Bruce Springsteen in Frankfurt: Ein politischer Rock-Gipfel mit Herz, Haltung, Rebellion und Rührung

Bruce Springsteen 2025 in Frankfurt Foto: Dylan Akalin

Er kämpft mit Musik und Haltung: Bruce Springsteen verwandelt den Deutsche Bank Park in Frankfurt in eine emotionale Protestbühne. Zwischen politischen Appellen, persönlichen Erinnerungen und musikalischer Wucht zeigt „The Boss“, warum Rock mehr ist als Entertainment – und „The River“ mehr als ein Song.

Von Dylan C. Akalin

Da kommen mir doch plötzlich die Tränen. Gänsehautmomente hat es schon viele gegeben an diesem Mittwochabend im Deutsche Bank Park in Frankfurt. Aber als Bruce Springsteen „The River“ anstimmt, mit Inbrunst und einer klaren Authentizität, die ihn doch so ausmacht, begleitet von Little Steven an einer schwarzen Akustikgitarre, da verschleiert sich jäh der Blick auf die Bühne.

Bruce Springsteen 2025 in Frankfurt Foto: Dylan Akalin

„The River“ ist nicht nur einer der eindrucksvollsten Songs von Bruce Springsteen, ein melancholisches, fast filmisches Porträt vom Platzen des amerikanischen Traums. Es ist auch der Titelsong seines Albums von 1980, mit dem meine Zuneigung zu diesem Künstler begann, angeregt von einer lieben Freundin, bei der die Platte damals praktisch einen Dauerplatz auf dem Plattenspieler hatte.

„The River“

Natürlich, da kommen Erinnerungen auf, an die eigene Vergangenheit, an die Jahre, in denen dieser Mann dich mit seinen Songs stets treu begleitet hat. Klar, „The Boss“ ist in die Jahre gekommen, wie viele von uns ergraut. Immerhin 75. Aber immer noch brennt in ihm dieses ungewöhnliche Feuer, das ihn irgendwie immer angetrieben hat. Wir haben viel davon erfahren in seiner wunderbaren Autobiographie. Auch daran, an viele Szenen aus dem Buch muss ich denken während dieses grandiosen Konzerts.

Uns wie aktuell die Songs immer noch sind. „The River“: In einfachen, aber tiefgreifenden Bildern erzählt Springsteen die Geschichte eines jungen Paars, das früh heiratet, weil die Frau schwanger wird. Die Hoffnungen auf ein besseres Leben verblassen in der harten Realität von Arbeitslosigkeit, Entfremdung und verpassten Chancen. Das Arrangement ist sparsam, getragen von Mundharmonika und Gitarre, aber der Song entfaltet eine stille Wucht. „The River“ ist kein Protestlied im klassischen Sinn, aber ein merkwürdig ruhiger Aufschrei gegen soziale Kälte und Perspektivlosigkeit, die viele Arbeiterfamilien damals in den USA erlebten – heute sicherlich auch wieder.

Meisterwerk des sozialrealistischen Songwritings

Springsteen gelingt in vielen seiner Songs das Kunststück, das Persönliche mit dem Politischen zu verbinden: Die Geschichte seiner Figuren sind zugleich ein Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse. „The River“ ist für mich ein Meisterwerk des sozialrealistischen Songwritings, vor allem, weil es eine tief empfundene Verbundenheit mit dem einfachen Leben, das die meisten Menschen doch führen, ausdrückt. Wenn dieser Mann sich nun heute mit all seiner Popularität gegen die politischen Verhältnisse in seiner Heimat stemmt, dann muss man einfach hinhören.

Bruce Springsteen 2025 in Frankfurt Foto: Dylan Akalin

Und er kann es offenbar kaum abwarten, auf die Bühne zu kommen. Bruce Springsteen betritt um 19.27 Uhr die Bühne und startet vor knapp 45.000 Fans mit „No Surrender“ und „Land of Hope and Dreams“, vielleicht eine Art Antwort auf Bob Dylans „Chimes of Freedom“, mit dem er den Abend fast drei Stunden später beenden wird.

Die US-Fahne weht über der Bühne

Hoch oben über der gigantischen Bühne weht die US-Fahne rechts, links die deutsche. „Meine Heimat, das Amerika, über das ich so lange geschrieben habe, das für 250 Jahre ein Leuchtfeuer der Hoffnung und Freiheit war, ist in der Hand einer korrupten, inkompetenten und verräterischen Regierung“, sagt er, und das Publikum tobt. „Heute bitten wir alle, die an Demokratie und das Beste unserer amerikanischen Erfahrung glauben: Steht mit uns auf, erhebt eure Stimmen gegen Autoritarismus und lasst Freiheit regieren.“ Es ist schön diesen Moment mit so vielen teilen zu können, die anscheinend ähnlich denken. Leider, denke ist, bleibt sein Appell an die Menschlichkeit, an die Demokratie, an Zivilcourage wohl überall dort ungehört, wo er eigentlich hingehört. Auch in unserem Land.

