Das Andreas Theobald Quartett mit Sängerin Sabeth Pérez zeigte am Freitagabend bei der Dottendorfer Jazznacht, dass noch ordentlich Potenzial in jungen Jazzmusikern steckt.
Von Dylan Cem Akalin
Vielleicht gehört die Verwirrung zum Konzept. Wenn Christoph Möckel (Sopran- und Tenorsaxofon) spielt, dann fährt der Zuhörer im Kopf durch die mehrdimensionale Welt des Jazz und steht dennoch immer wieder mal verloren in der Sackgasse. Gerade, wenn er meint, den Sound des jungen Wayne Shorter zu hören, tut sich eine neue Tür auf. So ist es schon beim ersten Stück des Abends mit dem witzigen Titel „SMS.Liebesgedicht.de“, das durch einen lyrischen Teil führt, aber diesen immer wieder aufbricht. Daran ist auch Bandleader und Pianist Andreas Theobald Schuld, der sein Spiel ebenso wie Möckel im Unbestimmten sucht und manchmal sogar wie der Pianist einer Stummfilmaufführung klingt.
Den ruhigen Pol setzt Bassist Calvin Lennig: immer da, immer verlässlich und so flexibel und von konstanter Präsenz wie fließendes Wasser. Nach der Pause zeigt er mit einem Solo auf Wayne Shorters „Footprints“, dass er ein Bassist ist, der für klare Anschläge und manifeste Strukturen ist. Da wird kein Ton geschludert, kein Lauf verläuft sich in Floskeln. Ein bemerkenswerter Musiker.
Mit seinem ganz eigenen Stil hebt sich Schlagzeuger Felix Ambach hervor.Der erst 20-Jährige lebt seit zwei Jahren in Köln und studiert an der Musikhochschule Köln. Bei wem? Bei Jonas Burgwinkel! Und der Einfluss des zurzeit vielleicht besten deutschen Drummers wird deutlich. Nicht durch Kopie des Stils seines Lehrers, sondern durch Pflege seines eigenen kreativen Ausdrucks. Mal trippelt er die Rhythmen wie auf Zehenspitzen wie in der Schlussphase zu „David’s Impression“, mal cool und zurückhaltend („Footprints“), oder er zeigt sich wild durch expressive Ausbrüche („A Child Trust“).
Sabeth Pérez ist eine Sängerin, die volle Kontrolle über ihr Instrument hat. Das fällt insbesondere bei leisen Passagen auf. Die 26-jährige deutsch-argentinische Jazzmusikerin setzt ihre Stimme zunächst bei „Have You Ever Felt Alone“ ein, sehr sachte von Theobald begleitet, selbst Bass und Schlagzeug halten sich so weit zurück, dass sie nur wie fernes Streicheln wahrnehmbar sind. Das Saxofon klingt, vor allem wenn Möckel das Thema vom Blatt spielt, geradezu tonlos. Dafür sticht aber Pérez‘ Stimme umso mehr hervor.
Imponierend: die Vocal-Improvisation der 26-Jährigen über einen dauerhaften Akkord, der sich so intensiv wiederholt, dass er sich praktisch unter die Hirnrinde setzt. Theobalds Komposition „David’s Impression“ spielt mit diesen unvergänglichen, beharrlichen Momenten, die den Kontrast und die Ebene für allerlei Eskapaden bieten. Möckel mal latinmäßig unterwegs, mal im beachtlichen Wettstreit, teilweise unisono, mit der Gesangsstimme.
Dieses ausdehnende Moment bestimmt auch die Mozartadaption „Kinderspiel“. Die wiederholenden Arpeggios vom Klavier, über das sich das intensive Sopran Möckels legt, bieten Pérez immer wieder die Möglichkeit, stimmlich einzugreifen.
Mir war, als hätte sich das Quartett in der zweiten Hälfte des Abends freier gespielt. Nach „Footprints“ spielt die Band das sehr nachhaltige „Can’t You See The Mountain?“. Und solch ein rhythmisches Spiel, das von einem schönen Thema verstärkt wird, lässt „Miscount“ zu einer Dauerschleife im Kopf werden – selbst nach dem Konzertabend. Begeisterter Applaus. Verdient.