Das Programm des Herbst-Crossroads-Festivals, das der WDR Rockpalast ab Mittwoch, 26. Oktober, bis Samstag, 29. Oktober 2016, wieder in der Bonner Harmonie läuft, birgt einige kleine Schätzchen – aber wirklich beeindruckend ist ausgerechnet eine junge Bonner Band.
Von Dylan Cem Akalin
Zwei Gitarren und eine markante Stimme, mehr brauchen Vincent Alex (Gesang), Sebastian Lesch (Gesang/Gitarre) und Aaron Skiba (Gitarre/Bass), die sich Drawing Circles nennen nicht. Die drei sind Anfang 20 und erzeugen ungeheure Stimmungen mit ihren so intelligent komponierten Stücken. Und ihr Album „Sinister Shores“ ist eine kleine Entdeckung. Wer Musik mit viel Bumms erwartet, wird enttäuscht sein, obwohl die drei Bonner sehr wohl eine ziemlich rockige Grundsubstanz haben in ihren Stücken. Aber es ist, als hätten sie der schweren Rockmaschine die bleierne Weste abgeschlagen und gleiteten nun über ähnlich wilde, einsame Landschaften wie sie auf dem Cover abgebildet sind. Es war wohl eher Zufall, dass sie ohne Drummer auskommen. Nachdem der Schlagzeuger die Band verlassen hatte, merkten die drei, dass ihre Musik auch ohne funktioniert.
Man ist tatsächlich zunächst irritiert. Zunächst dachte ich, dass es ja recht kaltschnäuzig von einer jungen Band ist, ein Album mit einem so zurückhaltenden Stück zu eröffnen. Und irgendwo erwartete ich, dass irgendwann mal die lauten Becken und Trommeln in den Rockparts einsetzen… aber es kommt nichts. Der Zuhörer ist aber so fasziniert vom eindringlichen Gesang Alex‘, von den raffiniert eingesetzten Gitarren, dass er sie tatsächlich nicht mehr vermisst. Also: absolute Konzertempfehlung.
Den Abend am 27. Oktober 2016, der wie alle Abende um 19.15 Uhr beginnt, teilen sie sich mit XIXA, die hin und wieder auch an Giant Sands erinnern. Kein Wunder: Die mystisch-psychedelische Cumbia-Rock Band aus Tucson, Arizona wird angeführt von den Giant Sand-Mitgliedern Brian Lopez und Gabriel Sullivan (beide Gesang und Gitarre). Auf den Alben ist mir der Sound der Rockband mit starken Latin-Einflüssen arg zu metallisch. Dennoch eine Band mit Kultcharakter. Der trockene Gesang, die düstere Stimmung, die Melodien, die sofort ins Ohr gehen. Der Live-Auftritt wird sicher spannend.
Mittwoch, 26. Oktober:
Okay, nun habe ich mit dem zweiten Festivaltag begonnen. Der erste ist nicht minder ungewöhnlich. Auf dem Programm stehen zwei Bands, Felin aus dem schon fast unvermeidlichen Rockland Schweden und die Band Who killed Bruce Lee: ungewöhnlicher Name, ungewöhnliche Herkunft. Der Libanon ist in Europa jedenfalls noch nicht so als Land aufgefallen, das für Rockexport steht.
Felin seien musikalisch „beeinflusst von Patti Smith, Joan Jett, Garbage oder Blondie, ihre Auftritte sind geprägt von selbstbewusster Rotzigkeit und dem Willen zum großen Pop-Wurf“, heißt es im Pressetext. Die Betonung liegt schon auf „Pop“. Schaunmermal, was da auf uns zukommt, wenn Elin Blom (Gesang, Gitarre), Erik Moberg (Gitarre, Gesang), Oskar Södermann (Bass, Gesang) und Jacki Löfmark (Schlagzeug, Backing Tracks) auf der Bühne stehen.
Nein, wer eine deutsche Rockband hört, denkt ja auch nicht gleich an eine musikalische Ehe mit dem Schuhplattler. Also sollte man bei Who Killed Bruce Lee auch keine orientalischen Pentatoniken erwarten. Who Killed Bruce Lee machen einfach guten Alternative Rock, der auch heftig mit dem Indie-Pop flirtet. Ihre CD eröffnet die Band mit „Room For Three“, ein kraftvolles Stück, das vom melodischen Keyboards getragen wird. Die 80er Jahre lassen grüßen! Rockgitarre bestimmt
„Enemy At The Line“. Auch wenn Who Killed Bruce Lee den „goldenen Zeiten“ Beiruts nachtrauern, so melancholisch ist ihr Album „Distant Rendezvous“ gar nicht, das sie in der Harmonie vorstellen wollen. Dennoch geht es hin und wieder mal trübe zu, und den Sinn fürs Dramatische haben ja Wassim Bou Malham (Gitarre, Gesang), Hassib Dergham (Keyboards, Gesang), Malek Rizkallah (Schlagzeug, Gesang) und Pascal Sarkis (Bass, Gesang) auch durchaus. Aber sie können auch beschwingt und funky sein. Tolle Band!
