Es ist heiß im Gloria. Und das hängt nicht nur mit der Enge im ausverkauften Club in Köln zusammen. Kamasi Washington ist da. Und dieser Berg von einem Mann, der da mit seiner Strickmütze auf dem Kopf und seinem Tenorsaxofon auf der Bühne steht und schaut, als wäre er der Gefolgsmann eines Heiligen, entfesselt mit seiner Band und seiner Musik einen Wirbelsturm an musikalischen Emotionen. Jazz ist für ihn nicht einfach ein musikalisches Genre, er ist die Deklaration von Freiheit, politischer Protest, eine Säule für einzigartige Kunst. Während in Bonn das Jazzfest läuft, setzt Washington am Dienstagabend mit seiner Band hier in Köln die Fackel des Jazz in Brand.
Von Mike H. Claan
„Street Fighter Mas“ vereint ja schon Elemente des Funk, des Bebop, der Filmmusik und den Sound des Straßenkampfes zu einer hymnischen Erklärung, und Kamasi Washingtons Saxofon ist der Redner auf dem Platz. Der Mann aus LA spielt an diesem Abend nicht nur Stücke aus seinen zwei monumentalen Alben: Während sein Debütalbum „The Epic“ die Jazzgemeinde mit seiner Grandiosität und intelligenten Musikalität verzauberte, ist das 2018 erschienene „Heaven & Earth“ eine viel heftigere Angelegenheit. Während der dreistündigen Laufzeit nutzt Washington die schwerelose, unstrukturierte Form des Genres, um ein Umfeld zu schaffen, in dem sich die turbulente und unvorhersehbare Natur unserer Zeit erkunden lässt. (Interview mit Kamasi Washington)
Vertraut und überraschend
Live verknüpft er die Vertrautheit mit dem Überraschungsmoment und nutzt das improvisatorische Know-how der „besten Jazzmusiker der Welt“ (wie er sagt), um sein Werk auf organische Weise zu komplettieren. In den sumpfigen Grooves von „Street Fighter Mas“ wird Kontrabassist Miles Mosley ins Rampenlicht des Improvisierens gerückt – er beginnt damit, den Hals seines Instruments zu spinnen, bevor er seinen Bogen spannt, um einen knochenrasselnden Knall loszulassen.
„The Rhythm Changes“ und „Truth“ bilden ein faszinierendes Herzstück der Show, in das er noch ein Cover vom Posaunisten Ryan Porter einbaut, geladen mit den einprägsamsten Melodien des Sets. Die Anwesenheit von Patrice Quinns dramatischer Stimme ermöglicht es der Band, epische Höhen zu erklimmen, und Washington wird nicht müde, seine Botschaft zu verbreiten: „Zusammen sind wir wunderschön. Trotz all unserer Unterschiede können wir alle Eins sein. Ich muss nicht so sehen wie du, die gleichen Klamotten haben oder die gleiche Sprache sprechen wie du, um dich zu lieben. Wir müssen nicht dasselbe glauben, um uns zu lieben. Vielfalt sollte nicht toleriert, sondern gefeiert werden.“
Kamasi, komm wieder!
Man merkt es den Musikern an, dass sie sich teilweise seit ihren Kindertagen kennen. Dieses blinde Vertrauen, diese Musik, die wie aus einem Guss klingt und sowas wie die Gefühle und Gedanken der Band fokussiert. „Fists of Fury“ schließt die Show mit seinen mitreißenden Bläsern, die über rollende Schlagzeugbeats fliegen. „We no longer ask for justice! Our time as victims is over!”, singt Patrice Quinn mit erhobener Faust: krachend, durchdringend und laut. Kamasi, komm wieder!