Jasper van‘t Hof will auf die Bühne und spielen. Noch während Moderatorin Sonja Fuhrmann und Jazzfest-Intendant Peter Materna auf der Bühne noch übers Programm reden, schlendert van’t Hof zu seinem Flügel, deutet auf seine schicken braun-weißen, neuen Schuhe und vertreibt die beiden vom Podest. Jasper Van‘t Hof ist nicht nur weithin bekannt für seine virtuose Technik auf dem Keyboard und dem Piano, der Niederländer, der im Juni seinen 75. Geburtstag feiert, gehört sicherlich zu den humorvollsten Musikern der Szene. Und seine Zwischenansagen enttäuschen auch diesmal nicht.
Von Dylan Cem Akalin
Sein Soloprogramm, das Jasper van’t Hof am Donnerstag beim Jazzfest Bonn im Volkbankhaus an der Heinemannstraße präsentierte, enttäuscht natürlich auch nicht. Er eröffnet den Abend, an dem auch die Estonian Voices auftreten. Van’t Hof ist einer der betriebsamsten Jazzmusiker in Europa, der schon mit den unterschiedlichsten Musikern zusammengearbeitet hat: Pierre Courbois, Toto Blanke, Philip Catherine, Charlie Mariano, Wolfgang Dauner, Archie Shepp, nicht zu vergessen sein Worldmusic-Jazz-Projekt Pilil Pili und viele andere.
Natürliche Neugier
Eine natürliche Neugier auf neue Sounds und die Lust, Grenzen zu sprengen, haben ihn immer wieder zu neuen Wegen getrieben und zu einem der führenden Figuren in der europäischen Jazzszene gemacht – sowohl am Flügel, dem E-Piano als auch am Synthesizer und der Kirchenorgel. Der Spieltrieb ist ihm offenbar immer noch geblieben, das bewies er auch an diesem Abend, wenn er abwechselnd oder zeitgleich sowohl die Tasten des Steinway-Flügels spielte als auch die effektvollen Sounds am Keyboard produzierte.
Van’t Hof hat einen solch reichen musikalischen Background, auch vom Elternhaus geprägt, dass er mühelos innerhalb eines Songs Stimmungen, Metren und Stile ändern kann. Er hat es ja schon immer geliebt, sich frei zwischen Bebop, Free Jazz, Groove, Jazz-Rock, Pop und Weltmusik zu bewegen. Schon in seinem Eröffnungsstück „As Well“ lässt er kammermusikalische Anklänge hören, die zeitweise frappierend an Franz Schuberts Drei Klavierstücke denken lassen, um dann in rasenden Wirbeln neuen Ufern zuzustreben und am Ende mit einer Dramatik eines Hitchcockfilms zu beschließen. Das Original, bei dem Ernie Watts mit feurigem Saxophon das Geschehen bestimmte, ist kaum wiederzuerkennen.
„Quiet American“
Aus seinem von einem Laptop aus gesteuerten Synthesizer erweckt er schräge Orchester zum Leben, lässt rhythmische Glocken über Schleifen zu seinen Piano-Arpeggios klingeln, er experimentiert mit den verschiedenen Frequenzen von Celli und Bratschen, die in immer tiefere Register eintauchen bis sie kaum noch wahrnehmbar sind. Bei „Quiet American“ etwa, das er mal nach der Lektüre eines Buches von Graham Greene schrieb, entwickelt er vom ruhigen Spiel ausgehend heftige, immer wieder aufbrandende helle Pianoläufe, während die Linke stoisch die tiefen Register bedient. Und es sind diese plötzlichen unregelmäßigen Wendungen, das Auseinanderdriften der Struktur, die wie gelegentliche Regentropfen zerfallen.
Sehr schön, dass er mit „Lazy Day“ einen Song aus seiner Zeit mit Pork Pie gewählt hat. Das von Charlie Mariano geschriebene Stück vermischt jazzige, rockige, ja auch ein paar bluesige Elemente, die kraftvolle rhythmische Impulse setzen. Es gibt aber auch wunderschöne ruhige Momente, in denen die Melodie und die Ruhe zwischen den Tönen im Raum zu hängen scheinen. Dann wieder schafft der Musiker ungewohnte Rhythmen, die an ein Gamelan-Orchester aus Bali erinnern. Die Loops scheppern, fremde Motiv-Wiederholungen über elektronischem Geplapper. Zur Zugabe gibt es „Zaire“ von Pili Pili. Einfach wunderbar.
