Es ist immer noch so. Sobald auf einer Party ein Song von Toto läuft, fangen die Leute an zu tanzen. So wie kürzlich bei Rock am Ring. Da spielte die kalifornische Alternative-Rock-Band Weezer. Als sie plötzlich „Africa“ von Toto anstimmten, hellten die Gesichter auf. Ich sah in all die Gesichter in der Menschenmenge. Alle lachten. Es herrschte schlagartig Partystimmung. Die Musik von Toto macht offenbar glücklich. Geht es der Band tatsächlich darum? Und was ist das Geheimnis des Toto-Sounds? Darüber sprechen wir mit Joseph Williams, Sänger der Band, via Zoom und erreichen ihn in seinem Arbeitszimmer in seiner kalifornischen Heimat. Am 14. Juli kommt Toto nach Bonn und spielt auf dem KunstRasen.
Von Dylan Akalin
Also, Joseph, macht die Musik von Toto glücklich? „Das hoffe ich doch! Ich meine, ‚Africa‘ ist so ein brillanter Song. Stell dir vor, dass die Jungs damals überlegten, ihn gar nicht auf das Album zu nehmen. Bei dem Stück geht die Menge immer mit – vielleicht, weil es jeder kennt“, sagt Joseph.
Das Geheimnis von „Africa“
„Africa“ hat auf YouTube fast 800 Millionen Klicks. Nicht erst seit „Stranger Things“ ist es eine Art allgemeingültiger Popsong. Schon die ersten Töne, der einsetzende Beat auf der Kuhglocke. Dann bekommt das Keyboard seinen Auftritt, während sich von hinten eine zweite Linie anschleicht. Wenn man das einmal gehört hat, kann man es nicht mehr vergessen. Was ist das Geheimnis? Williams: „Ich weiß nicht, was das Geheimnis für dich ist. Vielleicht liegt es für jeden woanders. Als ich ihn zum ersten Mal gehört habe, hat mich dieser Groove der Drums, das Keyboard von Dave, wenn der Song startet (summt), einfach hypnotisiert. Das ist es, was der Song macht. Er ist hypnotisierend. Die Augen fangen an zu leuchten, wenn der Chorus startet mit diesem glorreichen Gefühl in ihm.“
Und da haben wir noch gar nicht über den Refrain geredet, über diese Zeile, „I bless the rains down in Africa“. Was macht den Toto-Sound aus? Natürlich, da ist diese geniale Gitarre von Steve Lukather, die präsenten Keyboards von David Paich und Joes markante, sehr jugendliche, warme Stimme. Aber das kann doch nicht alles sein. „Das ist schwer zu beantworten. Für mich ist es die Musikalität und die Chemie, die zwischen den Musikern herrscht, viel vom Sound aus. Ich weiß nicht, ob das das Geheimnis ist. Ich meine, David Paich ist ein unbeschreiblich guter Songwriter. Er und Jeff (Porcaro) haben diese ganze Welt von Toto ab 1977 erschaffen. Dann gab es zwar immer wieder Wechsel in der Besetzung, aber um diese Welt von Toto zu verstehen, muss man zurück zu den ersten Alben gehen, weil damals die Grundlage geschaffen wurde, für alles was noch folgen sollte“, erklärt er.
Die 15. Inkarnation von Toto
Am 14. Juli tritt Toto auf dem KunstRasen in Bonn auf – zum dritten Mal in der Bundesstadt. Und es ist gar nicht so selbstverständlich, dass die Band wieder live erlebbar ist. Denn zuletzt musste sich die Band mit einer Klage von Jeff Porcaros Witwe, Susan Porcaro-Goings, herumschlagen. Toto sind heute eigentlich nur noch Gitarrist Steve Lukather und Keyboarder Dave Paich, alle anderen Musiker bekommen Gehalt. Das alles wühlte Lukather offenbar so auf, dass er Ende 2019 bekanntgab, dass Toto vorbei sei.
Doch so ohne können sie offenbar nicht sein. Und so geht nun also nach Lukathers eigener Zählung die 15. Inkarnation von Toto auf Tour. Zusammen kam die Band 1977, nachdem die verschiedenen Mitglieder, allesamt hervorragende Musiker, auf Alben von Steely Dan, Boz Scaggs, Seals and Crofts und vielen anderen gespielt hatten. Auf ihrer ersten LP erzielten sie mit „Hold the Line“ sofort einen weltweiten Hit. Aber es war die Zeit, in der die Kid eher die Sex Pistols cool fanden. Und einen echten Frontmann hatten sie auch nicht. Bobby Kimball, der anfängliche Leadsänger, übernahm bei weitem nicht alles Gesangsparts und wurde dann auch noch wegen Stimm- und Drogenproblemen gefeuert und durch den ehemaligen Survivor-Backing-Sänger Dennis Frederiksen ersetzt. Nach nur einem Album suchte man erneut – und fand in Joe Williams, dessen Vater der berühmte Filmkomponist John Williams ist, einen neuen Sänger.
„Einige aus der Band kenne ich noch aus der High-School. Wir sind gut befreundet. Sie wussten auch wie ich singe. Die Chemie stimmte also schon gleich beim Vorsingen“, erzählt Williams. „Mit Steve Lukather bin ich seit der Schulzeit befreundet, und David Paichs Vater und meiner waren befreundet. Den kenne ich also, seit ich ein kleiner Junge war.“
40 Jahre „Toto IV“
Die Popularität der Band erreichte 1982 den Höhepunkt – als „Toto IV“ mit den Hits „Africa“ und „Rosanna“ herauskam. Der Erfolg von „Africa“ hat die Band selbst überrascht. Schlagzeuger Jeff Porcaro kreierte einen Großteil der Musik gegen Ende der Toto IV-Sessions, und Paich steuerte die Texte bei, aber es wurde nie als etwas Besonderes bezeichnet. Dann kam er doch drauf – als letztes Stück auf der B-Seite. Am Ende wurde es der einzige Nummer-Eins-Hit der Band.