Für Bruce Springsteen ist es offenbar nicht einfach nur eine Show, sondern ein leidenschaftliches Bekenntnis zu Freiheit, Hoffnung und Widerstand. Die rund 44.500 Fans feiern jeden Akkord, jede Geste – und jeden Satz. Immer wieder skandieren sie „Bruce, Bruce, Bruce…“

Klassiker auf der Setlist

Die Setlist indes überzeugt mich nicht durchgängig. Dennoch: Klassiker wie „Born in the U.S.A.“, „Dancing in the Dark“, „Born to Run“ oder „Bobby Jean“ reihen sich ein neben nachdenklichen Momenten wie „Atlantic City“ oder dem Tour-Debüt von „Trapped“. Mit „My Love Will Not Let You Down“ setzt Springsteen ein Zeichen für Loyalität und Zusammenhalt – musikalisch und gesellschaftlich.

Die E Street Band spielt wie aus einem Guss. Jeder Ton sitzt, jede Bewegung ist voller Energie, voller Geschichte. Und Nils Lofgren, ganz in Schwarz mit schwarzem Hut mit breiter Krempe, beweist mehrmals, dass er’s immer noch drauf hat, besonders bei „Youngstown“, „Because The Night“ oder „Dancing In The Dark“. Bei „Tenth Avenue Freeze-Out“ erscheinen verstorbene Bandmitglieder auf der Leinwand – ein ergreifender Moment, der die Vergangenheit noch einmal lebendig macht.

„House Of A Thousend Guitars“

Immer wieder unterbricht Springsteen das Set für persönliche Worte. „In Amerika finden die reichsten Männer Gefallen daran, die ärmsten Kinder der Welt Krankheit und Tod auszuliefern. Sie machen historische Bürgerrechtsgesetze rückgängig. Sie deportieren Menschen ohne rechtsstaatliche Verfahren“, sagt er bevor er „House Of A Thousend Guitars“ anstimmt. „Ein krimineller Clown sitzt auf einem Thron.“ Dabei gibt es, wie bei einigen Songs, deutsche Untertitel, damit auch jeder seine Botschaften versteht. In

Wie ein Arbeiterführer in Hells Kitchen

Springsteen trägt Tweedweste und Krawatte und sieht aus wie ein Arbeiterführer in den 1940er Jahren in Hells Kitchen. Der Mann sprüht eine unglaubliche Energie aus. Erst kurz nach 22 Uhr zieht er in dieser heißen Nacht die Weste aus. Er ist am Ende klatschnass geschwitzt. Aber er gibt auch Hoffnung, mit seiner Musik und einem Zitat des amerikanischen Schriftstellers James Baldwin, der einmal sagte: „In dieser Welt gibt es nicht so viel Menschlichkeit, wie man sich wünschen würde, aber es gibt genug.“ Und dann kommt Patti Smiths „Because The Night“. Gänsehaut!

Die letzten Songs des Abends – „Thunder Road“, „Chimes of Freedom“ – lassen den Abend intensiv ausklingen. Es gibt keine Feuerwerke, keine Showeffekte, keine Lasershow  – nur Worte, Musik, Haltung. Rock halt.

Bruce Springsteen macht klar: Rock ist nicht nur Musik, sondern eine Verantwortung. Der Mann singt, spricht, kämpft – für seine Überzeugungen und seine Musik. Ein Abend voller Energie, Tiefe und Herz – ein Rock-Gottesdienst im besten Sinne.

Bruce Springsteen 2025 in Frankfurt Foto: Dylan Akalin

Setlist Bruce Springsteen 2025 Frankfurt

No Surrender
Land of Hope and Dreams
Death to My Hometown
Lonesome Day
My Love Will Not Let You Down
Rainmaker
Atlantic City
Trapped (Jimmy Cliff cover) (Tour debut)
The Promised Land
Hungry Heart
The River
Youngstown
Murder Incorporated
Long Walk Home
House of a Thousand Guitars
My City of Ruins
Because the Night (Patti Smith cover)
Wrecking Ball
The Rising
Badlands
Thunder Road

Encore: Born in the U.S.A.
Born to Run
Bobby Jean
Dancing in the Dark
Tenth Avenue Freeze-Out
Twist and Shout (The Top Notes cover)
Chimes of Freedom (Bob Dylan cover)

Bruce Springsteen 2025 in Frankfurt Foto: Dylan Akalin
Bruce Springsteen 2025 in Frankfurt Foto: Dylan Akalin
Little Steven: Bruce Springsteen 2025 in Frankfurt Foto: Dylan Akalin
Bruce Springsteen 2025 in Frankfurt Foto: Dylan Akalin
Bruce Springsteen 2025 in Frankfurt Foto: Dylan Akalin
Bruce Springsteen 2025 in Frankfurt Foto: Dylan Akalin
Bruce Springsteen 2025 in Frankfurt Foto: Dylan Akalin
Bruce Springsteen 2025 in Frankfurt Foto: Dylan Akalin
Bruce Springsteen 2025 in Frankfurt Foto: Dylan Akalin
Bruce Springsteen 2025 in Frankfurt Foto: Dylan Akalin
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