Beth Harts Doppelalbum/DVD „Live At The Royal Albert Hall“ ist sowas wie ein fehlendes Bindeglied, das einen Kreis ihrer Karriere schließt. Das ehemalige wilde Mädchen und Rock-Küken ist zu einer herausragenden Künstlerin herangereift, die an einem so magischen Ort wie die Londoner Royal Albert Hall ein Live-Album aufnimmt.
Von Dylan Cem Akalin
Wenn es etwas geht, das mir ein wenig übel aufstößt, dann sind es diese überschwänglich, hochemotionalen Zwischenkommentare und immer wiederholenden Liebesbekundungen an ihre Mutter, die offensichtlich im Publikum sitzt. Nun gut, man weiß ja, dass Beth Hart ein sowohl offener als auch emotionaler Mensch ist, deren Texte von immenser Selbstreflektion sind. Das hat sie mir immer wieder in einigen Interviews bewiesen.
Ihre Überwältigung über ihren Erfolg hört man gleich nach dem ersten Song. Sie kann es nicht glauben, es bis hierher geschafft zu haben. Und so brüchig und vollkommen ohne instrumentale Begleitung sie „As Long As I Have A Song“ singt, glaubt man fast, als würde sie ihren musikalischen Heilungsprozess beschwören. Tatsächlich sagte sie mir einmal: „Was ich heute bin, ist das Ergebnis all der Narben und Ängste. Ich kann sie heute aber als Geschenk akzeptieren, weil sie mich auch stark gemacht haben. Sie haben mich zu meinem Glauben gebracht. Sie haben mir die uneingeschränkte Liebe gebracht.“
Mit ihrem Album „Screaming for My Supper“ erreichte sie 1999 erstmals ein größeres Publikum, und dennoch folgte ein tiefer Fall, der Absturz einer Tablettenabhängigen und Alkoholikerin – inklusive Gefängnisaufenthalt. Ihr Manager und späterer Ehemann Scott Guetzkow half ihr heraus aus dem Strudel. Seitdem ging es stetig bergauf.
Große emotionale Geste
Die Fans wissen, diese Frau arbeitet sich für sie ab auf der Bühne, gibt alles, so schon beim atemlosen „Lifts You Up“ und ihrer erster großen emotionalen Geste: „Close To My Fire“. Ihre raue, kraftvolle Stimme kratzt mühelos über die fette Eröffnungsgitarrenlinie. Musikalisch ist das Album ein einziges Zungenschnallen.
Das feierliche „Bang Bang Boom Boom“ startet mit einem unterhaltsamen „Call and Response“, ein typisches Beispiel dafür, wie die Setlist zwischen tief empfundenen Emotionen und verspielten Momenten wechselt. Ihre Fähigkeit, den Raum mit einer sorgfältig geplanten Show zu füllen, macht dieses Album wohl so besonders wie ihre Liveauftritte. Und trotz des Aufnahmestresses, den sie ohne Zweifel gehabt haben wird, nimmt sie sich viel Raum für Spontaneität.
Druckvoll, rockig, eindringlich
Da gibt es das druckvolle „Good as It Gets“, das rockende „Spirit Of God“ und die eindringlichen Balladen „Sister Heroine“ (an ihre verstorbene Schwester) und „Your Heart Is A Black as Night“. Es braucht schon eine besondere Persönlichkeit, um eine Show mehr als zwei Stunden auf hohem Niveau zu halten, um das Publikum so lange bei der Stange zu halten und sich so gefühlsmäßig freizügig zu geben wie beim Gospel „I’m Saved“.
Für das ergreifende „The Ugliest House On The Block“ und das dunkle „Spiders In My Bed“, das seltsamerweise von karibischen Klängen durchzogen ist, stellt sie auf akustische Begleitung um. Sie wechselt zum Klavier für das wunderschöne „Take It Easy On Me“ und das Bekenntnis „Leave The Light On“, ein Lied, mit dem sie die Menge in ihre unruhige Vergangenheit zieht.
Es ist bemerkenswert, wie eine Künstlerin ihr Publikum auf eine solch musikalische Reise mitnehmen kann, die immer wieder Halt macht bei ihren Höhen und abgrundtiefen Abstürzen. Ein bemerkenswertes Album.