Von musikalischen Paralleluniversen, kreativen Grenzgängen und kollektiven Visionen – mit dem Programm für 2018 gestaltet das Jazzfest Berlin (1. bis 4. November 2018) Kontraste, sucht Herausforderungen und eröffnet Begegnungsräume. Es kreiert Zeitkapseln, reist in die Zukunft und blickt in die Vergangenheit, fordert Utopien, fördert freie Geister, will bewegen, denken, grooven, tanzen.
Vier Tage lang nehmen etwa 200 Musiker*innen aus rund 15 Ländern in verschiedensten Formationen das Haus der Berliner Festspiele und weitere Orte in der Stadt ein. Am 1. November steht mit dem „Haus of Jazz“ die große Eröffnung mit zehn Acts und zahlreichen Deutschlandpremieren auf allen Ebenen des Festspielhauses an. Nicole Mitchell und das Black Earth Ensemble eröffnen den Abend auf der Großen Bühne, doch zuvor schon lädt die interaktive Performance „FutureLeaks: Umschlagplatz der Visionen“ zu einer utopischen Erfahrung, und das Berliner KIM Collective spielt seine Carte Blanche und kreiert auf der Unterbühne des Hauses den „Un(ter)ort“ – ein musikalisches Echo auf das oberirdische Geschehen. Zwischenspiele auf vier Bühnen eröffnen musikalische Paralleluniversen und das Haus als freie Bewegungsfläche, um abschließend zum finalen Eröffnungswerk von Rob Mazureks „Exploding Star International: Chicago-Berlin‘‘ auf der Großen Bühne zusammenzufinden.
Vielstimmigkeit aufstrebender europäischer Künstler
Thematisch bewegt sich das Jazzfest Berlin zwischen der Vielstimmigkeit aufstrebender europäischer Künstlerinnen und Künstler und ihren dynamischen Wirkungskreisen; Chicago als gewachsenem Ort des kreativen Austauschs und des kollektiven Miteinanders; und dem Jazz zwischen seiner afroamerikanischen Geschichtsschreibung – die gleichermaßen von Unterdrückung und Rassismus erzählt wie von Befreiung und Empowerment – und heutigen kreativen Kosmen, wie dem des Afrofuturismus in seinen vielgestaltigen Spielarten.
Als Artist in Residence tritt die Gitarristin Mary Halvorson aus New York mit ihrem markanten Spiel und ihrer außergewöhnlichen Wirkkraft in unterschiedlichen Formationen auf. Außerdem finden neue Kooperationen und Formate ihren Platz, öffnen das Festival für andere Künste und gestalten mit Installationen, Kiezkonzerten, Ausstellungsbesuchen und Performances neue Erfahrungsräume in- und außerhalb des Festspielhauses.
Mary Halvorson als Artist in Residence
Warm resonierendes Honduras-Rosewood-Holz, die Diversität von Stimmqualitäten sowie das bebende und singende Vibrieren dunkler dicker Saiten sind Sonoritäten, in die sich Mary Halvorson als Artist in Residence für ihr Berlin-Special-Konzert begibt. Bei ihrer Wahl für die Berliner Musiker Taiko Saito an Vibrafon und Marimba, Liz Allbee an der Trompete und Chris Dahlgren am Kontrabass war ohne Zweifel ihre Affinität zum Klangpotential dieser Musikerpersönlichkeiten ausschlaggebend, die sie mit ihrem eigenen präzisen Gitarrenklang konfrontiert.
Ausgangslage klar, Ende offen. Ein gemeinsamer Bezugspunkt für Chris Dahlgren und Liz Albee mit Mary Halvorson ist Anthony Braxton, in dessen Ensembles alle drei (sogar gemeinsam) gespielt haben. Taiko Saiko bewegt sich genauso wie Liz Allbee in Feldern der Improvisierten Musik, der Neuen Musik und der Weltmusik unbeschwert hin und her. Chris Dahlgrens Aktionsradius reicht von Berliner Markenzeichen wie Johnny La Marmara und Mystic Maze, über rumänische Jazzverbindungen bis hin zum Singer-Songwriter.