
Jan Delay geht im Sommer auf große „Best of 25 Years“-Tour – und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Im Interview spricht er über seine Freude, dass es Christian Lindner (FDP) und Sahra Wagenknecht (BSW) nicht in den Bundestag geschafft haben, die politische Verantwortung von Künstlern und warum Funk und Tanzmusik gerade jetzt so wichtig sind.
Von Dylan C. Akalin
Zwei Tage nach der Bundestagswahl muss ich kurz noch mal ein bisschen politisch werden. Was sagst du denn zu dem Wahlergebnis?
Jan Delay: Ich sage: Endlich ist Christian weg. Man muss aus der Wahl ja auch irgendwie etwas Positives rausziehen.
Der „Spiegel“ hat ja gestern geschrieben, es gebe eine gute Nachricht aus der Bundestagswahl: Dass Christian Lindner weg sei.
Jan Delay: Das habe ich auch gelesen und gedacht: Ja, genauso sehe ich das auch. Aber es gibt noch eine zweite gute Nachricht: dass Sahra auch gescheitert ist. Ich sage das auch gar nicht mit Häme, für mich haben die beiden auf jeden Fall fast genauso viel Scheiße mit der Demokratie gebaut und waren in dem, was sie getan und gesagt haben, genauso eine Gefahr für die Demokratie wie die AfD.
„Ah, geil, Christian ist weg!“
Hat man denn da überhaupt noch Lust auf fröhlichen Funk und Tanzmusik? Oder ist da nicht eher Blues angesagt?
Jan Delay: Nee, genau gerade! Genau deshalb macht man es, damit man was hat, in das man fliehen kann und wo man sich die Laune wieder herholen kann und wo man sich die Energie wieder herholen kann… Dann auf die Bühne zu gehen und zu spielen und zu tanzen, ist genauso, wie man mit dem Wahlergebnis umgehen kann und sagt: Ah, geil, Christian ist weg!
Wie wichtig findest du es, dass sich Künstler innen politisch äußern oder gar engagieren?
Jan Delay: Also ich finde es toll, wenn sie es tun. Aber niemand muss, es ist keine Grundvoraussetzung für Künstler. Ich habe das Glück, dass ich mit tollen Bands groß geworden bin. In dem Alter, in dem man sich für Bands interessiert, also mit 12, 13, 14, 15 Jahren, bereiten dich Bands vielleicht auf das Leben vor, zeigen dir Identitäten und Ideologien. Die Bands, die du damals geliebt hast, die liebt man ein Leben lang. Und ich habe halt das Glück gehabt, dass das Bands und Acts waren, die sich politisch geäußert haben, die im Prinzip politische Bands waren, also Public Enemy zum Beispiel, die Beastie Boys oder N.W.A. Das waren Bands mit Haltung – damals in Zeiten von Rodney King. Diese Bands haben sowas wie meine Grundachse gebildet. Von daher ist es natürlich klar, dass man selber, wenn man Musik macht, es diesen Künstlern ähnlich tut. Ich finde es aber einen großen Fehler, daraus abzuleiten, dass jeder Künstler das machen sollte. Das wäre der Anfang vom Ende.
Wie meinst du das?
Jan Delay: Schau mal, Musik ist doch Anarchie. Da ist alles erlaubt. Es muss doch jedem gestattet sein, sich die Haare rot zu färben und halb nackt über eine Bühne zu hüpfen und zu singen wie jenem, der seine automatische Bewässerungsanlage im Garten super findet oder einfach ein Lied über Brüste zu machen. Ich sehe das so: Das muss alles gestattet sein. Auch, sich nicht politisch zu äußern. Es gibt keine Pflicht, dass sich jeder Künstler politisch äußern muss. Bei manchen wäre es vielleicht auch besser, wenn sie es nicht täten. Ich sage nur: Kanye West…
… der T-Shirts mit Hakenkreuz trägt und verkauft…
Jan Delay: Der ist doch total abgedriftet. Es gibt viele Künstler, von denen will ich gar nicht wissen, was in deren Köpfen vorgeht.
