Die Essener Heavy-Rocker Wolfskull wurden für ihr aktuelles Album „Ave Goddess“ hochgelobt, Fachmagazine erkoren es im Dezember gar zum „Album des Monats“ – entsprechend hoch war da die Erwartung beim Schlussabend des Crossroads-Festivals, das der WDR Rockpalast wieder in der Harmonie Bonn veranstaltete. Ums vorwegzunehmen: Wolfskull enttäuschten, dafür überraschte die britische Formation Dub War mit einem erstaunlich starken Auftritt.
Von Dylan Cem Akalin
„Incarnadine“ startet ähnlich dunkel und geheimnisvoll wie auf dem Album, und Sänger Peter „Pete 9“ Merschhemke beginnt seinen Gesang auch in ähnlich tiefen, dunklen Registern. Und der Mann hat auf jeden Fall eine Energie, dass die Bühne für ihn viel zu klein erscheint. Er springt, grätscht, kniet, wirft sich auf den Boden – und immer wieder streckt er den Arm zur Faust oder formt die Finger zur Mano cornuta, die Metal Sign. Doch die Stimme kommt gegen die Power der Band nicht an. Völlig entzaubernd ist sein Gesang schon beim zweiten Stück: Auf der Studioversion kommt die Stimme bei „Nocturnal Blue“ sehr charismatisch rüber, ein wenig zwischen Graf Unheilig und Billy Idol. Doch davon ist Merschhemke an diesem Abend meilenweit entfernt.
Und als er dann bei „Black Winged Angels“ auch noch ankündigt, den Song habe man noch nie live gespielt, muss man leider konsterniert feststellen: Das hört man. Dafür glänzt die Band um ihn umso mehr. Thorsten Groborz spielt bei „Robots In Love“ ein tolles Gitarrensolo. Und auch die übrige Band mit Björn Fehl (Gitarre), Dirk Massing (Bass) und Drummer Markus Siegesmund präsentieren sich absolut professionell. Bei „Ember Falls“ hat Merschhemke gute Momente, obwohl er auf dem Album eine bisweilen an David Sylvian erinnernde Innerlichkeit aufweist. Live kommt er da leider nur etwas schnulzig rüber. Sehr schade.
Dub War: Intensive Kraft des Faktischen
Und dann betreten Dub War die Bühne. Meine Fresse, was für eine Kraft, was für ein Wagnis. Die Musik ist neu, atemberaubend, politisch, aggressiv und kennt nur eine Richtung – vorwärts. Die Jungs aus Newport, Wales, machen eine Musik aus Elementen des Heavy Metal, Reggae und Punkrocks und ihr energiegeladenes Auftreten versetzt die Menge in der Harmonie vom ersten Takt an in Erstaunen. Drummer Spike Smith (mit pinkfarbenem Iro) trommelt allein auf der Bühne, als würden gleich die Delinquenten zum Schafott geführt. Langsam betreten die übrigen Bandmitglieder die Bühne während Benji Webbe die menschliche Sirene am Mikrophon macht und das Publikum aufstachelt mitzugrölen. Und dann geht es in die Vollen. Heavy Riffs, laut. Da wird schon klar. Dub War ist nicht zum Kuscheln da. Der Schrei-Sprech-Gesang geht in Richtung Hip-Hop-Reggae-Metal. Später wird es gar etwa Jazz-Metal-mäßig.
Die Songs sind überwiegend politisch und behanden Themen wie Rassismus, Armut und soziale Ungleichheit. Die Texte sind konfrontativ und kompromisslos. Es geht um Widerstand und Rebellion. In „Enemy Maker“ oder dem letzten Song „Gorrit“ zielt die Band auf die Machthaber und die systemischen Ungerechtigkeiten, die die Gesellschaft plagten. Der Opener „Words of Warning“ oder „Strike It“ beschwören Solidarität und kollektives Handeln angesichts von Unterdrückung. Benjis Songs sind Aufforderungen, für Rechte einzustehen und sich dem Status quo zu widersetzen. Das steht ganz in der Tradition des klassischen Reggae.
Dub War hat aber auch eine introspektivere Seite, so wie in „Mental“. Doch das geht bei Benji nicht einfach nur mit blumigen Worten. Es geht brutal zu, denn, das ist die traurige Wahrheit, am Ende stehst du ganz alleine da. „Es ist ihnen egal, sie haben keine Gnade“, brüllt er, während er in kurzen Sätzen die blutgetränkte Menschheitsgeschichte seit Kain und Abel bis zur Klimakatastrophe skizziert.
Die fast schon industriell lärmende, bisweilen experimentelle Musik und die erbarmungslosen Texte spiegeln das politische und soziale Bewusstsein der Band wider. Ihre Songs sind nicht nur düster, sie lassen immer einen Hoffnungsschimmer übrig. Die Message: Kämpft für eine bessere Welt. Kann es einen besseren Abschluss eines viertägigen Festivals geben?