Dave Stewart’s Eurythmics: 1200 Fans feiern die Synthpop-Ikonen der 80er auf dem KunstRasen Bonn

Hat Annie Lennox gefehlt? Lest selbst...

Dave Stewart's Eurythmics auf dem KunstRasen Bonn 2024 FOTO: J&R

Von Dylan C. Akalin

Das Beste kommt am Schluss? Bei „Sweet Dreams (Are Made of This)“ blieb kaum noch einer ruhig auf seinem Platz stehen. Doch dazu später. Dave Stewart machte mit seinen neuen Eurythmics Stopp auf dem KunstRasen Bonn, und 1200 Fans kamen am Freitagabend auf den schönen von hohen Bäumen gesäumten Platz am Rhein.

Ohne Annie Lennox: Dave Stewart’s Eurythmics auf dem KunstRasen Bonn 2024 FOTO: J&R

Vielleicht war es die Abwesenheit der ikonischen Annie Lennox, was so manchen Fan abgehalten hat, zu den einstigen Vorreitern des Synthpops zu kommen. Die Eurythmics, das waren damals Annie Lennox und Dave Stewart, und das Duo hat mit ihrem innovativen und vielseitigen Stil aus Synthpop, New Wave, Rock und Soul den Pop der 1980er Jahre stark mitgeprägt. Die Musik ist geprägt durch den Einsatz von breiten Synthesizern, dem kühlen und kraftvollen Gesang von Lennox und den experimentellen, oft düsteren Soundscapes von Stewart.

Was ist von Annie Lennox geblieben?

Was ist davon geblieben? Eine Antwort darauf ist schwierig. Denn Stewart ist viel zu sehr Musiker, Komponist und Arrangeur als dass er ohne Annie Lennox noch versuchen wollte, die frühen Pfade weiter zu beschreiten. Schließlich ist Dave Stewart’s Eurythmics keine Tributeband und Vanessa Amorosi keine Sängerin, die Lennox imitieren versucht. Auch wenn charakteristische Merkmale ihres Stils noch beibehalten werden, klingen manche Songs selbstredend anders.

Dave Stewart kommt mit neuer Eurythmics auf den KunstRasen Bonn 2024 FOTO: J&R

Und das wird schon beim Opener „Missionary Man“ deutlich. Die Australierin hat eine kraftvolle Soul-Stimme und  macht gleich klar, dass sie kein Annie-Lennox-Double ist. Die Frau mit dem schwarzen, Pailletten besetzten Oberteil und dem roten Rock in Lederlook hat auch in der nächsten Nummer „I Need A Man“ eine kehligere Stimme als Lennox, zumindest im Intro, kleine charmant eingesetzte Brüche in der oberen Stimmlage machen „Thorn in My Side“ ganz zu ihrem Song, und dann kommen noch die fackelnden Einsätze von Saxophonistin Yasmin Ogilvie und Indiara Sfair an der Mundharmonika. Letztere ist ein ganz fettes Brett im rein weiblich besetzten Ensemble von Dave Stewart. Was die gebürtige Brasilianerin aus ihren Mundharmonikas rausholt ist immer wieder erstaunlich. Sie hat ihre Begeisterung für das Instrument sogar mit einem Hohner-Tattoo auf dem Unterarm verewigt.

Silbern-schimmernder Anzug

Die Band betritt pünktlich um 19.30 Uhr die Bühne. Auftritt Dave Stewart. Silbern-schimmernder Anzug, Hut, Sonnenbrille. Seine Ansagen sind lässig bis schnodderig, bisweilen merkwürdig, etwa als er Keyboarderin Hannah Koppenburg vorstellt. Sie sei ja eine Landmännin aus …? … „Lörrach“ und dem Tequila sehr zugeneigt… „oder war`s Wodka“? Musikalisch jedenfalls hat es der  71-jährige Brite immer noch drauf. Sein Gitarrensolo auf einer nachblauen Les Paul bei „Here Comes the Rain Again“ war ein Zungenschnalzer, sein Solo auf der Akustischen bei „Miracle of Love“ hinreißend und die schräge Gitarre bei „I Want It All“ einfach hinreißend.

Sensationell: Indiara Sfair mit Dave Stewart’s Eurythmics auf dem KunstRasen Bonn 2024 FOTO: J&R

„Love is a Stranger“ ist eine stimmliche Glanzleistung, und auch „Here Comes A Rain Again“ klingt mit der neuen Sängerin fast ein wenig besser als das Original, „I Want it all“ ist fast etwas angepunkt, und „Miracle of Love“ ist zu einer amerikanischen Radionummer umarrangiert.

