Was für ein großartiges Album: VOLA „Friend of a Phantom“! Das Album ist eine futuristische Reflexion: Zerbrochene Menschlichkeit und digitale Seelen spielen in den Texten über eine postapokalyptischen Welt die große Rolle
Von Dylan Akalin
Sie werden härter – und immer besser: Mit ihrem vierten Studioalbum „Friend of a Phantom“ setzen die dänischen Progressive-Metaller VOLA ihren musikalischen Weg konsequent fort und präsentieren ein Werk, das in außergewöhnlich gelungener Weise sowohl die Härte des Metal als auch die Melancholie des Alternative Rock in sich vereint. Und die Lyrics eröffnen eine faszinierende, düstere Reise in eine Welt, die sich irgendwo zwischen technologischer Entfremdung, psychologischer Verzweiflung und apokalyptischer Symbolik befindet. Jeder Text scheint Fragmente einer Zukunft zu porträtieren, die sowohl vertraut als auch beängstigend fremd wirkt. Die Themen von Verlust, innerer Zerrissenheit, digitaler Isolation und dem Streben nach Erlösung ziehen sich wie ein roter Faden durch die Lyrics und kreieren ein universelles Gefühl der Ungewissheit und gleichzeitig der Hoffnungslosigkeit.
„Cannibal“
Der Opener “Cannibal” sticht besonders hervor, nicht zuletzt durch das Gastspiel von Anders Fridén, dem Frontmann von In Flames. Seine harschen Vocals ergänzen die klaren Gesangslinien von Asger Mygind und verleihen dem Track eine zusätzliche Dimension. Die Kombination aus aggressiven Riffs und eingängigen Melodien zeigt die Band in Höchstform.
In dem Songstehen persönliche und kollektive Desintegration im Mittelpunkt. Bilder wie “eine brennende Krähe” und “eine Fentanyl-Lawine” deuten auf eine zerstörte Gesellschaft hin, in der die natürliche Welt durch von Menschen geschaffene Katastrophen ersetzt wurde. Der “Kannibale” ist eine Metapher für die Selbstzerstörung – entweder durch Sucht, Technologie oder toxische Beziehungen. Der wiederkehrende Satz “This life is so incomplete” erinnert an eine Gesellschaft, die sich von ihrer Essenz entfernt hat und nur noch Schatten dessen ist, was sie einst war.
Der Song schildert die psychologische Leere und den Zerfall der Menschheit, hervorgerufen durch Überkonsum und eine Entfremdung von der Natur. Der Kannibale symbolisiert dabei die selbstzerstörerische Gier der Menschheit.
“Break My Lying Tongue”
“Break My Lying Tongue” überrascht mit dominanten Synthesizer-Klängen, die zunächst ungewohnt erscheinen mögen, sich jedoch nach mehreren Hördurchgängen als integraler Bestandteil des Songs erweisen. Die Mischung aus elektronischen Elementen und progressiven Strukturen verleiht dem Stück eine besondere Note.
Der Song handelt von innerer Disharmonie, der Unfähigkeit, Wahrheit und Lüge voneinander zu trennen, und dem Wunsch, endlich Erlösung zu finden. Die “lügende Zunge” könnte die Stimme sein, die Menschen in einer Welt der Ablenkungen und falschen Realitäten gefangen hält. Der Text spiegelt die Kämpfe in einer digitalisierten Gesellschaft wider, in der Wahrheit durch narrative Manipulation und Informationen ersetzt wurde, die ständig hinterfragt werden müssen. Echt stark!
“We Will Not Disband” und “Glass Mannequin”
Mit “We Will Not Disband” und “Glass Mannequin” zeigt die Band ihre Fähigkeit, emotionale Tiefe zu erzeugen. Diese Tracks zeichnen sich durch sanftere Töne und introspektive Texte aus, die die melancholische Seite von VOLA betonen. Dabei ist “We Will Not Disband” sowas wie ein Kriegsgesang. Der Text schildert eine Gruppe, die trotz Zerfall und Chaos beschließt, zusammenzustehen. Der Satz “We crush the night with our broken hands” deutet vielleicht auf einen letzten verzweifelten Versuch hin, gegen die Dunkelheit anzukämpfen – ob gegen eine feindliche Macht, gegen Systeme der Unterdrückung oder vielleicht gegen sich selbst – ein Song über Widerstand und Solidarität in einer Welt, die auseinanderfällt. Es könnte eine futuristische Dystopie darstellen, in der die letzten Überlebenden versuchen, ihre Menschlichkeit zu bewahren.
“Glass Mannequin”
Um die Zerbrechlichkeit der Seele geht es in “Glass Mannequin”. Der text ist voller Metapher, so wie “vision is birthless” (die Vision ist ohne Geburt), was auf eine Welt hinweisen könnte, in der Hoffnungslosigkeit und Zwecklosigkeit regieren. Die Menschheit ist wie ein Mannequin – äußerlich perfekt, aber innerlich leer, eine Kritik an einer Gesellschaft, die auf Oberflächen und Fassaden statt auf Substanz aufgebaut ist.