Ohne geile Geschichte und geilen Reim finden besondere Themen nicht statt
Du sprichst ja in deinen Texten oft gesellschaftliche Themen an. Wie ist das, wenn dich ein Thema besonders bewegt oder beschäftigt, denkst du da auch immer dran, daraus einen Song zu machen?
Jan Delay: Ja, ich denke deshalb dran, weil für mich immer noch die Regel besteht, dass Entertainment über alles geht. Aber wenn man nicht eine geile Geschichte oder einen guten Reim für das Thema findet, dann findet das Thema auch nicht statt. Deshalb habe ich zum Beispiel auf dem letzten Album den Song „Spaß“. Den liebe ich total, weil es eine geile Herangehensweise ist, die ich gefunden habe, um diese Angst und dieses Thema Rechtsruck anzugehen. Und trotzdem ist es ein dankbarer Song, der unterhaltsam ist. So gehe ich da ran. Wenn da nichts die Ecke kommt, was das Entertainment erzählen kann, dann bleibt das Thema auch weg, egal, wie wichtig mir das ist.
Auf dem „Best of-Album“ sind zwei sind auch zwei neue Tracks drauf. Was sind das für Songs?
Jan Delay: Als es klar war, dass ich ein Best-of-Album mache, war mir auch klar, dass da zwei neue Songs drauf gehören. Und ich wollte unbedingt eine Coverversion machen, weil Jan Delay ja auch mit Coverversionen angefangen hat. Ich liebe diesen Refrain von „Siehst du das genau so?“ von den Sportfreunden Stiller. Ich habe daraus aber eine geile, schnelle Ska-Nummer gemacht, also das Gegenteil von dem, was der Song eigentlich ist, der ist ja fast eine Ballade im Original.
Und der andere Song?
Jan Delay: Da wollte ich was motivierendes machen. Ich glaube daran, dass Musik auch ganz gut motivieren kann.
Die Tour im Sommer heißt ja auch „Best of 25 Years“. Wie hast du die Songauswahl für das Album getroffen und was können die Leute auf den Konzerten erwarten?
Jan Delay: Also für das Album war das relativ easy. Gott sei Dank musste ich da gar nicht groß rum denken und Songs von einer Liste streichen. Mir ist ja Vinyl immer noch sehr wichtig. Deshalb war ich mit den Songs etwas limitiert. Bei einer Doppel-Vinyl habe ich Platz für 55 bis 60 Minuten Musik. Dann habe ich einfach erstmal alle Singles genommen, die ich rausgebracht habe und noch ein oder zwei Songs, die ich unbedingt noch da drauf wollte. Bei der Tour wäre das ja völlig langweilig und öde, wenn ich jetzt einfach nur das Best-of-Album runterspielen würde. Die Leute können sich einfach drauf verlassen, dass wir da ankommen und einfach alles in Brand setzen, weil wir natürlich nicht nur die geilen Songs haben, sondern wir haben auch noch als Band 20 Jahre Erfahrung und wissen genau, was funktioniert und was nicht. Aber wir werden an der Setlist die ganze Zeit schleifen und nehmen das noch raus und machen das rein… Man kann sich jedenfalls sicher sein, dass das einfach ein geiler, schneller Abend wird – voller Schweiß und Glück und Euphorie, und man am nächsten Tag krassen Muskelkater hat und heiser ist.
Den KunstRasen Bonn kennst du ja mittlerweile…
Jan Delay: Wir haben da ja sogar während Coronazeit zwei Tage gespielt. Also wird es mein fünfter Gig dort sein.
Was hast du für besondere Erinnerungen an Bonn?
