Ausgerechnet bei der Zugabe stürzt Smudo bei einem Sprung so unglücklich, dass das Konzert der Fantastischen Vier sofort abgebrochen werden muss. Er wird in ein nahegelegenes Krankenhaus gebracht. Wie die Band am nächsten Morgen erklärt, hat er sich beim Sturz eine Sehne am Knie gerissen. „Daher müssen wir das heutige Konzert in Osnabrück leider verschieben. Wir versuchen, einen Ersatztermin in 2023 zu finden, Tickets behalten ihre Gültigkeit. Wir melden uns bei Euch, sobald wir dazu mehr wissen. Gute Besserung Smudo!“, heißt es im Statement. Und davor? 14.000 Fans, und wohl nochmal so viele rund um den Hofgarten in Bonn, erleben eine fantastische Show und feiern Party. Vom ersten Takt an.
Von Dylan Akalin
Ein riesiges rot, gelb, orange angeleuchtetes Transparent entrollt sich um 20.56 Uhr auf der riesigen Bühne vor dem schönen Unihauptgebäude. Darauf sind die Konterfeis von Michael „Michi“ Beck, Thomas „Thomas D“ Dürr, Andreas „And.Ypsilon“ Rieke und Michael „Smudo“ Schmidt zu sehen. Monumental wie die Porträts der amerikanischen Präsidenten am Mount Rushmore. Dazu werden die Fanta4 aus dem Off angekündigt, eine Stimme wie aus einem Kitschfilm der 50er Jahre. Mehr Ironie geht nicht. Als der Vorhang fällt und die vier mit großem Orchester „MfG“ anstimmen, geht die Party los. Auch auf der Tribüne sitzt niemand mehr. Die zwei Frauen vor mir schmettern jeden Song mit, tanzen – und scheinen einfach nur glücklich zu sein.
Vielleicht ist es das. Das Geheimrezept der Fanta4. Die Unbekümmertheit, die übermütige Lust an der Freude, die eingängigen Melodien zur geschickt arrangierten Instrumentierung, die sich bisweilen vom Jazz, Acid-Jazz, Soul und Techno bedient, die witzigen, ja aberwitzigen Texte, das Gewusel auf der Bühne. Da treten schlagartig Schlagzeilen wie „Angst um Atomkatastrophe“, „Jetzt drohen Firmenpleiten“, „Deutschland droht der nächste Preisschock“, „Wie Putins Agenten Deutschland unterwandern“ oder „Stimmungstief über Deutschland“ wenigstens für den Augenblick in den Hintergrund. Auch wenn sie später singen werden: „Siehste, siehste, das haste davon/Krise, Krise haste bekomm’n/Düster, düster ist alles geworden…“ Fanta4 bieten jedenfalls eine „Show mit allen Extras“, wie es so schön in „Aller Anfang ist schwer“ heißt.
Ein fantastischer Sound, der Vocals, Bässe, Bläser, Effekte und Drums glasklar transportiert, macht den Genuss umso vergnüglicher. Alte Videoclips aus der 33-jährigen Geschichte des Stuttgarter Quartetts wecken bei den Fans der ersten Stunden leicht melancholische Erinnerungen. Aber Smudo, Thomas D und Michi vertreiben sie mit der Ankündigung „Jetzt geht’s ab“. Alle singen mit, als „Was geht“ startet, in das sie Beyoncés „Crazy in Love“ einbauen. Zum schmetternden Thema der Bläser hüpft Michi, der ein Flash-T-Shirt trägt und das Käppi schräg aufgesetzt hat, wie eine Comic-Figur über die Bühne, die orange und grün leuchtet. Das E-Piano wirft jazzige Läufe ein. Die Arme der Fans wippen im Takt. Von der Tribüne aus ergeben sie ein mysteriöses Meer aus sich im Takt wiegende Schlangen.
Als sie die Zeilen „Ich wollt‘ noch ‚Danke‘ sagen, doch/Ich lieg‘ im Krankenwagen“ singen, ahnt noch keiner, dass das Konzert genau so enden wird. Für Smudo. „Troy“, „Populär“, „Sie ist weg“, „Der Picknicker“ – die Fans werden wohl kaum einen ihrer Lieblingssongs vermisst haben an diesem Freitagabend in Bonn. Das Publikum ist breit gemischt. Da ist der kleine Fan, der auf der Schulter vom Papa sitzt, die Mittzwanzigerin, die mit der Mutter abfeiert. Die Luft ist lau, das braucht kein Mensch einen dicken Pulli, auch wenn sie zum gleichnamigen Song abfeiern – und die eine oder der andere trägt das T-Shirt, das gerade am Merchandise-Stand erworben wurde.
Seit 33 Jahren machen die Stuttgarter schon zusammen Musik. Da merkt man die Vertrautheit unter den Rappern. Der Rhythmus stimmt, jeder Reim sitzt. Man neckt sich und treibt sich gegenseitig an auf der Bühne. Aber die Show verfällt dennoch nicht in Routine. Während Thomas D., Smudo und Michi voller Energie vorne tanzen, singen und das Publikum anheizen, bleibt Soundtüfftler And.Ypsilon gewohnt im Hintergrund. Bevor die Truppe „Einfach sein“ anstimmt, erinnert sie noch an den Auftritt in der Biskuithalle 1996. Wer war dabei? Bei der Rheinkultur waren sie auch. 2007. Aber bleiben wir doch im „Heute“: „Zeit vergeht, nee weit gefehlt denn/Irgendwann ist immer Heute/Früher war es schön, später mal sehen/Doch irgendwie ist immer Heute“. Ein Spitzenabend!
Weitere Konzerte auf der Hofgartenwiese, Bonn
27.08.2022 Deichkind
28.08.2022 Kraftwerk 3D
30.08.2022 Robbie Williams – Ausverkauft!