Mein derzeitiger Lieblingssong kommt als letzte Zugabe: „Love Sick“. Bob Dylan sieht schick aus in seinem hellen Anzug und dem breitkrempigen Hut. Er sieht aus wie ein Gentleman, der frisch von seiner Südstaaten-Plantage angereist ist. 3500 Fans feiern mit Bob Dylan in der Mitsubishi Electric Hall in Düsseldorf wieder eine sehr private Dylan-Party.
„Ein besorgter Mann mit einem besorgten Geist“, fängt der 74-Jährige an zu singen. Die erste Zeile von „Things Have Changed“ kommt rau, geschnarrt, aber er hat sie immer noch drauf, die kunstvollen Phrasierungen. Für den Titellied des Films „Die Wonder Boys“ bekam Dylan 2001 den Oscar. Die goldene Statue steht rechts auf der Bühne auf einem Lautsprecher. Bei anderen steht er zu Hause auf dem Kaminsims, bei Dylan eben auf der Bühne. Die Bühne ist längst sein Heim. Seit 1988 befindet er sich auf der Never ending Tour. Und die Zeilen klingen wie ein Bekenntnis, wie die trockenen Betrachtungen eines mit allem abgeschlossenen Mannes: „People are crazy and times are strange/I’m locked in tight, I’m out of range/ I used to care, but things have changed…“ Und interessanterweise erkennt man den Song auch auf Anhieb. Das war und ist nicht immer so.
2012 wirkte er auf dem Kunst!Rasen Bonn schon so glücklich, so seltsam aufgeräumt, vielleicht sogar ein wenig verliebt. Auch an diesem Abend scheint es, als sei er versöhnt mit sich und der Welt. Anfang des Jahres veröffentlichte er das Album „Shadows in the Night“, alles Songs, die einst mal von Frank Sinatra aufgenommen wurden.
Dylan singt Standards „What I’ll Do“, „Autumn Leaves“, „I’m A Fool To Want You“ und „Melancholy Mood“, eine Hommage an Frank Sinatra, den er früher so gern gehört hat und dem er sein aktuelles Album „Shadows In The Night“ widmete. Es liegt viel Huldigung in den Interpretationen, und die fünfköpfige Band begleitet ihn mit Würde und Wärme. Die Bühne ist schlicht gestaltet, der Saal ist stockfinster.
Dylan ist heute irgendwie anders. Hat er mit warmem Honigwasser gegurgelt? Er klingt so sanft, ja geradezu schmachtend. Die sonst dominierende Geige hat jetzt eine Pedal-Steel-Gitarre übernommen, und Songs wie „What’ll I Do“, „Melancholy Mood“, „I’m a Fool to Want You“ oder „The Night We Called It a Day“ scheinen wie mit einem Country-Zuckerguss versehen.
Bei „She Belongs to Me“ oder „Scarlet Town“ zeigt Dylan sich dann doch noch von seiner herberen Seite. Und „Blowin‘ in the Wind“ kommt auch noch — mit Dylan am Flügel. Keine Wünsche offen!