Nun, richtig aufregend ist die Songauswahl nicht. Aber Tony Bennett könnte meine Steuererklärung singen und würde da noch Klasse reinbringen. Kaum zu glauben, dass der Mann 92 Jahre alt ist. Er hat immer noch eine hinreißende Stimme, dieser zähflüssige Honig auf den Stimmbändern ist vielleicht nicht mehr so süß wie vor 30 Jahren, aber er ist doch unverkennbar da. Und dann im Duett mit der wunderbaren Diana Krall, die ein wenig Lauren Bacall in die Sache bringt. Coolness und Schönheit. Also, mehr Argumente als Kaufempfehlung für das Album von Tony Bennett & Diana Krall „Love Is Here To Stay“ müsste ich jetzt wirklich nicht mehr aufzählen.
Von Dylan Cem Akalin
Wer die Songs, alle von George and Ira Gershwin, hört, hat natürlich sofort Fred Astaire vor Augen, natürlich auch Frank Sinatra und Ella Fitzgerald. Aber bislang verkörperte kaum jemand diese Leichtigkeit der Lieder so sehr wie Astaire. Natürlich hat Tony Bennett auch diese Schwerelosigkeit in seiner Interpretation, aber er hat längst seinen Weg gefunden, wie er Jugendlichkeit und Abgeklärtheit in Einklang bringt. Der Mann ist ein Star!
Diana Krall bringt da mit ihrem manchmal etwas sperrigen Klavier, der gebrochenen Abfolgen eine gehörige Portion Moderne hinein, dazu ihre kühle, lässige Art zu singen. Das ist wirklich Kino vom Feinsten.
Verschmitzt und Verführerisch
Und dann diese Zwanglosigkeit, die Eleganz, Verschmitztheit und das Verführerische in der Stimme der Krall. Die beiden interpretieren die alten Klassiker mit Leichtigkeit und Behutsamkeit, die alles auch irgendwie in der Schwebe zwischen Ernst und Ironie belässt. Das macht diese absolute Vollendung der Darbietung aus. Und dann kommt natürlich noch ein Faktor hinzu, der diese Hommage ans Great American Songbook so besonders macht: Die beiden werden von dem Trio des Pianisten Bill Charlap, Sohn eines Tin Pan Alley Songwriters, gleichermaßen kenntnisreich unterstützt.
Jazzsänger aus dem goldenen Zeitalter
Mit 92 Jahren ist Tony Bennett der letzte Jazzsänger aus dem goldenen Zeitalter. Seine Karriere geht so weit zurück, dass eine Übersicht nicht auf ein Album passen würde, von klassischen Big-Band-Arrangements bis hin zu den bahnbrechenden Aufnahmen aus den 1970er Jahren mit dem Pianisten Bill Evans. Dass er immer noch ein aktiver Künstler ist, der keine Anzeichen von Altersmüdigkeit oder Kraftlosigkeit, Nachlässigkeit oder Trägheit zeigt, zeugt nicht nur von seiner unerbittlichen Arbeitsmoral, sondern auch von seiner nahezu unvergleichlichen Fähigkeit als Sänger und Interpret von Liedern. Seine Herangehensweise ist eine, die Mühelosigkeit ausdrückt, sein Gesang klingt beinahe wie eine vertrauliche Konversation, musikalisch erzeugt er dadurch ein unmittelbares intimes Hörerlebnis.
Die Sängerin und Pianistin Diana Krall hat vor 25 Jahren ihr erstes Album veröffentlicht und gehörte also eher der dritten Generation an, die die Songs von Bennett und seiner Zeitgenossen verehrte. Kralls Ansatz bei der Interpretation des Great American Songbook und der Jazz-Standards war ja mehr eine zurückhaltende und respektvolle, sie hat es mit der Überarbeitung eigentlich nie übertrieben. Vielleicht war es ihr Umgang mit dieser Jazzkultur, der sie und Bennett zusammenbrachte wie einst Humphrey Bogart und Lauren Bacall – natürlich auf professioneller Ebene. Im Jahr 2000 waren die beiden mal kurz auf einer Tour, die Freundschaft besteht also schon seit ein paar Jahren, so dass „Love Is Here to Stay“ jetzt wirklich keine große Überraschung ist.
Wenn es etwas zu kritisieren gibt an dem Werk, dann, dass sie tatsächlich eine Spur zu respektvoll mit dem Gershwin-Material umgehen, selten von der ursprünglichen Melodie abweichen. Auch wenn sie, wie etwa bei „S Wonderful“ die Zuhörer gleich in den Bann ziehen, sie entführen in eine von Kerzenlicht beschienene Club-Atmosphäre. Vor allem aber hätten sie ruhig mal mit Phrasen harmonisieren können, statt durchgehend Unisono-Linien zu singen.
Kleiner Nervenkitzel
Ein klarer Höhepunkt ist die fantasievolle Überarbeitung von „I Got Rhythm“, bei der die Melodie um ein sanft flatterndes Snare-Pattern rast, das mit dem Beat spielt, statt das rhythmisch Gefällige zu bedienen. Auf dem Stück beweist das Charlap-Trio seine spielerische Stärke. Auch ihre Präsentation von „Fascinating Rhythm“ ist ein kleiner Nervenkitzel. Das Reizende daran ist außerdem, dass es Bennetts Debut-Single im Jahr 1949 war. Und während dieser fast 70 Jahren, die die Aufnahmen trennen, hat Bennett absolut nichts von seinem Hang zum Unterhalter und seinen Qualitäten als Sänger verloren. Wahnsinn.