“Bleed Out”
“Bleed Out” kombiniert elektronische Beats mit kraftvollen Gitarren und wechselt geschickt zwischen ruhigen Passagen und intensiven Ausbrüchen. Die dynamische Struktur des Songs hält den Hörer in Atem und demonstriert die Vielseitigkeit der Band. “Hollow Kid” liegt irgendwo zwischen Laprous und Japan. Der Protagonisten ist emotional und spirituell leer. Da heißt es etwa“Death doesn’t matter” und “The kid remains hollow”, was den Nihilismus widerspiegelt, der in einer technologisch fortgeschrittenen, aber moralisch bankrotten Zukunft herrschen könnte. Es ist ein beeindruckender Song über den Verlust der Individualität und der Seele in einer Welt, in der Menschen zu austauschbaren Teilen eines Systems werden.
„Bleed Out“ ist ein intensiver, intimer Text über die Zerstörung persönlicher Beziehungen. Bilder von Vergänglichkeit (“sunken ships”, “bended trees”) und toxischer Dynamik prägen die Lyrics. Die wiederkehrende Metapher des “Blutens” deutet sowohl auf körperliche als auch emotionale Wunden hin. In einer dystopischen Zukunft, in der persönliche Bindungen von der Kälte der Technologie überschattet werden, zeigt sich, wie menschliche Beziehungen erodieren und zu einem Kampf um Selbstbestimmung werden.
“Paper Wolf”
“Paper Wolf” bringt die härtere Seite von VOLA zum Vorschein, mit druckvollen Riffs und energiegeladenen Rhythmen. Der Track erinnert an die Wurzeln der Band im Progressive Metal und zeigen ihre Fähigkeit, komplexe Strukturen mit eingängigen Melodien zu verbinden. In “Paper Wolf” wird die Bedrohung durch den “Wolf” zu einem zentralen Thema. Er repräsentiert eine Gefahr, die die Protagonisten umkreist, sei es ein äußeres System der Unterdrückung oder ein innerer Konflikt – der “Wolf” als zerstörerische Macht der Technologie oder eines unmenschlichen Systems. In dem Song warnt Vola davor, die Bedrohungen der modernen Gesellschaft zu unterschätzen.
“I Don’t Know How We Got Here”
Mit dem Verlust der Unschuld beschäftigt sich “I Don’t Know How We Got Here”, eine Refkeltion von Hilflosigkeit und Unverständnis der Menschheit über ihre eigene Zerstörung. Die Geschichte eines Kindes, das in einem Arcade-Spiel stirbt, und eines Mädchens, das verloren geht, steht symbolisch für den Verlust der Unschuld in einer chaotischen Welt. Sehr hübsch, wie in dem Text kleine, scheinbar unbedeutende Ereignisse in einer dystopischen Gesellschaft das größere Bild von Verlust und Trauer spiegeln.
„Tray“
Den Abschluss bildet “Tray”, ein epischer Song, der das Album mit einer Mischung aus Synthesizer-Klängen und emotionalem Gesang ausklingen lässt. Die atmosphärische Dichte dieses Stücks hinterlässt einen bleibenden Eindruck und rundet das Album stimmig ab. Hier wird die Sinnlosigkeit des Lebens in einer hoch technisierten Gesellschaft beschrieben. Der Protagonist versucht, sich in einer Umgebung, die von Symbolen des Überflusses wie “champagne on a tray” geprägt ist, zurechtzufinden, aber alles entgleitet ihm…
„Friend of a Phantom“
„Friend of a Phantom“ zeigt VOLA auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. Die Band versteht es, verschiedene Genres zu einem kohärenten Klangbild zu verschmelzen, ohne dabei ihre Identität zu verlieren. Die Produktion ist klar und kraftvoll, was die Vielschichtigkeit der Kompositionen unterstreicht. Die Songs erzählen von einer Welt, die zwischen Zerstörung und Erlösung schwebt. Sie nutzen dystopische und apokalyptische Bilder, um Themen wie Entfremdung, Selbstzerstörung und den Verlust der Menschlichkeit zu erkunden. Doch trotz aller Dunkelheit bleibt ein leiser Funken der Hoffnung. Diese Spannung wird durch die fantastischen Kompositionen unterstrichen. Die Songs sind aber nicht nur als Warnungen zu verstehen, sondern sind auch eine Einladung zur Reflexion – über die Gesellschaft, die wir erschaffen, und die Zukunft, die wir vielleicht noch verhindern können. Sie sind poetische Abbilder einer Zukunft, die wir vielleicht bereits erleben.