„Crosswinds“ ist Billy Cobhams zweites Soloprojekt. 1974 erschien der Longplayer mit einer unsterblichen Besetzung, unter anderem mit George Duke an den Keyboards, Randy und Michael Brecker als Hornsection und John Abercrombie an der Gitarre. Cobham, der im Mai 75 wird, hat seine Kompositionen schon in unterschiedlichen Besetzungen und Neuarrangements präsentiert. Das wunderbare Album steht „zum 50.000. Geburtstag“, wie Cobham scherzhaft bemerkt, im Mittelpunkt seiner Tour, auf der er Station in der Kantine Köln machte. So stark hat man den Drummer und Komponisten schon lange nicht mehr gesehen.
Von Michiel H. Claan
Der Opener ist zugleich der Titelsong aus dem Album. „Crosswinds“ klingt eine leichte Spur schleppender. Dass Paul Hanson am Fagott ein Solo spielt, das klingt als käme es von George Duke, ist die erste Überraschung des Abends.
Überhaupt: Da hat sich Billy Cobham wieder mal eine starke Band zusammengestellt. Paul Hanson (Fagott, Sopran Sax) ist ein vielseitiger und experimentierfreudiger Holzbläser, der schon mit unterschiedlichen Künstlern zusammengespielt hat: etwa mit Bela Fleck and the Flecktones, Wayne Shorter, Ray Charles, Patrice Rushen, Dennis Chambers, Abraham Laboriel oder dem schwedischen Progrock- und Fusion-Bassisten Jonas Hellborg. Mit einer Batterie von Effektgeräten auf dem Boden schöpft er aus seinem Fagott immer wieder völlig neue Sounds.
Toller Gitarrist: Fareed Haque
Fareed Haque ist ein Gitarrist, der sowohl in der Klassik als auch im Jazz zu Hause ist und wurde 2009 als bester „WorldMusic-Guitarist“ ausgezeichnet. Er spielte unter anderem mit Ron Carter, Tony Williams, Dizzy Gillespie, Paquito D’Rivera, Dave Holland, Sting und Cassandra Wilson. Sein Stil liegt an diesem Abend zwischen John McLaughlin und Phillipe Catherine, manchmal sogar Carlos Santana. Die Technik von Fareed ist tadellos. Er bewegt sich mühelos zwischen verschiedenen Stilen und technischen Ansätzen.
Bassist Tim Landers ist in der Fusionszene ein alter Bekannter. Auf seinem fünfsaitigen Bass sorgt er für richtig fette Sounds. Scott Tibbs an den Keyboards ist eine interessante Persönlichkeit. Der Mann aus L.A. hat einen Doktor in Komposition und wirkt oft im Hintergrund. Für Bruce Springsteen oder Beyoncé hat er schon mal die Orchestrierung übernommen, er arbeitete mit Phil Woods, Bette Midler oder Omar Hakim zusammen. An den Keys ist er ein echter Tausendsassa.
An Fagott und Sax: Paul Hanson
Die Arbeit der Bläser auf „The Pleasant Pheasant“ übernimmt Hanson mit Sopransaxofon und elektronischer Unterstützung mühelos, Haque spielt eine Gitarre mit äußerst trockenem Ansatz. Im Balladenteil des Crosswind-Projects („Savannah the Serene“/“Spanish Moss“) beginnt er sein Spiel zunächst mit einem klaren, sauberen Sound und fügt erst im weiteren Verlauf leichte Distortion und mehr Hall hinzu, was dem Spiel eine ungewöhnliche Dynamik verleiht. Hanson klingt mit seinem Fagott wie eine Posaune, die Cobham streichelt die Felle der Trommel mit den Sticks. Nach einem Break und einer Bridge, die vom E-Piano kommt, übernimmt Haque wieder das Zepter mit seiner Gitarre. Sein ganz leicht mit Flamencoanteilen gesprenkeltes Spiel klingt, als hätte er fette Klaviersaiten aufgezogen.
Scott Tibbs zaubert so manche Sounds
Klänge wie Walgesänge presst Tibbs aus seiner Roland-Anlage heraus. Fette Moog-ähnliche Sounds zerlaufen im elektronischen Nirwana, bevor die ersten E-Piano-Akkorde erklingen, der Bass setzt ein und bald schält sich das bekannte Thema von „Heather“ heraus. Wie würde die Band das damals sagenhafte Tenorsolo von Michael Brecker umsetzen? Das Thema beginnen Fagott und Keys zunächst gemeinsam, die Keyboards spielen sich kurz in den Vordergrund, das Fagott spielt mit Echo und Hall dazwischen. Nach einem kurzen Gitarrensolo spielt das Fagott, wie ein Tenor klingend, das Hauptthema, und das E-Piano beendet das Spiel wie zu Beginn. Eine erstklassige Interpretation.
Ein fulminantes Ende gab es zu „Stratus“, das mit einem rollenden Bass startete. „Under The Baobab Tree“ beginnt Fareed Haque mit einem eindrucksvollen Solo an der Akustikgitarre, das mich stellenweise an Steve Hackett erinnerte. Insgesamt war dieses Stück vielleicht das schwächste des Abends, das in den 15 Minuten einige Längen vor allem in den langen epischen Keyboardeinsätzen hatte.
Zehnminütiges Schlagzeugsolo
Dafür wurde man dann von einem faszinierenden, zehnminütigen Schlagzeugsolo entschädigt. Cobham spielt es mit vier Sticks spielt. Das Einzigartige an Cobhams Drumstil ist ja, dass er sein Instrument fast wie eine Marimba spielt, das heißt, die Felle seiner Trommeln sind so gestimmt, dass er mühelos Melodien anspielen kann. Er spielt nicht nur Rhythmen, er spielt ryhthmische Töne.
Und auch seine Drum-Fills sind immer völlig andere Patterns. Viele Drummer starten etwa an den Trommeln links und spielen sie bis rechts durch. Cobham startet auch schon mal im Zentrum seiner Toms. Durch die besondere Anordnung der Trommeln und unterschiedlichen Stimmungen, kann er problemlos mit je zwei Sticks in jeder Hand die Trommeln bearbeiten. Hinzu kommt diese fast unmenschliche Präzision in seinem Spiel. Für seine Effekte scheint er überhaupt keine Kraft aufwenden zu müssen. Das unterscheidet Cobhams Spiel und eben auch seine Soli von anderen. Darum kann man dem Mann ewig lange zuhören, ohne dass es langweilig wird. Zum Ende von „Conundrum“ setzt die Band nochmal einen drauf und beendet mit Cobham das Stück in einem einzigartigen, sehr kunstvollen und athletischen Zusammenspiel.
Zum Ende dürfen alle nochmal ein Solo zu „Red Baron“ spielen. Nach 98 Minuten ist das Konzert zu Ende, eine Zugabe gibt es nicht mehr. Dennoch ein fantastischer Musikabend.