Den zweiten Crossroads-Abend in der Bonner Harmonie bestreiten zwei eher konventionelle Bands – wenn man sie jedenfalls mit den Auftritten des ersten Abends vergleicht. High South ist eine countrylastige Folkrockband aus den Vereinigten Staaten, die 2010 gegründet wurde. Die Band besteht aus James Garner (Gesang und Harp), Kevin Campos (Gesang und Gitarre), Phoenix Mendoza (Gitarre, Gesang), Antjom Feldtser (Bass) und Hansa Schueler (Drums). Ihre Musik ist eine Mischung aus modernen und traditionellen Country-und Folk-Sounds mit Betonung auf Gesangsharmonien – ein sehr schöner und harmonischer Auftritt. Beeindruckender indes war die Performance von Todd Sharpville, dem britischen Bluesgitarristen und Singer-Songwriter, der für seine gefühlvolle Stimme und sein virtuoses Gitarrenspiel bekannt ist, und seiner exzellenten Band.
Von Dylan C. Akalin
Die flotte Nummer „If You Wanna Get to Heaven“ mit einem gewissen Hillbilly-Touch im Rhythmus von den Ozark Mountain Daredevils ist ein hübscher Einstieg in einen ausgelassenen Musikabend. Die Musik von High South ist eine erfrischende Mischung aus klassischen und zeitgenössischen Country-Sounds und wird von straffen Harmonien und starkem Songwriting getragen. „Take A Toke“ bringt die Fans in der Harmonie am zweiten Rockpalast-Abend an die sonnige US-Westcoast. James Garner hat eine eher rotzig-kräftige, Kevin Campos eine klare und ausgewogene Stimme. Der Wechsel der Stimmen und die Harmoniegesänge machen High South-Konzerte abwechslungsreich. Hinzu kommt die energiegeladene Band, alles versierte Musiker und Performer, die stets auf den Punkt spielen. Die Band gewinnt mit ihrer dynamischen Bühnenpräsenz und freundlichen und ehrlichen Interaktion mit dem Publikum gleich ihre Herzen. Bei „Love Ain’t Gonna Let You Down“ bringen sie sogar die ganze Harmonie zum Mitsingen. Ein wunderschöner Moment.
„Every Road Feels Like Home“ klingt wie ein beschwingter Country-Klassiker. Toll sind aber auch die instrumentalen Duelle zwischen Kevin Campos‘ Mundharmonika und Phoenix Mendoza Gitarre, so wie etwa bei „Fishing In The Dark“, das dann mit einem wunderbaren mehrstimmigen Harmoniegesang endet. Das Publikum quittierte das mit engagiertem Applaus. Ohne Zugabe wollte es die Band am Ende nicht gehen lassen. Also gab es den Johnny Cash-Song „Folsom Prison Blues“ in einer Art Schnelldampflok-Version. Ziemlich geil!
Todd Sharpville
Mit dem schönen „The Blue Standard“, einem Song wie geschaffen zu später Stunde in einer fast leeren Bar, beginnt Todd Sharpville sein gut anderthalbstündiges Konzert. Eine tolle Ballade zwischen John Cale und Elton John. Bemerkenswert, dass der britische Bluesgitarrist sein Konzert mit einer Solo-Piano-Nummer beginnt, und dann mit einer Ballade. Sehr gefühlvoll präsentiert. Aber wir werden noch im Laufe des Abends erleben, dass Todd ein empfindsamer Künstler ist, der zudem ein virtuoser Gitarrist ist.
Dafür startet die exzellente Band dann mit dem stark an Kenny Wayne Sheppeard erinnernden Bluesrocksong „God Loves A Loser“, ein Song, der den Schmerz des Blues mit der Kraft des Rock und dem Feuer des Soul zu einem intensiven Ausdruck verknüpft. „Wenn Hoffnung ein Fremder ist, ist Angst mein bester Freund“, singt er da. Die Spannung entsteht durch den entspannten Gesang und die vorwärtstreibende Band. Steve Rushton macht da nicht nur in seinem schicken Anzug eine gute Figur, sondern ist auch der unangefochtene Fels in der Brandung, der mit seinem Drumspiel so viel Dynamik und Energie mitbringt, dass es die anderen Mitspieler einfach mitreißen muss. Joe Macs Orgelspiel schafft einen zusätzlichen Rückenwind, den Todd für sein erstes beeindruckende Gitarrensolo nutzt. Also: Besser kann ein Konzert doch kaum beginnen – erst schöne Gänsehaut durch eine Ballade, dann Gänsehaut durch Power!