„There Must Be an Angel (Playing With My Heart)“

Steht also die Frage immer noch im Raum, ob wir Annie Lennox vermisst haben? Natürlich. Ihre Coolness fehlt bei „Who’s That Girl?“, „There Must Be an Angel (Playing With My Heart)“  hat was von einem Pop-Soul a la Anastacia, es fehlt die edle Coolness. Hier spielt aber Sfair eines ihrer heißesten Solos und liefert sich noch ein Duell mit Saxofonistin Ogilvie. Auch ein Höhepunkt: das Instrumental beziehunsgweise der Soundtrack „Lily Was Here“, das damals vom Instrumental-Duett mit Stewart und Saxophonistin Candy Dulfer lebte. Der Song ist prägend für den Sound der 80er, vor allem durch das von Kenny G damals so geprägte Saxophon.

„Sweet Dreams (Are Made of This)“

Und ausgerechnet beim Superhit am Schluss vermisse ich Lennox gar nicht. „Sweet Dreams (Are Made of This)“ ist und bleibt ein Meilenstein des Synthpop-Genres. Schon als beim Intro die Zeilen ertönen „Hold your head up/Keep your head up (Movin‘ on)“, fangen die  Leute an die hüpfen und zu tanzen. Der Song mit dem düsteren Text von Lennox entstand in einer Zeit der privaten Krise zwischen ihr und Stewart.

Lennox kämpfte mit Depressionen und erklärte in ihrer Biografie, dass das Lied „Sweet Dreams“ eine persönliche Aussage über die Motivationen der Menschen und ihre Lieben, ihre eigenen Träume sei. „Ich habe das Wort ‚Motivationen‘ durch das Wort ‚Träume‘ ersetzt. Ich sage, das sind die Motivationen, die uns zu Menschen machen, und ich möchte daran nichts ändern, auch wenn ich anderer Meinung bin. Und wohin ich auch schaue (‚Ich bereiste die Welt und die sieben Meere‘), sehe ich nur, dass jeder Mensch auf der Erde nach dieser Art von Erfüllung sucht. Es gibt also die Extreme von den Menschen, die ausnutzen und ausgenutzt werden wollen, das ganze Spektrum.“ Diese aufwärts gerichteten Akkordwechsel mit „Hold your head up, moving on“ sollten dagegen einen positiven Pol bilden.

Am Saxophon: Yasmin Ogilvie mit Dave Stewart’s Eurythmics auf dem KunstRasen Bonn 2024 FOTO: J&R

Das markante Synthesizer-Hook, der sofort erkennbar ist und einen hypnotischen, repetitiven Charakter hat, erfüllt den ganzen Platz. Diese Hook ist das Herzstück des Songs und prägt dessen gesamten Klang. Das Faszinierende an dem Song ist ja dessen eher minimalistisches Arrangement, das sich stark auf die Synthesizer und den elektronischen Rhythmus stützt. Und die starke Stimme von Vanessa Amorosi  einen tollen Gegensatz zur kalten, futuristischen Atmosphäre des Stücks, das so eindringlich, kraftvoll und gleichzeitig melancholisch ist.

Julia Lamb spielt den Bass bei Dave Stewart’s Eurythmics auf dem KunstRasen Bonn 2024 FOTO: J&R

Line-up Dave Stewart’s Eurythmics

Dave Stewart (Gitarre), Vanessa Amorosi (Gesang), Yasmin Ogilvie (Saxophon), Hannah Koppenburg (Keyboards), Indiara Sfair (Mundharmonika & Hintergrundgesang), Julia Lamb (Bass & Hintergrundgesang) und Ellie East (Schlagzeug)

Tolles Zusammenspiel: Dave Stewart’s Eurythmics auf dem KunstRasen Bonn 2024 FOTO: J&R

Setlist Stewart’s Eurythmics Bonn

Missionary Man
I Need a Man
I Love You Like a Ball and Chain
Thorn in My Side
Love Is a Stranger
Who’s That Girl?
There Must Be an Angel (Playing With My Heart)
Lily Was Here
Here Comes the Rain Again
Power to the Meek
The Miracle of Love
I Saved the World Today
Would I Lie to You?
I Want It All
Sisters Are Doin‘ It for Themselves
Sweet Dreams (Are Made of This)

An den Drums bei Dave Stewart’s Eurythmics auf dem KunstRasen Bonn 2024: Ellie East. FOTO: J&R
Dave Stewart’s Eurythmics auf dem KunstRasen Bonn 2024 FOTO: J&R
Sängerin ist Vanessa Amorosi: Dave Stewart’s Eurythmics auf dem KunstRasen Bonn 2024 FOTO: J&R
Hannah Koppenburg an den Keyboards: Dave Stewart’s Eurythmics auf dem KunstRasen Bonn 2024 FOTO: J&R
Dave Stewart und Vanessa Amorosi auf dem KunstRasen Bonn 2024 FOTO: J&R
Dave Stewart’s Eurythmics auf dem KunstRasen Bonn 2024 FOTO: J&R
Dave Stewart’s Eurythmics auf dem KunstRasen Bonn 2024 FOTO: J&R