Das Publikum am letzten und dritten Tag von Pinkpop 2018 scheint wegen des Headliners und anderer Künstler jünger zu sein als an den Tagen zuvor. Klar, Bruno Mars spricht eine andere Zielgruppe an als Pearl Jam oder Foo Fighters. Große Enttäuschung des Tages: The Kooks fallen wegen eines Krankheitsfalls in der Band aus. Als Ersatz spielt Di-rect aus Den Haag.
Von Mike H. Claan
Michelle David & The Gospel Sessions eröffnen diesen Festivaltag auf der IBA Parkstad Stage mit ruhigem Swing. Dann liegt es an einem sichtlich nervösen Ronnie Flex, die Mainstage zu eröffnen. Solch eine große Bühne kann einschüchternd sein. Letztes Jahr war er auf der kleineren Bühne. „Ich war weder in der Grundschule beliebt, noch war ich es in der High School, aber jetzt bin ich hier, du kannst alles werden, was du willst, vergiss das nicht!“, ruft er ins Publikum. Doch der 26-jährige niederländische Rapper und Musikproduzent und Deuxperience brauchen nicht lange, um mit afro-karibisch angehauchtem Soul das Publikum zu erreichen.
Jessie J beginnt ihre Performance mit „Do It Like A Dude“. Ihre Stimme ist fantastisch, und ihre Botschaft so klar wie simpel. Mit Songs wie „Who You Are“ und „Queen“ aus ihrem neuesten Album „Rose“ spricht sie die jungen Leute und ihr Selbstbewusstsein direkt an: Jeder ist so schön und gut wie er eben ist. Eine nette Nachricht, die einige Fans tatsächlich zu Tränen rührt. Aber Pinkpop scheint für die Botschaft der englischen Sängerin nicht zu ganz so offen zu sein. Die neuesten Songs, „Bang Bang“ „Price Day“ kommen dem Publikum viel besser an.
Don Diablo reißen die Brightlands Stage geradezu ab. Es ist fast unmöglich, ins Zelt zu kommen. So voll ist es. Wer einmal drinnen ist, will nicht mehr gehen.
Triggerfinger sprangen vor drei Jahren für die Foo Fighters ein, als sich kurz zuvor Dave Grohl ein Bein gebrochen hatte und den Auftritt in Landgraaf absagen musste. Ruben Block und seine Kollegen lassen dieselben Rockmuskeln spielen wie die Foos. Sie bringen die gleiche Entladung wie die Foos, aber sie haben vielleicht nicht dasselbe Talent zu entertainen. Das Rockmonster aus Belgien löst die Publikumsspannung, weil sie ein viel zu langes Schlagzeugsolo spielen. Taylor Hawkins spielte auch eins, aber bei weitem nicht so lange. Die Zeiten für solche Drumeskapaden sind schon lange vorbei. Einen besonderen Gast haben sie mitgebracht: Raymond van de Groenenwoud singt „Je Veux De L’Amour“. Wahnsinn: Der Ausbruch bei „My Baby Got A Gun“.
Die Editors spielen bemerkenswert gut auf der Hauptbühne und erinnern an den Auftritt von Snow Patrol. The Editors haben es nicht schwer, das Publikum um den Finger zu wickeln. Mit Songs wie „Magazine“, „The Racing Rats“ und „The End Has A Start“ ist es für jeden Pinkpop-Besucher ein Vergnügen, zuzuhören und zuzusehen.
Dann ist es Zeit für den Abschluss des Festivals. Bruno Mars liefert eine Popshow, die keine Wünsche offen lässt. Ganz anders als letztes Jahr Justin Bieber. Bruno Mars‘ anderthalbstündige Show ist hinreißend. Ein echter Entertainer halt, der sein Publikum schon allein damit zu Begeisterungsstürmen bringt, indem er auch auf Niederländisch singt. Er tanzt göttlich, und die Mädchen sind bei jeder Bewegung hin und weg. Er hat zwar keine Tänzer auf der Bühne, aber seine Band tanzt mit ihm. Die Choreographie ist wundervoll anzuschauen. Die ganze Show inklusive des Feuerwerks ist perfekt einstudiert. Mars singt „Finesse“ und „24K Magic“, aber auch „Just The Way You Are“ und „Marry Me“. Zur Zugabe gibt es den Hit „Uptown Funk“.
Was für eine klare Stimme! Natürlich sang Sigrid Solbakk Raabe, die nur unter ihrem Künstlernamen Sigrid bekannt ist, ihren Hit „Don’t Kill My Vibe“. Die norwegische Musikerin bezauberte mit ihrer jugendlichen Natürlichkeit. Das ist das Schöne am Pinkpop-Festival, dass es auch unbekannten Künstlern oder kleinen Popsternchen ein Forum bietet, sich zu präsentieren.
Die Kasseler Clemens Rehbein und Philipp Dausch sorgten mit ihrer Folktronica-Band Milky Chance für eine lässige Sommerstrandpartystimmung. „Ego“ klingt ja schon wie so eine Bacardi-Werbung. Und bei „Blossom“ denkt man auch nicht gerade an die Kasseler Fußgängerzone.
So ein bisschen klingt Brian Fallon ja wie ein Bruce Springsteen mit angezogener Handbremse. Der amerikanische Sänger, Songwriter, Gitarrist und frühere Frontmann der Rockband The Gaslight Anthem singt auf seinen Konzerten manchmal sogar Springsteen-Songs. Diesmal indes nicht. In seinem tiefsten Inneren schlummert ein Geschichtenerzähler, und manchmal erzählt er auch zwischen den Liedern über seine Idee, woher diese Lieder kamen. Es gibt nicht viele Musiker, die lyrisch so talentiert sind wie Brian Fallon, man könnte sogar sagen, es ist so, als ob er seine Songs für genau diejenigen schreibt, denen er selbst zuhört. Fallon ist auf jeden Fall einer der großen Songwriter, der es rein textlich vielleicht sogar mit Bob Dylan und Bruce Springsteen aufnehmen könnte. Texte, die ein Leben aus Leidenschaft, Herzschmerz, Liebe und Jugend darstellen, fließen auf die Bühne, während Fallon eine Vielzahl von Gitarren vor einem Publikum spielt, das jedes Wort aus jedem Lied kennt. Worte und Musik strömen aus den Tiefen seiner Seele, um einen bemerkenswerten Rock- und Blues-Sound zu kreieren. Sein Set bestand hauptsächlich aus Songs von seinem aktuellen Album „Sleepwalkers“, und doch ließ er seine Band The Howling Weather auch mal bluesy aufspielen. Ein richtig schönes Konzert.
Die Besucher gingen sicherlich mit gutem, beschwingtem Gefühl nach Hause. Getrübt wurde die gute Stimmung in der Nach indes durch eine Kollision auf dem Campinglatz B, bei dem ein Festivalbesucher starb und einige verletzt wurden. Von Terroranschlag war nicht die Rede. Offenbar waren Drogen und Alkohol im Spiel. Trauriges Ende eines schönen Festivals.