Geboren 1970 in Hammersmith, London, wuchs Sharpville in einer musikalischen Familie auf und begann schon in jungen Jahren Gitarre zu spielen. Er fühlte sich zum Blues hingezogen und wurde stark von Künstlern wie B.B. King, Freddie King und Albert King beeinflusst. Die DNA steckt jedenfalls in seiner Musik.
Sharpville begann seine professionelle Karriere in den frühen 1990er Jahren, als er mit verschiedenen Bands in Londons pulsierender Bluesszene spielte. 1994 veröffentlichte er sein Debütalbum „Touch Of Your Love“, das von der Kritik hoch gelobt wurde und dazu beitrug, ihn als aufstrebenden Star in der Blueswelt zu etablieren. Daraus spielt er an diesem Abend indes nicht einen einzigen Song. Dafür präsentiert Sharpville, der auch schon mit namhaften Musikern zusammengearbeitet hat wie Buddy Guy, Mick Taylor und Hubert Sumlin, ein halbes Duzend Stücke aus dem erstklassigen, aktuellen Album „Medication Time“, in dem er seinen Zusammenbruch nach der Trennung von Frau und Kindern, seine Zeit in der psychiatrischen Klinik und die langsame Rückkehr in die Normalität verarbeitet.
„Used“
„Used“ der der erste Song aus diesem Album. Da singt er über einem sehr traditionellen Bluesschema von den schwarzen Löchern in seiner Seele, von seinen ausgebrannten Blicken im Spiegel – und vom Ausgenutzt werden. Eine umwerfende, in den Blues übertragene Version von Dire Straits „Money For Nothing“ („Den Song hat ein Typ den ganzen Tag in der Klinik abgespielt“) und die gemächliche Interpretation von Bob Dylans „Walk Out in the Rain“ fallen aus der Setlist auf. Letzterer behält die für Dylan typischen Phrasierungen, wird aber komplett auch in die Welt des Blues übertragen. Hier spielt Todd ein Solo mit fast klarem, unverfälschtem Gitarrensound.
Schönes Piano-Intro, dann dieser elegante Sound der Gitarre, die B.B. King Todd geschenkt hat. „Medication Time“ ist über diese 18 Jahre zurückliegende „deep fucking Time“. Aber, so sagt der Londoner, er würde diese Zeit nie missen wollen, weil sie zu ihm gehört und ihm half, die Splitter seines Lebens zusammenzusetzen. „Nicht verzweifeln, Leute. The Blues is there for a reason.“ Ein sagenhaft starker, intimer Song. Sehr zurückhaltend und sparsam arrangiert, die Drums liegen wie Krokant auf der cremigen Orgel, hin und wieder blitzt die Gitarre aus der blauen Dunkelheit auf. Die Intensität der Truppe hält die Erwartung immer kurz vor der Explosion. Das Gitarrensolo geradezu adlig. Vielleicht der Höhepunkt des Abends? Es gab derer wirklich viele. Ein tolles Konzert.
Am Ende des Konzertes sorgt er noch mit „Won’t Say Goodbye“ für emotionale Momente, ein Song, den er nach dem Suizid eines Freundes vor vier Jahren schrieb und lange nicht live aufführen konnte. Hier beweist die Band wieder, wie sie mit zarten Momenten umgehen kann. Sie spielen ihre Instrumente, als würden sie auf Zehenspitzen durch einen dunklen Raum trippeln. Zur Zugabe gibt es das tanzbare „If Love Is A Crime“ (Porchlight, 2010), wo sich alle nochmal von ihrer besten Seite zeigten, insbesondere Special Guest Will Wilde an der Mundharmonika. Das Publikum war mehr als nur zufrieden.