„Geiler Scheiß!“ Der Ausruf aus dem Publikum kommt voller Überzeugung, genauso die verwunderte Frage: „Wo kommt Ihr denn her?“ Die Berliner Band Coogans Bluff hatte wohl keiner so richtig auf dem Plan. Die Rockpalast-Redaktion hat aber ein goldenes Händchen bewiesen, diese Truppe zum Crossroads Festival 2018 in die Harmonie Bonn zu holen. Das Konzert wandert sicherlich in die Akte der Höhepunkte der Konzertreihe.
Von Dylan Cem Akalin
Zu einem guten Konzert gehört auch eine gute Dramaturgie. Coogans Bluff hat das drauf! Ich würde mich jedenfalls wundern, wenn sich die fünf nicht genau Gedanken über die Songfolge gemacht hätten. Der Opener „Flying To The Stars“ startet wie ein Mittelteil eines rockigen Miles-Davis-Stücks auf Speed. Ein Sprengsatz aus der Dunkelheit der Bühne. Die Atmosphäre des Songs verändert sich aber im Verlauf immer wieder wie bei einer gemächlichen Bahnfahrt durch Disneyworld. Aus der Wildheit des Stücks schält sich ein vom Bass vorgegebenes Grundthema, eine sanft gesungene Liedzeile, ein tiefes Saxofon, ein Anfachen in hypnotische Sphären, ein Kippen in die 60er Jahre Krautrockwelt – inklusive des Einsatzes einer Philips Philicorda, eine der erfolgreichsten Heimorgeln in den 60er Jahren, was sicher auch der Nussbaumoptik geschuldet war. Der Sound passt irgendwie in das Zelt eines
Wie frischgehauener Fels
Bevor man ins Grübeln gerät, reißt ein mit dem Fuzz-Pedal ordentlich verzerrter Bass einen klanglichen Riss in die finster gehaltene Bühne. Das an die von Soul durchzogene Psychedelic-Szene der 60er Jahre erinnernde Stück („Back To The One“) wird auch getragen vom bluesigen Gesang von Clemens Marasus (Gesang und Bass).
Marasus ist einer der Dreh- und Angelpunkte des Quintetts. Sein Bass klingt oft so roh wie frischgehauener Fels. Ungehobelt, präsent, unerschütterlich. Und sein Gesang ist einfach stark und wandelsfähig, erinnert manchmal an Captain Beefheart („No Room In High Class – N.R.I.H.C.“), dem die Band ja auch ein Stück gewidmet hat, das sie an diesem Abend auch spielt – eine Komposition wie eine Collage. Überhaupt arbeitet die Band mit einer modernen Kompositionsform, die man eigentlich nur aus der Electronic oder Hip-Hop-Szene kennt, nur dass sie ihre Stücke nicht am Computer zusammensetzen. Die Grundfarben, die sie zu ihrer eigenen Musik mischen, bleiben an vielen Stellen erkennbar, lassen Assoziationen zu.
Klingt nach Quantenphysik
Das Faszinierende dabei ist, dass sie es auf solch intelligente Weise machen, dass dennoch nichts vom Ursprung übrig bleibt als eine ferne Erinnerung. Klingt nach Quantenphysik. Ist aber genauso verwirrend wie faszinierend. Da fließen Ströme gleichzeitig in verschiedene Richtungen, so dass es weniger Referenz ist, als vielmehr persönliche Erinnerungskultur, was man da hört. Ob frühe Pink Floyd, Kraan, King Crimson, ganz frühe Genesis –vor allem das geniale „No Need (To Hurry Up)“ –, Softmachine, Captain Beefheart, Nirvana und Foo Fighters („Too Late“), Tortoise, Grobschnitt, The Lounge Lizards, Naked City – Marasus, Willi Paschen (Gitarre), Charlie Paschen (Drums), Stefan Meinking (Posaune und Keyboards) sowie Max Thum (Saxofon) haben eine eigene Kunstform geschaffen, die eindringlich, voller Emotion und Energie ist.
Wenn Marasus der Fels in der Brandung ist, dann ist Charlie Paschen die Brandung, der Mann für die gewaltigen wie kleinen Wellen, die für ordentlichen Fahrtwind oder eben für ruhigen Fluss sorgen. Für Gischt und Wirbel, für Drehungen und Wendungen sind Gitarre, Posaune und Saxofon ausschlaggebend, auch für Farben und Schattierungen.
Wilde Ausbrüche, gefühlsbetonte Soli
Und zur Dramaturgie ihrer Songs und des Ablaufs dieses abenteuerlichen Abends gehört das nach und nach Öffnen der kleinen musikalischen Geschenkpakete. Da sind wilde Ausbrüche, gefühlsbetonte Soli, darunter das wunderschöne Posaunensolo von Meinking auf „Beefheart“ oder das Gitarrensolo auf „Where No Man Has Gone Before“, expressive Gluten, selbstironische Zitate. Der Kreis des musikalischen Trips schließt sich mit einer Verbeugung vor der frühen Progrockbewegung, bei der dann auch die Orgel nochmal zum Einsatz kommt. Traumhaftes Konzert. Alles richtig gemacht!