Wer ist der Chef im Ring? Wer vermutet hat, dass da drei Alphatiere am Mittwochabend im Bonner Brückenforum aufeinander losgehen, lag völlig falsch. Ja, Joe Satriani liebt die Rockerposen, Steve Vai gibt den technikverliebten Zauberer, und Guthrie Govan ist eher der Typ Understatement, ein umgekehrter Tur Tur sozusagen, einer der immer größer wirkt, je näher man ihm kommt.
Der Reihe nach: Was ist mit diesem Trio passiert? Als The Aristocrats vor einem guten halben Jahr in der Kölner Kantine spielten, hatten sie noch mit allerlei akrobatischer Frickelei ermüdet. Und am Mittwochabend? Es war, als wäre ihnen eine Harmoniedecke übergeworfen worden.
Kultstatus hat The Aristocrats unter Fans des verspielten Rock schon längst. Und was Guthrie Govan (Gitarre), Bryan Beller (Bass) und Marco Minnemann (Drums) da alles in ihrer Musik verarbeiten, das bringt „Culture Clash“ quasi als Statement auf den Punkt. Es spiegelt die vielen Einflüsse der Mitvierziger wider. Da blitzen Anklänge des manchmal völlig absurden Rock eines Frank Zappas auf (inklusive des Einsatzes eines Gummischweinchens), der 70er-Jahre-Fusion-Jazz von Return to Forever wird ebenso zitiert wie der Progressive Rock von King Crimson oder der Rap-Metal von Rage Against the Machine. Und selbstredend verneigen sich die drei Musiker vor dem Instrumental-Rock der Saitenvirtuosen Steve Vai und Joe Satriani.
Steve Vai, 56, kommt mit blau leuchtender Gitarre und Scheinwerfer auf seiner Kapute auf die Bühne. Wie ein Wesen aus einem Star Wars-Film. Und dann krachen auch schon die festten Gitarrenriffs. Vai war nicht nur einst Schüler von Joe Satriani, 59, er war gerade 18 Jahre alt, als er von Frank Zappa als „Stuntgitarrist“ und gescheiter Musiktheoretiker entdeckt wurde. Während andere in seinem Alter die Lautsprecher aufdrehten, transkribierte Vai die irrwitzige Musik von Zappa und hielt sie auf hunderten von Notenblättern fest.
„Bad Horsie“ von seinem Album „Alien Love Secrets“ (1995) greift gleichzeitig Stilmittel von Zappa auf, etwa das Einspielen merkwürdiger Dialoge. Vai ist immer noch ein Spielkind, wie er mit den Stilmittel des Rock jongliert. Da werden auch mal Tierlaute mit der Gitarre imitiert, filigrane Läufe über satte Riffs gelegt. „Erotic Nightmares“ ist natürlich so ein Stück, auf dem Vai seine ganze Klasse beweisen kann. Wenn Vai spielt, dann singt und tänzelt und schwingt die Gitarre wie ein gut geöltes Motorrad auf einer kurvenreichen Highway, immer wieder durchbrochen von Soundcollagen.
Paganini nannte man den Teufelsgeiger, Vai ist der Hexer! Die 1300 Fans sind jedenfalls hin und weg. Und es ist die Mischung aus sehr harten Rockeinlagen, traumhaften Sounds, wunderschönen Melodien und ungeheurer Virtuosität („Ballerina“), die immer wieder staunen lässt. Und dann kommt als letztes Stück auch noch „For the Love of God“, von Lesern des Guitar World einmal zu einem der besten Gitarrensolos aller Zeiten gewählt. Das lässt härtestes Metall schmelzen. Mehr kann man nicht verlangen.
Joe Satriani startet sein Set tatsächlich mit dem Titelstück seines aktuellen Albums „Shockwave Supernova“, entführte die Fans aber sogleich nicht nur visuell durch ein Wurmloch in seine Vergangenheit: Der Mann sieht tatsächlich aus wie immer. „Flying in a Blue Dream“, „Ice 9“ und das Titelstück aus dem nach wie vor erfolgreichsten Rock-Instrumental-Album „Surfing with the Alien“ aus dem Jahr 1987. Eric Clapton is God, hieß es mal. Satriani will lieber ein Alien vom anderen Stern sein, wie er da mit seiner ameisenaugenhaften Sonnenbrille auf der Bühne steht.
Leider fehlt, wie zuletzt in Bochum, die große Leinwand. Die hat wohl nicht ins Brückenforum gepasst. Unterstützt von Minnemann, Beller und dem faszinierenden Multiinstrumentalisten Mike Kineally braucht Satriani aber auch keine Bilder im Hintergrund, die schafft die Truppe schon locker selbst – in den Köpfen der Zuschauer.
Nach drei Stunden stehen sie dann alle vereint auf der Bühne. Klar ist es faszinierend zu sehen, wie traumwandlerisch die drei durch die Harmonien flitzen, wie sie zwischen Blues-Pentatoniken, lydischen und mixolydischen Modi wechseln. Flockenzarte Klänge, artificial Harmonics, einstreut wie Puderzucker auf den Nachschlag.
Und dann gibt es „Message In A Bottle“ von Police, eine ziemlich harte Version mit Keneally als Sänger. Unfassbar dynamisch, geradezu von geradezu entrückter Eleganz. Jimi Hendrix‘ „Little Wing“ gehört bei den G3-Touren eigentlich schon traditionell dazu. Die Rhythm and Blues-inspirierte Ballade hat das Potenzial für etliche Gänsehautmomente ujnd vielstimmige Soli. Die Nirvana-Nummer „Smells Like Teenspirit“ und Neil Youngs Aufruf „Rockin‘ in the Free World“ bilden einen phänomenalen Schlussakt des Konzertes. Nein Alphatiere treffen sich hier nicht, eher drei Seelenverwandte. Dreieinhalb Stunden Glücksmomente für Fans der Gitarrenmusik.