Das Popalbum des Jahres? Sparks „A Steady Drip, Drip, Drip“

Sparks FOTO: BMG

Das Geschwister-Duo Sparks aus Los Angeles – Sänger Russell Mael und Keyboarder Ron Mael – prägt seit den frühen 1970er Jahren mit wunderbarer, intelligenter Art-Pop-Musik die Szene. Die ansprechenden Hooks, genialen Arrangements und humorvollen Lyrics haben ihnen eine hartnäckige Fanbase geschaffen, auch unter Musikern. Unvergessen sind ihre Hits wie „Here in Heaven“ und „This Town Ain’t Big Enough for the Both of Us“. Mit ihrem 24. Studioalbum „A Steady Drip, Drip, Drip“, das am 15. Mai 2020 erscheint, beweisen sie wieder ihre verspielt-intellektuelle Genialität.

Von Dylan Cem Akalin

So ein verrückter Song wie „Stravinsky’s Only Hit“ kann nur von den Sparks kommen. Eine Mischung aus Art-Rock und entrückter Musicalmelodie mit Anklängen zur Klassik im Popgewand, ein Stück, mit dem das Duo sein Talent für historische und literarische Anspielungen sowie fiktive Partituren beweisen. Dabei beginnt das neue Album „A Steady Drip, Drip, Drip“ mit „All That“ eher vordergründig simpel mit einer Art Trinklied im 4/4-Takt. Die eingängige Hymne nimmt mit dem anfänglichen Strom aus Hörnern und Echo-Gesängen den schwunghaften Kern vorweg. Die Simplizität wird mit akustischen Gitarren, Handklatschen, Streichern und einer gewissen fragilen Entschlossenheit aufgelöst – eine ziemlich normale Songstruktur, in die Emotionalität und Exzentrizität eingepackt ist. So was können nicht viele.


Die SPARKS veröffentlichen das Video zu ihrer Single „One For The Ages“! Für den Clip haben sich die Kult-Brüder mit der estnischen Regisseurin Chintis Lundgren zusammengetan.

Erst beim fünften Track erklingt mit „Pacific Standard Time“ ein feierlicher Synthpop-Trek mit Retro-Techniken der 1980er Jahre und modernem Glanz, der typische Sparkssound, der schon Bands wie die Pet Shop Boys, Depeche Mode und viele andere in den 80er Jahren beeinflusst hat. Dagegen klingt „Left Out in the Crowd“ eher kalt und mürrisch. „I’m Toast“ ist ein verspielter Rock mit schweren Gitarrenriffs und ironisch gestelzten Phrasen, die an Joan Jetts „“I Love Rock ‘n’ Roll”  erinnern, etlichen Seitenhieben, unter anderem an „Alexa“ und der spöttischen Zeile: „Here’s my hope, that you will never have to sing this song/But you probably will, in fact you’re whistling along“.

Symphonische Begeisterung klingt aus „Self-Effacing“ mit den amüsant meditativen Texten und Reime, „One of the Ages“ als klassisch-raffinierter Popsong. Für die Sparks stehen neben der künstlerischen Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten des Pop auch der Spaß und die Kraft der musikalischen Narretei im Vordergrund. So wie beim witzigen und dissonanten „iPhone“ mit seinem universalen Appell: „Leg dein verdammtes iPhone weg und hör mir zu“. „Onomata Pia“ vereinbart leichtere Arrangements mit kniffligeren melodischen Linien und sich überschneidende Gesängen.

Eigenartig und surreal

„The Existential Threat“ ist ein eigenartiger Song, wie aus einem absurden Theater, in dem Kinderlieder in Art des Ententanzes von den Tweets mit dem Soundtrack von Jesus Christ Superstar im Schnelldurchlauf verquirlt werden. Dazu die bizarre Feststellung „Ich habe die ganze Rechnung bezahlt, weil es die Versicherung nicht tut, sie deckt keine existenziellen Medikamente ab“.

Danach können nur noch das textlich surreal anmutende „Nothing Travels Faster Than The Speed Of Light“ mit einer relativ gradlinigen Popmelodie und das Orchesterfinale „Please Don’t Fuck Up My World“ kommen, in dem ein Kinderchor uns in rosarote Wolken hebt.

„A Steady Drip, Drip, Drip“ ist seltsam progressiv, ein Popalbum mit viel ironischem Lächeln und einem Augenzwinkern, das dennoch zum Nachdenken anregt und Spaß macht. Stilistisch übertretet es alle Grenzen, auch wenn es oft an die siebziger und achtziger Jahre erinnert. Möglicherweise das Popalbum des Jahres.