Jan Delay: Ich mag einfach diese Location am Rhein super gerne. Ich war auch viel in der Stadt. Und dann sind wir ja immer in diesem geilen, komischen, eigentlich total hässlichen Hotel Kameha. Aber ich liebe dieses komische pseudo moderne Messehotel direkt am Rheinufer – trotz dieser grellen Aufmachung, dass du denkst, wenn du da reinkommst, du kriegst Augenkrebs. (lacht)
Die besonderen Momente in 25 Jahren Jan Delay
Wenn du auf die letzten 25 Jahre zurückblickst, welche Momente sind dir da besonders in Erinnerung geblieben?
Jan Delay: Mhm. Das sind natürlich die ganz großen Momente, die am meisten kleben bleiben, diese Sachen, auf die du hinarbeitest. Zum Beispiel das erste Mal in Hamburg in der Barclays Arena spielen, das erste Mal auf der Trabrennbahn spielen. Oder der Auftritt beim Eurovision Song Contest 2011 in Düsseldorf. Oder letztes Jahr die Show hier auf der Trabrennbahn wieder, die doppelt so groß war wie das Mal davor,
Was ist mit Künstlern, mit denen du ja auch immer wieder zusammengearbeitet hast. Gibt es da welche, die dich besonders geprägt haben?
Jan Delay: Ich komme ja vom Hip-Hop und da ist es eher so, dass man sowieso mit allen, die man mag und mit denen man abhängt, zusammen Musik macht, sich gegenseitig gefeaturt. Wenn du meinst, was schon immer mein Traum gewesen wäre… Dr. Dre! Das ist leider nie passiert. Ansonsten habe ich mit allen, mit denen ich gerne was gemacht hätte, auch was gemacht. Besonders war natürlich das erste Mal mit Udo [Lindenberg] aufzunehmen. Ehrlich gesagt war das so ein Dr. Dre- Moment, weil wir uns da auch noch nicht so gut kannten. Das war wirklich besonders für mich.
Gibt es denn so einen Song, auf den du besonders stolz bist?
Jan Delay: Nee, das wäre ja so, wie wenn du Papa fragst: Gibt es ein Kind, auf das du besonders stolz bist?
Gibt es denn etwas, was dir peinlich ist oder…
Jan Delay: Ja, alle, alle Sachen auf „Bambule“ [mit Absolute Beginner). Also die Beats liebe ich, aber die Raps find ich fast durch die Bank alle schrecklich! Die kannst du dir nicht mehr anhören!
Warum?
Jan Delay: Weil ich da einfach noch kein Gespür hatte für Flow und dafür, die Stimme nicht so anstrengend klingen zu lassen. Da war ich einfach noch nicht reflektiert und erfahren genug. Okay: Ich war 15, 16, 17.
Deine Karriere zeichnet sich durch zahlreiche Genrewechsel aus, von Hip-Hop über Reggae bis Funk. Was treibt dich an, ständig neue musikalische Wege zu erkunden? Gibt es da noch etwas, wo du sagst: Ich will noch ein bisschen mehr in diese Richtung gehen?
Jan Delay: Es gibt immer wieder Dinge, die ich ganz neu entdeckt habe und ich denke, das könnte man auch mal ausprobieren. Aber das sind keine Ideen, die ich mir krass vornehme. Es ist eher so, dass es einfach passiert, dass ich etwas ausprobiere und wenn es hinhaut, dann wird man es hören. Ich bin so weg von diesem Gedanken, als nächstes muss man das und das machen und dann wird es das nächste große Ding.
Warum?
Jan Delay: Weil ich gemerkt habe, dass man sich da auch ganz schön ins Korsett zwingt.
Gibt es zurzeit etwas in der Musikszene, das dich überrascht oder neu begeistert?
Jan Delay: Was mich begeistert und überrascht, ist, dass es Hip-Hop schafft, seit 50 Jahren auf der ganzen Welt immer noch die aktuellste und meistgehörte popkulturelle Musik zu sein. Weißt du, du kannst einen 18-Jährigen heute in Afghanistan fragen, was der hört. Und er sagt: Hip-Hop.