Zu viel gewollt, zu wenig gewagt: Tom Walker „What A Time To Be Alive“

Tom Walker FOTO: Promo/Simon Emmett

Tom Walker hatte mit der Ballade „Leave a Light on“ bereits im Herbst 2017 einen Überraschungserfolg, doch anstatt schnell ein Album zusammenzuklöppeln, kommt der Longplayer erst jetzt nach. Man merkt der Platte an, dass sich Zeit zur Konzeption gelassen wurde. 

Von Freda Ressel

Starke Stimme, bluesig-soulige Musik mit Gitarren und elektronische Beats – diese Kombination liegt gerade voll im Trend und hat nicht nur Justin Timberlake mit seinem „Say Something“ zu einem Riesenhit verholfen. Auch der 27-jährige Brite Tom Walker fühlt sich in diesem Soundgefüge wohl. Nachdem der Sänger mit der Ausnahmestimme mit „Leave a Light On“ auch in Deutschland im letzten Jahr allgegenwärtig war und noch ohne Album den Brit Award für „Best Breakthrough Act“ gewann, wurde es Zeit für das erste Album.

Songs zwischen Melancholie und Hoffnung

Natürlich birgt ein solcher Voraberfolg das Risiko, zur Eintagsfliege zu verkommen, von daher war der Gedanke, sich etwas Zeit mit dem Release zu lassen, sicher nicht unsinnig. Und direkt vom Beginn an merkt man, dass sich bei „What A Time To Be Alive“ sehr viele Gedanken gemacht wurde, wie man einen Albumerfolg konzipiert.    

„Angels“ mit einem starken Refrain mit Synthie-Streichern und ausschweifenden Backingchören bringt den Zuhörer vom Fleck weg in Pathos-Stimmung, danach reicht Walker den Hit nach.

Damit ist die Bühne bereitet für insgesamt 14 Songs zwischen Melancholie und Hoffnung. Walker springt ein bisschen zwischen den Modi, mal mehr Blues, mal mehr an OneRepublic erinnernde Popsongs, mal Soul. Dynamisch bleibt er jedoch stets im Midtempo- bis Balladenbereich. Hier hätte entweder Aussortieren oder mehr Abwechslung dem Album gut getan – so hat das Album deutliche Längen, zumal es eben auch nicht gerade kurz ist.  Auch die Kollaborationen mit Zara Larsson und Rudimental können hier nicht wirklich Abhilfe schaffen.

Gewisse Zeitlosigkeit

Nur zweimal verlässt Walker diesen Pfad: Zunächst mit dem erdigen „Cry Out“, das fast komplett ohne elektronische Elemente auskommt und mit seinem Klavier, Banjo und Percussions sehr gut zu Walkers kräftiger Stimme passt. Und später mit „The Show“, das etwas aus der Klangästhetik fällt, da es eher in das Gebiet von Pop-Jazz-Interpreten wie Jamie Cullum oder Gregory Porter zu passen scheint. Allerdings verfällt Walker danach immer sofort in die aktuell angesagten Sounds zurück. Das ist schade, denn den beiden Songs haftet im Gegensatz zum Rest eine gewisse Zeitlosigkeit an.   

Während die Rückkehr der Gitarren in der Popmusik natürlich zu begrüßen ist, kann das Konzept als Kompromiss-Melange den geneigten Rockfan nicht so richtig begeistern. Walkers Longplayerdebüt ist definitiv gut gemacht und wird vor allem durch Singles im Radio sicher noch viele Menschen begeistern. Die mangelnde Risikobereitschaft beim Songwriting und der Produktion wird jedoch Walkers abwechslungsreichen und starken Stimme nicht wirklich gerecht.