Das Ron Carter Trio eröffnet das Jazzfest Bonn

Ron Carter: FOTO: Walter Schnabel

Von Cem Akalin

Es ist fast 23 Uhr, als Ron Carter, Mulgrew Miller und der kurzfristig für Russell Malone eingesprungene Gitarrist Bobby Broom die Bühne im mit 850 Zuschauern ausverkauften Telekom Forum betreten. Die Anzüge sitzen tadellos. „Es ist eine der vornehmlichen Privilegien eines Bandleaders“, sagt Carter später leise lächelnd, „die Farbe der Krawatten auszuwählen.“

Alle drei tragen das gleiche grell-grüne Modell. Der 74-jährige Bassist streift ein Armband ab, steckt es in seine Tasche, wirft seinen beiden Musikern einen kurzen Blick zu, schließt die Augen und beginnt. Ein ungewöhnliches Trio. Bass, Piano, Gitarre – kein Schlagzeug. Doch die Stücke, die an diesem Abend gespielt werden, bekommen so etwas Schwereloses und Tänzerisches. Das Zusammenspiel ist magisch. Der Meister deutet Friedrich Hollaenders „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ an, Miller antwortet mit einem versteckten Beatles-Medley. Überhaupt Miller: Der 55-Jährige zeigt eine unglaubliche Präsens und jugendliche Frische.

Das Highlight des Sets: „My Funny Valentine“. Miller geht das Up-Tempo-Stück sehr ruhig an, lässt sich Zeit mit dem Thema, kostet jeden einzelnen Ton aus, und Carter beweist, dass er es immer noch draufhat. Er zieht und dehnt die Töne, mit der rechten Hand spielt er Akkorde, mit der linken trillert er, klopft am Hals, lässt die Saiten scheppern, nimmt die Töne seines Gitarristen auf, verlängert sie – ein Meister der Technik und Musikalität.

Eine Referenz an Carter: Sebastian Sternal, der den Abend mit seinem Symphonic Jazz eröffnete, ließ seinen Bassisten Robert Landfermann mit einem Solo starten, und der Auftritt des Helge Sunde Ensemble Denada wurde vom Bassisten Per Mathisen geschlossen. Sternals elfköpfige Combo ist Aufsehen erregend. Vier Streicher, vier Bläser, alle preisgekrönt, bündeln Hardbop, zeitgenössische und Kammermusik zu einem ungewöhnlichen Klangerlebnis, das irgendwo zwischen Dizzy und Debussy liegt. Eine Musik voller Freude, dass man, etwa bei Sternals Komposition Ghana, schon fast meint, Fred Astaire und Ginger Rogers tanzen zu sehen.

Nicht weniger spektakulär ist die norwegische Big Band des Posaunisten Helge Sunde. Der Klang-Kosmos der Truppe wird von einer elektrischen Gitarre und einem Sound- und Bild-Tüfftler verstärkt. Synthetische Klänge zum Big- Band-Sound, Avantgarde, ungemein raffiniert arrangiert, verspielt mit vielen kniffligen und verblüffenden Details, dabei aber keineswegs akademisch, sondern recht unterhaltsam und von leidenschaftlicher Brillanz. Ein furioser Auftakt des Jazzfest 2011.