Drumherumgerede gibt es bei diesem Trio nicht. Man kommt ohne Umschweife gleich zum Wesentlichen. „Cortex“ startet mit heftigem, dissonantem, rhythmisch fast wirrem Ausbruch, den der Bass wie eine außer Kontrolle geratene Spieluhr unterbricht. Das Trio um den Pianisten Matthieu Mazué hat einen aufregenden Ansatz. Es ist Jazz wie ein Thriller. Atemlos, voller Spannung und klanglicher Mannigfaltigkeit. Kein Wunder also, dass das aus der Schweiz stammende Trio, zu dem noch Xaver Rüegg (Kontrabass) und Michael Cina (Schlagzeug) gehören, den ersten internationalen Wettbewerb JazzBeet, der am Samstag im Post Tower Bonn als Hybrid-Veranstaltung ausgetragen wurde, für sich entscheiden konnte.
Und die Jury, bestehend aus der Jazzpianistin Julia Hülsmann, dem Saxophonisten Roger Hanschel und dem Journalist Ulrich Stock (Die Zeit) waren sich offenbar sofort einig, hieß es später bei der Urteilsbegründung, in der es heißt: „Ein Trio mit herausragender Interaktion gleichberechtigter Akteure, kraftvoll ohne es an Sensibilität fehlen zu lassen, komplex doch nicht abgehoben, zeitgenössisch in seiner Ästhetik, mit einem erfrischenden Mut zum Risiko. Transparent und dicht, mal poetisch, mal mysteriös, und mit der Gabe in aller Ruhe Spannung zu entwickeln“. Der Wettbewerb war vom Jazzfest Bonn anlässlich des 250. Geburtstags von Ludwig van Beethoven in Kooperation mit der BTHVN2020 Beethoven Jubiläums GmbH ausgelobt worden. Von 30 Bands hatten es am Ende fünf in die Endrunde geschafft. Den zweiten und dritten Preis belegten in der Reihenfolge das Will Kjeer Trio aus den USA und Fiona Grond Interspaces aus Deutschland. Das D.A.S. Trio aus Ungarn und das HarpBeat Trio aus Italien teilen sich beiden den vierten Platz.
Der erste Preis ist mit 5000 Euro honoriert und einem Auftritt beim nächsten Jazzfest Bonn verbunden. Doch der künstlerische Leiter des Jazzfestes, Peter Materna, war von allen Musikern derart begeistert, dass er versuchen möchte, sie sobald wie möglich im Festivalformat einem größeren Publikum vorzustellen.
Fiona Grond Interspaces
Mittags startete Fiona Grond Interspaces in der lauschigen Umgebung eines Wohnzimmers, wo im Hintergrund noch ein alter Lampenschirm für heimeliges Licht sorgte. Das Trio erregt schon durch die ungewöhnliche Besetzung für Aufmerksamkeit: Gesang, E-Gitarre und Tenorsaxofon. Die klaren Arpeggios der Gitarre, der Gesang, der zu Beginn mit dem Sax verschmilzt lassen erahnen, wohin die Reise geht. Beim zweiten Stück „Light Therapy“ wagt das Trio mehr Risiko. Den dissonanten Tönen im Intro folgt ein interessantes Zusammenspiel von Bass und Gitarre, die dann später zwischen geschlagenen Akkordfolgen und Sololinien wechselt. Der Gesang erinnert hier mehr als Norma Winston, insbesondere was Klangfarbe und Ansatz betrifft, was den experimentellen Grundstein angeht, werden Assoziationen an Efrat Alony wach.
D.A.S. Trio und HarpBeat Trio
D.A.S. Trio aus Ungarn besteht aus Keyboarder Abel Marton Nagy, der bei Gelegenheit auch mal zur Gitarre greift, Drummer Adonis Fabry und Bassist Adam Sardi. Die Band des 26-jährigen Nagy orientiert sich stark an der Kraft des Jazzrocks.
Wer meint das HarpBeat Trio aus Italien spiele eine Art Play Bach auf der Harfe, der irrt, auch wenn die Inspiration sicher auch aus der Klassik kommt, so verblüfft Ottavia Rinaldi mit einer lyrischen Jazzhaltung an der Harfe, die mitunter an klassische Gitarre erinnert. Carlo Bavetta (Bass) und Evita Polidoro (Schlagzeug) sind sensible Begleiter, die sich auch bei kraftvollen Wendungen soweit zurücknehmen, dass das tonangebende Instrument, das nicht gerade zu den Dominaten gehört, immer im Mittelpunkt steht.
Will Kjeer Trio
Beeindruckend im Zusammenspiel war das Will Kjeer Trio aus den USA. Pianist Will Kjeer, Ari Giancaterino (Bass) und Anthony Ty Johnson (Drums) haben sichtlich Spaß am gemeinsamen Interagieren. Immer wieder verblüffend, mit welcher Leichtigkeit oft amerikanische Combos an die Sache rangehen. Rhythmisch, kompositorisch und solistisch präsentieren sich die Musiker als reifes Trio mit dem Hang zu Übermut, der aber stets auf disziplinierten Wegen bleibt. Interessant, wie sie ihre Stück an die Anforderungen des Wettbewerbs angepasst haben und die klassische Formlehre anwenden. „Killer Rabbit“ beginnt mit einem wilden Thema. Der oft melodiösen Exposition folgt die ruhige Durchführung mit Variationen des vorgestellten Materials, um dann am Schluss das Tempo noch einmal anzuziehen und mit einer Reprise zu enden. Bei „I’ll Be Leaving Soon“ gelingt dies mit Anlehnung an den skandinavischen Jazz, wie ihn etwa das Tingvall Trio mit leichten Folkelementen zelebriert. Wie die Musiker sich gegenseitig Räume schaffen, das ist ganz großartig. Am Ende erhielten sie einen verdienten zweiten Platz.
„Es ist einfach wunderbar, endlich wieder Musik zu erleben und die tollen jungen Musiker zumindest auf diese Art bei uns zu Gast zu haben“, schwärmt Peter Materna. „Wir sind sehr glücklich, dass es uns auf diese Weise gelungen ist, den JazzBeet-Wettbewerb trotz der herausfordernden Umstände durchzuführen.“
Ein wesentlicher Bestandteil der Teilnahmebedingungen war übrigens die Komposition eines Stückes, das sich mit der künstlerischen Idee eines Werkes von Ludwig van Beethoven auseinandersetzt. „Weltweit gibt es junge Jazzmusiker, die auf einem enorm hohen künstlerischen Niveau komponieren und musizieren. Wir wollen mit diesem Wettbewerb einige der spannendsten Projekte sichtbar machen und jungen Musikern die Möglichkeit geben, ihre künstlerischen Ideen einem interessierten Publikum vorzustellen“, so Materna. Auch Malte Boecker, Künstlerischer Geschäftsführer der Beethoven Jubiläums GmbH betont die Bedeutung von JazzBeet: „Beethovens Musik kommt aus der Improvisation. Sein Echo ist deshalb gerade im Jazz besonders groß. Beethoven als Inspirationsquelle für den JazzBeet Wettbewerb zu setzen liegt auf der Hand und ist ein wichtiger Beitrag zum Beethoven Jubiläum!“