Almøst Human „Xs2xtc – Zwischen albtraumhaften Innensichten und angriffslustiger Wucht

Almost Human by MarcDucret

Sechs Jahre nach ihrer Debüt-EP veröffentlicht die Schweizer Band Almøst Human  mit Xs2xtc ein Album mit vierzehn ausgereiften Songs zwischen Nu-Metal und industrial-durchwebtem ProgMetal. So manches erinnert an Nine Inch Nails und While She Sleeps – insgesamt aber eine gute Mischung aus Stilen und Inspirationen.

Von Dylan Cem Akalin

Das Cover wirkt wie eine medizinische Zeichnung aus einem Horror-Fantasy-Film. Und irgendwie geht es bei Almøst Humans teilweise auch irreal zu, der Tod spielt in den Lyrics immer wieder eine Rolle. Musikalisch bilden komplexe riff-lastige Arrangements den Rahmen für die wirklich starken Vocals, die eindeutig im Vordergrund stehen. Die Hälfte der Band ist am Gesang beteiligt, so dass es viele schöne Harmoniegesänge gibt. Ein dynamisches und bewegendes Album. Der Opener „System of  Beliefs“ beschäftigt sich mit der Frage nach der Matrix: Sehen wir tatsächlich die Realität?

„War, Like The Pigs That You Feed Rich“

Auch wenn der Titel „Warpigs“ die Annahme nährt, es handele sich um ein Black Sabbath-Cover. Weit gefehlt. Eine einsame Metal-Gitarre führt in das Stück, fette Akkorde greifen ein, die Keyboards kreischen, die Drums klingen wie Gewehrsalven, aggressiver Gesang: „War, Like The Pigs That You Feed Rich“. Ganz entfernt weht die Fahne von System Of A Down und Killing Joke.

„Naked Now“ ist ein großartiger Song, der stimmungsmäßig und inhaltlich „Warpigs“ weiterspinnt. Ein fast verstörender Song. „Chemical Breakfast“ ist ein Instrument, das gute Momente und asymmetrische Klänge teilt, während eine besondere Stimme zu hören ist. „What Makes You so Hard“ klingt wie eine Extreme Metal -Nummer von Linkin Park.

„Chemical Breakfast“ ist eine sensationelle, atmosphärische Instrumentalnummer, die auf einem sparsamen Thema basiert. Ein schöner Ruhepol nach so viel Kraft und exzessiven Ausbrüchen.

Auch bei „Divine Comedy“ gibt sich die Band ein wenig versöhnlicher. NIN-mäßig, eindringlicher Gesang, die Truppe zeigt, dass sie bei all dem Blei und Metall in ihrer Musik, auch das Zeug für Emotionen haben.

Songs über Täuschung, über Wut und Traurigkeit

Es folgen Songs über Täuschung, über Wut und Traurigkeit, über Schmerz und Illusionen, über religiöse Fanatiker und heuchlerisches Gottverständnis. Keine Frage, die Band hat Wut im Leib und rotzt sich die mit äußerster, grimmiger, aufgebrachter Kreativität  aus dem Leib. Almøst Humans Musik bewegt sich zwischen albtraumhaften Innensichten und Wutanfällen, angriffslustiger Wucht und schwereloser Illusion.

„Baby Clued“ überrascht mit einem indisch anmutenden Rhythmus im Intro, „Clowned“ könnte fast ein radiotauglicher Rocksong sein, ein eingängiger Chorus mit orchestraler Instrumentierung.

„From womb 2 mutter“

„From womb 2 mutter“ ist das zweite Instrumental. Es ist deformiert und dekonstruiert, um dann zum Schlusslied des Albums zu kommen. „Welcome 2 Neverland“ ist mit fast 14 Minuten der längste Track auf dem Album. Es bietet Breakdowns, technisch gesteuerte Drums und Gitarren mit hervorragenden Vocals, ein wenig Anklänge an Synthpop mit einer seltsamen melodischen Linie im Hintergrund, die dem Song eine zusätzliche, bizarre Atmosphäre verleiht. Und ganz plötzlich versetzt uns Almøst Humans in einen tiefschwarzen Raum, orientierungslos geben wir uns den meditativen Klängen hin, die um uns schwingen wie in einer tiefen Andacht. Ein wirklich starkes Album.

Gegründet in den 90ern von Olivier Perdrizat (Gitarre und Komposition) und Rosario Fullone (Drums), war Almøst Human ein paar Jahre später fast wieder in der Versenkung verschwunden, um 2008 wieder aufzutauchen, als Jan Peyer (Bass) der Band beitrat. Dieses produktive Line-Up wurde durch Chris Matthey (Gitarre), dessen Produzententalent der Band halfen, einen kraftvollen als auch filigranen Sound zu schmieden, komplettiert. Etwas später stieß Ben Pluss (Sänger) dazu, um mit seinem Verve und seiner einzigartigen Gesangsstimme den Songs Leben in Fleisch und Seele einzuhauchen.