Der Erfolg von „Rosanna“ und „Africa“ half Toto, 1983 sechs Grammy-Auszeichnungen zu gewinnen, darunter das Album des Jahres und die Schallplatte des Jahres. Was ist nun dran an der Geschichte, dass „Rosanna“ ein Song über Rosanna Arquette ist? Stimmt sie oder stimmt sie nicht? „Es geht schon irgendwie um sie, denn Steve Porcaro war ja damals mit ihr zusammen. Und Dave liebte den Sound des Namens als er den Song schrieb. Also geht es schon ziemlich um Rosanna Arquette in dem Song“, klärt Williams auf.
Auf Solopfaden
Das Album „Toto IV“ feiert in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen. Ein Album voller Hits. Sprechen wir über den Stil: Wenn man sich Joseph Williams‘ letztes Soloalbum und das von Steve Lukather anhört, dann merkt man, dass Toto offenbar sowas wie eine eigene Philosophie hat. Eine der Grundsätze könnte lauten: Auch eine Ballade muss positiv klingen… Gibt es darüber sowas wie eine Übereinkunft? Williams lacht: „Nein, nicht wirklich. In einer Band mit sechs individuellen Leuten gibt es natürlich Diskussionen darüber, welcher Song sich am besten für ein Album eignet und so weiter. Aber am Ende entscheidend ist, welche Songs am besten beim Publikum ankommen. Wenn ich ein Soloalbum mache, dann bin ich frei über den Ausdruck des Produkts zu entscheiden. Und ja, mein Klang ist etwas dunkler als der von Toto.
Josephs Stimme ist so prägnant, da kannst er auch auf seinem Soloritt seine Zugehörigkeit zu Toto nicht verbergen. Das Soloalbum beginnt mit einer eindringlichen Ballade „Never See You Coing“, sie klingt tatsächlich etwas düsterer als es bei Toto üblich wäre. „Meine Rolle bei Toto ist die einer Trompete, also einer Solostimme. Wenn ich meine eigenen Sachen mache, dann probiere ich viel mehr aus. Ich spiele mit dem Stimmvolumen, mit tiefen Lagen. Ich habe da mehr Raum für Experimente“, erklärt Joseph, der sie sein Vater auch Filmmusiken komponiert.
Auf seinem Album „Denizen Tenant“ klingen bei Songs wie „Liberty Man“ oder „The Dream“ dieser hymnische, emotionale Rock von Toto durch. Da schimmern aber auch musikalische Vorbilder wie etwa Steely Dan oder die Beatles durch. Auf der Platte sind auch Covers von „Don’t Give Up“ von Peter Gabriel und „If I Fell“ von den Beatles. Sind das Bands, die ihn geprägt haben? „Oh ja, sehr stark. Donald Fagens Arbeit hat mich sehr beeinflusst, aber auch Bands wie Yes, Led Zeppelin, natürlich die Beatles. Ich stehe ja sehr auf Progressive Rock, und eines der Dinge, die ich so an Toto schätze, ist, dass die Musiker jeden Stil spielen können. Und was da so durchscheint, ist ein sehr dichter Rock’n’Roll.“
Beatles and more
Toto hat während der Pandemie das Album „With a Little Help From My Friends!“ aufgenommen – unter vielen Toto-Klassikern eben auch diesen Song der Beatles. Auf Konzerten kommt es immer wieder mal vor, dass die Band Covers bringt, so wie in Bonn schon mal „While my guitar gently weeps“. Williams: „Mit ‚With a Little Help From My Friends‘ ist es wie mit ‚Africa‘: Der Song bedeutet uns was.“
Apropos Songs, die einem etwas bedeuten. Songs von Toto gehören bei vielen Menschen zum Soundtracks ihres Lebens. Hat die Band schon mal etwas Besonderes erlebt bei einem Konzert? Einen Heiratsantrag vor der Bühne, oder so? „Das haben wir tatsächlich! Ich glaube, es war 2016 oder 2017. Da kam ein Paar auf die Bühne, und er machte ihr einen Heiratsantrag zu „Africa“. Es ist wirklich schön, wenn du auf der Bühne stehst und die Menschen siehst, wenn sie glücklich und zufrieden sind.“
Zum Schluss noch eine private Frage: Josephs Vater ist der berühmte Filmmusikkomponist John Williams. Er hat mit seinen unvergesslichen Soundtracks Generationen von Menschen begleitet. Wie schwer ist es, mit solch einem großen Namen im Musikgeschäft Fuß zu fassen? „Es ist für jeden schwer im Musikbusiness. Und ich hatte vielleicht einen kleinen Vorteil, weil mein Vater in der Musikbranche war. Meine Mutter und meine Großeltern waren ja auch in der Unterhaltungsbranche. Daher ist es nicht ungewöhnlich, wenn der Sohn in eine ähnliche Richtung geht. Ich hatte jedenfalls nicht groß darüber nachgedacht, etwas Anderes zu machen.“
Toto kommt bald nach Deutschland und nach Bonn. 2000 und 2003 waren sie schon mal am Rhein. Auf was dürfen sich die Fans freuen? Williams: „Wir haben tolle Fans! Sie sind unheimlich loyal zu Toto.“