Schwer zu sagen, was das für eine Musik ist. Der Opener „Biography“ von Bukahara hat was von einem Charleston-durchtränkten Folk Barber Style. Und „Eyes wide shut“ kommt als schräge Blues-Klezmer-Gipsy-Nummer daher. Die vier Kölner sagen, ihre Musik läge „irgendwo zwischen Gipsy, Reggae und Balkan Sound“, sei eine Mischung aus Psychedelic-Swing, Folk, Reggae und Arabic-Balkan. Wie auch immer. Es ist Musik, die tierisch Spaß macht – und ganz schön schweißtreibend ist. 1400 Fans feiern die ungewöhnliche Band im Brückenforum Bonn.
Von Dylan Cem Akalin
Guido. Mehr muss man nicht sagen. Wer da war, weiß, Guido ist der Mann des Abends. Sensationell. Als die Violin-Saite reißt und die Band einen Moment überbrücken muss und eher aus Spaß fragt, ob einer die Lyrics zu Moop Mamas „Liebe“ kennt, meldet sich der junge Mann aus der ersten Reihe, wird auf die Bühne gebeten – und zieht sagenhaft ab. Das Publikum rastet aus. Guido-Guido-Guido-Rufe ebben kaum ab. Auch später, als die Original Moop Mama auf der Bühne stehen, will die Menge Guido sehen. Das irritiert die Münchner zunächst…
Zurück zu Bukahara. Was ist es, was diese Band so besonders macht? In der Kölner Philharmonie haben sie unlängst vor ausverkauftem Haus gespielt. Die Band kommt sagenhaft an. Soufian Zoghlami (Leadgesang, Gitarre, Schlagzeug), Ahmed Eid (Bass, Percussion), Daniel Avi Schneider (Geige, Mandoline) und Max von Einem (Posaune, Sousaphon, Schlagzeug) kennen sich vom Musikstudium, haben als Straßenmusiker gespielt. Da lernt man so einiges. Vor allem, richtig Stimmung zu machen. Sie müssen sich anstrengen, damit die Passanten stehenbleiben. Zum Konzept gehört, dass die vier Multiinstrumentalisten auch mal die Instrumente tauschen. Die Songs haben trotz dieser tanzbaren Fröhlichkeit dennoch etwas Melancholisches. Das ist sicherlich dieser arabisch-jüdische Einfluss, die Balkanschwere, die stets durchschwingt. Soufian Zoghlami hat eine beachtenswerte rauchige Stimme, sieht aus wie der junge Ricky Shayne, singt aber besser.
„Eyes Wide Shut“
Die Songs sind raffiniert arrangiert. „Eyes Wide Shut“ zum Beispiel beginnt mit ein paar ungehobelten Riffs, dazu nur die Vokalstimme, auf der Geige werden ein paar Arpeggios gezupft. Und plötzlich nimmt das Stück eine neue Wende an. Percussion, Geige und Kontrabass setzen ein und treiben den Sänger mit einem stampfenden Beat an. Das Tempo nimmt immer mehr an Fahrt auf, so wie es häufig in den Stücken dieser Band vorkommt, der Song reizt das Publikum immer mehr zum Tanzen an, zum Mitsingen.
Hymnisch geht es ebenfalls häufig zu. Die Musik ist wie fürs Liveerlebnis geschrieben. Rauchige Rhythmen, orientalische Grooves, eingängige Melodieführungen. Solch ein Song wie „Bint el Shalabiya“ könnte auch von Tarkan sein oder eher noch von Baba Zula. „Vogel“ wiederum ist ein deutscher Reggae, „No!“ beginnt als Ballade von geradezu unschuldiger Schönheit und mündet in eine kämpferische Hymne mit der schönen Zeile: „They screamed their dreams into the night/and I thought we would never have to fight/And every colour was held against the tainted grey/’cause we all came to stay.“
Eigenständiges organisches Wesen
Vielleicht ist das auch sowas, was zum Wohlgefühl der Fans beiträgt. Man ist sich über einen Grundkonsens einig. Mag sei, dass es ein Zustand ist, der unter jungen Leuten längst selbstverständlich geworden ist. Gemeinsamkeit ist etwas, das keine Farbe kennt, keine Grenzen, keine Nationalität. Kultur ist ein eigenständiges organisches Wesen und hat sich längst verselbständigt, verbindet sich zu etwas Neuem, etwas Autarkem. Da haben Genregrenzen eh keinen Platz.
Und die Lieder des Quartetts haben auch noch so poetische Texte. „Septennial“ ist solch ein Singer/Songwriter-Werk mit wunderschönen Lyrics, in denen es sinngemäß heißt „Ich warte darauf, dass die Augen gesehen werden/und Farben, um blind zu werden/Aber sobald die Zeit kommt zu gehen/Ich werde es für dich erleben“.
Bukahara feiern Hochzeit, Abschied, Freude und Trauer gleichzeitig. Anderthalb Stunden Schweiß, Glücksgefühl, Jubel. Zur Zugabe gibt es eine tiefgreifende Version von „My Name“. Es geht um loslassen, darum, sich selbst für einen anderen aufzugeben. Was für ein Konzertende!