportact verpulvert zu werden.