Der Röttgener Christian Padberg wird mit seiner Loop-Station zu Dad’s Phonkey. Am Samstag zu Gast bei JazzTube.
Wer dem großen, ruhigen Mann, der es sich da so gemütlich auf der Terrasse in seinem Haus in Röttgen hat, gegenübersitzt, ahnt nicht, was für musikalischer Zündstoff in ihm steckt. Wenn Christian Padberg, 56, in seinen Keller geht oder aber die vielen kleinen Bühnen betritt, auf denen er in Aktion tritt, der erlebt eine erstaunliche Wandlung. Padberg braucht nur ein Mikrophon, einen Lautsprecherverstärker und sein Boss RC-30, und schon ist ein komplettes Orchester startklar. Das RC-30 ist eigentlich ein Gitarreneffektgerät, ein sogenannter Multitrack Looper, der jeden Sound in die Dauerschleife nimmt, den man eingibt. Dad’s Phonkey nennt sich Padberg dann, und der Name ist Programm.
Denn Funk und Soul, Jazz und R’n’B haben es dem Vokalkünstler besonders angetan. Alles, was da aus den Lautsprechern tönt, produziert Padberg mit seiner Stimme. Bass, Gitarre, Bläsersätze, Trompetensolo, Schlagzeugt oder Backgroundchor, alles was ihm gerade einfällt, kommt auf die Schleife. Dann improvisiert oder singt er weitere Melodien darüber.
„Das meiste ist tatsächlich Improvisation“, erzählt Padberg und demonstriert es gleich mit einem Basslauf, den er ins Mikro brummt. Wer ihn schon live erlebt hat, weiß, dass sein Repertoire sagenhaft ist: Jazz, Weltmusik, Opera Buffa und Old-School-Funk. Das Verwirrende: Selbst die mutmaßliche Verdi-Oper auf Italienisch ist komplett erfunden. „Ich habe solch eine breite musikalische Sozialisierung erlebt, dass das, was ich tue für mich ganz selbstverständlich stilübergreifend ist“, erklärt er.
Padberg ist kein Unbekannter in der Bonner Musikszene. Mit 16 Jahren begann er Schlagzeug zu spielen, unter anderem bei der Fusionband Panta rhei, bei der der heute bekannte Wissenschaftsjournalist und Buchautor Christoph Drösser spielte, oder der Pay Money Groove Band.
„Das ist ja nur eine Sache des In-sich-Aufnehmens“, meint Padberg, der auch im Kirchenchor der evangelischen Thomasgemeinde singt. „Die Basis ist meistens sehr einfach.“ Er singt ein paar kurze Linien ins Mikro, drückt zwei Tasten und schon füllt sich der Raum mit Bassläufen. Er schnalzt ein paar Rhythmen drüber, trällert eine funkige Rhythmusgitarre, singt ein paar unverständliche Gesangszeilen. „Das ist der Background Gesang“, er wiegt den Körper, tänzelt vor dem Mikro und singt, nein, er schmachtet einen Bluesbetonten Song. Was ist das für ein Song? Padberg zuckt die Achseln. „Habe ich mir grade ausgedacht.“ Er lacht.
„Ich singe den ganzen Tag vor mich hin, und ich gehe jeden Tag mindestens eine Stunde in den Keller und singe, was mir grad durch die Birne fliegt“, sagt er. Meistens verschwindet der Vater von zwei erwachsenen Kindern und einem Teenager länger im Musikkeller. „Wenn ich morgens vor der Arbeit erstmal den Kopf frei singe, geht es mir gleich besser.“
Muss man da nicht sehr konzentriert sein, wenn man alle Instrumente singt und dann häufig noch die Zweit- und Drittstimme unter den Gesang legt? „Überhaupt nicht. Und wenn ich frei bin in dem, was ich singe, sowieso nicht. Das fließt einfach aus mir heraus“, erzählt Padberg. „In der Regel weiß ich noch nicht einmal, womit ich angefangen habe. Auf alle Fälle ist das für mich ein aufregender Trip ins Land der musikalischen Freiheit.“ Und die Zuschauer auch.
Oft wissen die Zuschauer gar nicht, was da auf sie zukommt. Wie kürzlich beim Poetry Slam in der Halle Beuel. Da betritt einer mit einem Militärhelm auf dem Kopf die Bühne. Ganz alleine und ohne Instrumente. Er wolle jetzt mal etwas singen, sagt er, und alle glauben an eine kabarettistische oder wenigstens komödiantische Einlage. Und irgendwie klingt es extrem gefährlich. Nach einem Abenteuer mit unbekannten Ausgang. Aber Christian Padberg verblüfft seine Zuhörer vom ersten Ton an. Mit seiner „Loop-Station“ vervielfältigt er seine Stimme, baut Klänge, Rhythmen und Melodien vor den Augen und Ohren der Zuschauer aufeinander auf, so dass man nach wenigen Minuten den Eindruck hat, einen ganzen Chor, eine Band oder ein Orchester vor sich zu haben.
Auf etwas, das wie ein klassischer Choral klingt, folgt eine swingende Jazzcombo, ein italienisches Belcanto-Terzett, ein irisches Sauflied, eine schmachtende Countryschnulze oder ein souliger Groove-Kracher. Das Publikum hält den Atem an, wenn immer mehr Schichten übereinandergelegt werden, wenn Padberg tatsächlich einen Ritt auf der Rasierklinge wagt. Denn, was er da voller Experimentierfreude präsentiert, ist Musik oder Netz und doppeltem Boden. Und Padberg, der sich auch mal gerne ins Schauspielerfach begibt, ist ein glänzender Entertainer, ein humorvoller, intelligenter Vokalakrobat, der über alle Genre-Grenzen hinweg die Musikstile mischt, wie es ihm gefällt und dazu auch noch ein Sprachwunder zu sein scheint: Er brabbelt englisch, russisch, spanisch oder arabisch, zumindest ein daran erinnerndes Kauderwelsch und lässt sich am allerliebsten von sich selbst überraschen.
„Alles, was die Leute in einem Dad’s-Phonkey-Konzert hören, ist komplett improvisiert, vollkommen sinnfrei und im selben Moment frei erfunden. Es gibt keine bekannten Songs, keine Texte, keine Stücke, nichts, was man schon mal gehört hat oder jemals wieder hören wird – nur ansteckende Freude am Ausprobieren, am Entstehenlassen von Musik“, sagt Padberg.
Dad’s Phonkey tritt beim JazzTube Bonn 2016 auf: am Samstag, 10. September, in der U-Bahn Haltestelle Universität/Markt, Stockenstraße: 1. Set 12:15 Uhr , 2.Set 13:00 Uhr , 3.Set 13:45 Uhr