Freitag, 28. Oktober 2016:
Die 60er und 70er Jahre haben es den Monophonics auf jeden Fall angetan. Ihr Album „Sound Of Sinning“ könnte jedenfalls aus dieser Zeit sein. Der Beat, der leicht entrückte Sound mit der possierlich verzerrten Gitarre, die auch mal den Klaren Fender-Sound einer frühen Italo-Western-Musik annimmt, die scheppernden Drums und nicht zu letzt der Gesang!
Funkadelic, Sly and The Family Stone, The Temptations, die Beatles und Beach Boys – sie alle wachen über der Band. Und Charles Bradeley hätte sicherlich auch seine Freude an der Truppe aus San Francisco. Der Name soll natürlich an die gute alte Teenagerzeit erinnern, als sich die Platten auf dem Monoplattenteller aus Plastik drehten. Sänger und Frontmann Kelly Finnigan erklärte dem Deutschlandfunk einmal: „Wir benutzen eine Menge alter Gitarren, Bässe, Verstärker, Keyboards, Schlagzeugsets, Vibrafone. Und auch unsere ganze Technik ist aus den 1960er- und 70er-Jahren. Und ja, wir nehmen noch auf Magnetband auf. Wir haben zwar auch neue Technik und der gegenüber keine Vorurteile, wir sind aber definitiv Fans alter Ausrüstung.“ Wer also auf diesem alten Soul steht, der auf Rhythm & Soul, Blues, Gospel, Beat, Psychedelic und Rock’n’Roll aufbaut, der wird jede Menge Spaß haben.
Das Powertrio SIMO aus Nashville, Tennessee, macht zwar eine völlig andere Musik – sehr rau, sehr dreckig und erdig -, aber sie sind ebenfalls in den 70ern verwurzelt. Das verspielte Cover von „Let Love Show The Way“ könnte auf jeden Fall aus der Hippiezeit stammen. Was das Trio ausmacht, ist wohl die besondere Chemie, die zwischen Gitarrist und Sänger JD Simo, seinem langjährigen Schlagzeuger Adam Abrashoff und dem Bassisten Elad Shaprio herrscht. Wer sie live hört, merkt schnell, dass es den Dreien vor allem um die musikalische Kommunikation geht. Das ist wohl auch das Geheimnis ihres großartigen Albums. Simo verriet, dass die Stücke in einem Take aufgenommen wurden. Da wird nicht lange getüfftelt, nicht ausprobiert oder nachträglich technisch irgendwas verändert. Das macht die Musik so echt. Sie ist ein echtes Hexengebräu aus improvisiertem Jazz, bodenständigem Blues und groovendem R’nB, psychedelischem Brit-Bluesrock und warmem Southern Rock.
Samstag, 29. Oktober 2016:
The Roomsounds sehen sich selbst „musikalisch als eine moderne Variante von Tom Petty & The Heartbreakers„. Das Quartett aus Dallas, Texas, setzt auf unaufgeregten Rock mit leichten Countryeinschlägen, klassischer melodischer Rock, der sich an Big Star, den Faces, den Beatles und Rolling Stones orientiert. „Zeitlos“ solle ihre Musik sein, so Sänger/Gitarrist Ryan Michael. Rodney Hall, Chef von Muscle Shoals’ legendären Fame Studios, nennt sie „die Zukunft des Rock ‘n’ Roll”. Das aktuelle Album „Elm St.“ Ist das Ergebnis einer Band, die in einem Jahrzehnt gereift ist. Die Songs haben kommerzielle Eleganz und stellen eine Art konsistente Hommage an den klassischen Rock dar. „Baby Got die Bluest Augen“ etwa besticht nicht nur in seiner melodischen Einfachheit, es hat das Zeug für einen klassischen Americana-Hit. Besetzung: Ryan Michael (Gesang, gitarre), Sam Janik (Gitarre), Dan Malone (Schlagzeug), Red Coker (Bass).
Wo Kamchatka auftritt, brennt die Luft, schwärmt die Plattenfirma. Das stimmt auf jeden Fall. Das schwedische Trio macht Spaß. Keine Frage. Sie sind Erben der klassischen Rocktrios aus den 60er- und 70er-Jahren, stürzen sich in einen Sud von Stoner-, Hard-, Blues- und Psychedelic-Rock und lieben es, sich sehr tatkräftig instrumental auszutoben. Kamchatka zählen Led Zeppelin, Pink Floyd, Jimi Hendrix, Soundgarden und Tool zu ihren Einflussgrößen. Indes: Ihre kompakten Riffs bestehen schon mal aus Rock-Floskeln, die man schon so oder so ähnlich vielfach gehört hat. Würden sie darauf verzichten, gäbe es an dieser Band aber auch gar nichts auszusetzen.
Besetzung: Thomas Juneor Andersson (Gitarre, Gesang), Per Wiberg (Bass, Gesang), Tobias Strandvik (Schlagzeug).
Tickets gibt es im Harmonie-Shop und unter 02 28 / 61 40 42.