Devin Townsend, Klone und Fixation im Carlswerk Victoria Köln

Devin Townsend in Köln FOTO: Peter "Beppo" Szymanski

Devin Townsend ist nicht nur wegen seiner exzentrischen Kunst eine hervorstechende Figur in der Musikszene. Wer das Publikum in der Halle auf dem Carlswerksgelände in Köln beobachtet, das aus erstaunlich vielen jungen Leuten besteht, aber auch aus Familien und natürlich den Fans der ersten Stunde fragt sich unweigerlich, was diesen Künstler so besonders macht. Die Antwort liefert der Mann selbst, der pünktlich um 21.25 Uhr mit seiner berühmten Framus und den rot leuchtenden Lämpchen auf dem Gitarrenhals die Bühne betritt.

Von Lina Macke

Der gut anderthalbstündige Auftritt ist wieder eine unberechenbare Traumreise durch das kreative Kaleidoskop eines Musikers, der eine sehr eigene Vision von Freiheit und der Fluidität seiner Ausdrucksmöglichkeiten hat. Genregrenzen rückt er noch weiter weg, als er es je tat. In Interviews erklärte er zuletzt, er habe keine Lust mehr, sich der “konservativen Metalszene“ anzubiedern. Und so erleben wir wieder ein Konzert zwischen italienischer Oper, Heavy Metal, Psychedelic Rock der 70er Jahre und modernen bis experimentellen Anklängen von alternativem Pop, Elektronic und Bombast-Rock.

„Lightworker“

Der Opener „Lightworker“ vom aktuellen Album hat alles, was den Townsend-Kosmos ausmacht: Dramatik, etwas Operette, ein wenig Akustik-Gitarrenbegleitung, musikalischen Überschwang – und das alles über einem witzigen Umtata-Rhythmus einer traditionellen Blasmusik. Übrigens: Die Stücke aus dem neuen  Album, neben „Lightworker“ noch „Dimensions“, „Heartbreaker“und „Call of the Void“ klingen live viel besser, ausgereifter und durch eine gewisse Rauheit glaubwürdiger.

Devin Townsend in Köln Peter „Beppo“ Szymanski

Die ganze Show steht unter einem Motto: Devin Townsend will Positives verbreiten. Aus und vorbei scheinen (erstmal) die Zeiten, als er gerne Albträume mit süßer Glasur übergoss. Das Setlist hat was von Durchhaltesongs. Die zentrale Message singt er in „Heartbreaker“: „Love is the only way.“ Und als er in „Kingdom“ zwischen Kinderchor, Drumgewittern und Speedmetal-Passagen wie um sein Leben singt, da fühlt man sich fast wie in einer für Alice im Wunderland erschaffenen Kathedrale. Dennoch bleibt Platz für Witz und Rocktheater, eine rote Octopus-Figur benennt das Publikum spontan in Heinrich – für Townsend „Heinrick“.

„Deadhead“

Den Publikumsliebling „Deadhead“ mit dem eingängigen schönen Gitarrenthema kündigt er als Liebeslied an, den Anti-Suizid-Song „Spirits Will Collide“ als Erinnerung an all die verstorbenen Freunde. Dafür geht es in „Dimensions“ fast ein wenig zappaesk zu mit seinem neuen Spielzeug, eine Art Theremin, mit dem er jede Menge verrückter Effekte erzielen konnte, und vor allem einem wunderbar schrägen Gitarrensolo von Tausendsassa Mike Keneally. Bei „Why?“ zieht er alle Stimmenregister. Was für ein Wahnsinn, wenn er in den Countertenor wechselt, während um ihn herum die Band tobt und da auch mal eine Art Leierkasten einbaut.

Überhaupt kann sich Townsend auf eine kleine, aber fabelhafte Band verlassen, die es schafft, seine vielschichtigen Klangvorstellungen umzusetzen. Neben Keneally, der auch mal ans E-Piano wechselt, schaffen Darby Todd am Schlagzeug (der in Martin Barres Band spielt) und James Leach am Bass von der Band Sikth fantastische Sound- und Rhythmuswelten. Bei „Deep Peace“ liefern sich Townsend und Keneally ein fulminantes Solo-Duell, Keneally am Piano, Townsends Gitarre klingt zwischendrin auch mal wie eine Sitar, und am Ende – Spaß muss sein – klingt das Stück noch mit Deep Purples „Smoke On The Water“ aus.

Fixation

Zuvor überraschte die norwegische Melodic Metalcore-Band Fixation und ihrem Frontmann Jonas Hansen mit einem guten halbstündigen Set, das bisweilen an den Stadionrock von Linkin Park erinnerte: eingängige Riffs, dynamische elektronische Sounds zu melodischen Nummern, unterstützt von schweren Bass- und Schlagzeugrhythmen.

Klone

„Elusive“ mit den eher gleichförmigen Rifffolgen und dem kaum variablen Gesang von Yann Ligner ist vielleicht nicht der ideale Opener, den sich die französische Progressive-Death-Metal-Band Klone ausgesucht hat. Da erweckt so eine heftige Neuinterpretation von Björgs „Army of Me“ mit seinen flirrenden Gitarren und der Industrial-Wucht schon mehr Aufmerksamkeit. „Bystander“ füllt den Raum mit vielschichtiger Gitarrenarbeit, aber der Gesang bleibt hinter den Erwartungen zurück. Man ist aus den Alben jedenfalls mehr Feinheit gewohnt. Gut möglich, dass Yann Ligners Stimme angeschlagen ist, denn er verbleibt fast durchgängig im komfortablen Bruststimmenbereich. Die Band punktet als Kollektiv vor allem dort, wo sie aus den isomorphen, meist etwas schleppenden Rifffolgen ausbricht, wo sie Tempo- und Harmoniewechsel einsetzt. Bei „Immersion“ fallen die knalligen Drums auf, die leisen Passagen kann man leider ob des recht lauten Geräuschpegels aus dem Publikum nicht in Gänze genießen. Der mit Breaks garnierte Schluss war indes Spitzenklasse.

Klone in Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

„Yonder“ startet mit einer an eine Westerngitarre erinnernden Einleitung vor einem fernen Donnergrollen. Hier stimmt dann alles: die Soundeffekte, der dramatische Einstieg der Band, die stampfenden Riffs, der Gesang. Als die Band sich dann aber gegen Ende des langen Stücks eine gefühlte Ewigkeit über den immergleichen Akkordfolgen abkämpft, hätte man sich schon gerne noch das eine oder andere Gitarrensolo gewünscht. Doch darauf verzichtet die Truppe bekanntlich. Das Konzept sollte sie sich aber dringend mal überdenken.